Schlamperei beim Landgericht Köln möglicherweise mit schuld an Streaming-Abmahnwelle

Den Abmahnungen an zehntausende Surfer durch die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen wegen Nutzung von Streaming beim Portal Redtube gingen Auskunftsersuchen des Rechtsanwalts Daniel Sebastian voraus. Die waren notwendig, um die ermittelten IP-Adressen mit Namen von Nutzern verbinden zu können – ein nahezu alltäglicher Vorgang, wie das Landgericht Köln auf seiner Website erklärt. Allerdings scheint gerade diese Alltäglichkeit zum Schlendrian geführt und die Abmahnwelle erst möglich gemacht zu haben.

Einen dahingehenden Verdacht hat bereits der Berliner Anwalt Johannes von Rüden geäußert. Laut dem Kölner Anwalt Christian Solmecke, der eigenen Angaben zufolge bereits 600 Betroffene vertritt, sind die Auskunftsersuchen nämlich “schlapp” und hätten das Gericht auch ein “bisschen gefoppt”. Das hat der Anwalt in einer Diskussionsrunde bei Nebelhorn Piratenradio, einem Angebot der Piratenpartei Bayern und NRW, am späten Donnerstagabend erklärt.
Einen dieser Anträge hat Abmahnhelfer.de bereits veröffentlicht. Insgesamt hatte Sebastian 89 “Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG” gestellt. Sie bezogen sich laut Solmecke auf jeweils 500 bis 1000 IP-Adressen. Am Landgericht Köln gibt es 16 Kammern mit je drei Richtern, insgesamt also 48, auf die solche Anträge üblicherweise verteilt würden. Von den 89 Anträgen sind 27 abgelehnt worden. Diese Richter haben laut Solmecke offenbar nachgehakt oder hatten die erforderliche Kompetenz.
Der Rest hat die Anträge aber offenbar nur überflogen und durchgewinkt. Solmecke entschuldigt das mit der Vielzahl ähnlicher Anträge in Filesharing-Verfahren, die die Richter regelmäßig bearbeiten müssen. So werde einfach nur noch auf bestimmte Schlüsselstellen geachtet – die Rechtsanwalt Sebastian auch geschickt kaschiert habe, indem die Anträge in Aufbau und Wortwahl sich sehr stark an Auskunftsersuchen für Filesharing anlehnten.

So wird darin etwa von einem Hashwert des Links gesprochen: “Dateien bzw. Dateienbündel werden eindeutig durch eigene URL, mithin eine einzigartige Ressourcenverweisung (Link) identifiziert. Für jeden dieser Links existiert ein einzigartiger, sogenannter Hash-Wert, der dem digitalen Fingerabdruck einer Datei oder eines Links vergleichbar ist und diesen unverwechselbar macht.” Diese Begründung klingt gut, ergibt aber nur beim Filesharing, nicht beim Streaming Sinn.
Außerdem werde in den Anträgen nicht wirklich erklärt, wie die IP-Adressen ermittelt wurden – außer das dazu eine Software zum Einsatz kam. Im Web kursierende Vermutungen, Werbeeinblendungen auf der Seite hätten das Tracking ermöglicht, sind zwar nicht völlig von der Hand zu weisen, würden aber die Position des Rechteinhabers schwächen: Wenn er gewusst hat, dass die ihm gehörenden Filme auf dem Portal gestreamt werden und gezielt dafür die Werbung gebucht hat, dann kann eigentlich von einem Einverständnis ausgegangen werden. Er hätte dem Betreiber das Streaming untersagen und nicht die Nutzer ermitteln müssen.
In der Spätausgabe der Tagesschau sagte der Sprecher des Landgerichts Köln gegenüber der ARD, dass man die Sachlage prüfen werde, wenn Beschwerden eingehen. Genau das legten die Teilnehmer der Diskussionsrunde bei Nebelhorn Piratenradio Betroffenen auch nahe: “Wer sich alle Rechtspositionen sichern will, sollte gegen die Beschlüsse des Landgerichts Köln Beschwerde einlegen.”
Laut Solmecke stellt sich nämlich die Frage, ob in einem eventuellen Gerichtsverfahren das mit dem Antrag erworbene Beweismittel überhaupt rechtskräftig wäre. Das Beweismittel dies nicht sind, ist im Gesetz vorgesehen, kommt in der Praxis aber nur sehr selten vor. Die Streaming-Abmahnungen könnten aber nach Ansicht des Anwalts so ein Fall sein. Möglicherweise handelt es sich nämlich um einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis – indem der Antragssteller sich die zu den IP-Adressen gehörenden Namen unter Angabe falscher Tatsachen sozusagen erschlichen hat.