Kölner Anwalt stellt Abmahn-Barometer für Webnutzer vor
Seit Mitte vergangener Woche erhalten tausende tatsächliche oder vermeintliche Nutzer des auf Porno-Filme spezialisierten Streaming-Portals Redtube Abmahnungen wegen angeblich Anfang August 2013 begangener Urheberrechtsverletzungen. Dabei geht es vor allem um den Film “Amandas Secrets“, aber auch wegen der offenbar weniger beliebten Filme “Miriam´s Secrets”, “Dream Trip” und “Glamour Show Girls” haben Nutzer von der Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen Abmahnungen erhalten.
Für Aufregung sorgen die Briefe zum einen wegen ihrer großen Anzahl: Alle für die Verteidigung von Verbrauchern in Urheberrechtsverfahren bekannten Kanzleien berichten von einem ungewöhnlichen Ansturm. Zum anderen sorgt vor allem bei den Juristen die Tatsache für Aufsehen, dass die Rechteinhaber den Internetnutzern vorwerfen, sie hätten durch die Streaming-Nutzung Urheberrechte verletzt. Das ist neu.
Herstellerin des Films “Amanda’s Secrets” ist dem Berliner Anwalt Johannes von Rüden zufolge die spanische Firma “Serrato Consultors S. L.”. Die hat am 20. Juli 2013 die Auswertungsrechte daran die Berliner Firma „Hausner Productions“ übertragen, die wiederum die für die aktuelle Abmahnwelle wesentlichen Rechte am 18. Juli 2013 an die Schweizer “The Archive AG” übertragen hat.
“Alleiniger Zweck der The Archiv AG ist es offenbar, Rechtsverletzungen im Internet zu verfolgen, insbesondere im Bereich von Streaming-Angeboten, Tauschbörsen, P2P-Filesharing-Netzwerken sowie Download- und Progressive Download-Angebote”, so von Rüden. Damit hat das Unternehmen die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen beauftragt.
Die trat bereits in der Vergangenheit einmal spektakulär in Erscheinung, als sie an einem Pornopranger Namen von Abgemahnten veröffentlichen wollte, die angeblich per Filesharing solche Filme verbreitet haben und keine Zahlung an sie leisteten. Möglicherwiese spekuliert die Kanzlei bei ihren Abmahnungen auch darauf, dass bei schlüpfrigen Filmchen Angeschriebene eher zu zahlen bereit sind, um eine Bloßstellung zu vermeiden, als dies bei gesellschaftlich eher akzeptierten Inhalten der Fäll wäre.
Allerdings hat sie den nun entfesselten Sturm der Entrüstung offenbar nicht vorhergesehen. Der ist allerdings nicht in erster Linie auf die Inhalte, sondern auf die Übertragungsform zurückzuführen: Inwieweit Urheberrechtsverletzungen beim der Nutzung von Streaming überhaupt möglich sind, ist rechtlich nämlich äußerst umstritten. Bisher gibt es zumindest keine nennenswerte gerichtliche Entscheidung zu dem Thema.
Möglicherweise ändert allerdings auch die aktuelle Abmahnwelle daran nichts. Es scheint nämlich so zu sein, dass das Gericht, das den Beschluss zur Herausgabe der vom Rechteinhaber ermittelten IP-Adressen verfasste, entweder den Unterscheid zwischen Streaming und Filesharing nicht erkannte oder vom Antragssteller darüber getäuscht wurde.
Abmahn-Barometer für Streaming, Filesharing und Downloads
“Rechtlich ist noch unklar, ob im Wege des Streamings überhaupt eine Urheberrechtsverletzung begangen werden kann”, erklärt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke. “Da die Filme nicht offensichtlich rechtswidrig auf Redtube verbreitet worden sind, gehe ich davon aus, dass hier eine legale Privatkopie auf Seiten der Nutzer gegeben ist.”
Er hat inzwischen eine Art Barometer der Abmahngefahr veröffentlicht. Damit wird erklärt, wie hoch die Abmahngefahr bei welcher Form der Mediennutzung im und mit dem Web ist.
Beim Download von Filmen oder Musik über Filesharing-Netzwerke ist sie sehr hoch, da dies eindeutig illegal ist. Grund dafür ist, dass die Dateien beim Download automatisch auch hochgeladen und somit anderen zugänglich gemacht werden. Letzteres ist bei geschützten Werken ohne Zustimmung der Rechteinhaber eine klare Verletzung des Urheberrechts.
Bei sogenannten One-Click-Hostern wie Mega und Rapidshare und bei Streaming-Portalen hält Solmecke die Abmahngefahr für mittelgroß. Es handle sich um eine rechtliche Grauzone. Er rät Nutzern “offensichtlich rechtswidrige Portale” zu meiden. Allerdings dürfte es in der Praxis manchmal schwer sein, zwischen legal und illegal zu unterscheiden.
Bei Fußball-Live-Streams hänge die Gefahr einer Abmahnung vom gewählten Übertagungsweg ab. Live-Streams, die nur passiv empfangen werden, sind da nicht anders einzustufen als andere Streaming-Angebote. Anders verhält es sich allerdings bei Streams, die über P2P-Broadcasting-Dienste wie Sopcast empfangen werden. Sie sind laut Solmecke eindeutig illegal. Es gilt dasselbe wie beim Filesharing: Da der Nutzer den Inhalt nicht nur betrachtet, sondern auch weitergibt, macht er sich der Urheberrechtsverletzung schuldig.
Bei Downloads stuft Solmecke die Gefahr einer Abmahnung dagegen als niedrig ein. Wer zum Beispiel die Musikspur auf Youtube auf dem eigenen Rechner sichert oder Musik im Internet, zum Beispiel von einem Internet-Radio aufnimmt, macht nichts anderes als früher mit dem Kassettenrekorder am Radio – nur eben mit anderen technischen Mitteln. Ausnahme sind auch hier “offensichtlich illegale Angebote”.