Projekte richtig steuern: Trends bei Software für das Projektmanagement
Viele Unternehmen entdecken, dass sie ihre Planungen nur noch umsetzen können, wenn sie mit Hilfe des PCs Ordnung und Überblick in ihre Projekte bringen. Zu viele Daten, Probleme und Zuständigkeiten müssen verwaltet und koordiniert werden – mehr als Excel-Sheets noch hanhabbar ausdrücken können. Eine professionelle Software für das Projektmanagement muss also her.
In der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik erklärt Professor Pietsch von der Fachhochschule Aachen zahlreiche Bestandteile und Modelle für das Projektmanagement mit Hilfe von Software. Demzufolge müsste man jedoch jahrelang studieren, um die ganze Komplexität des Themas zu erfassen. Die Zeit hat nicht jeder.
Anbieter von Software für die Problematik gehen das Thema jetzt von verschiedenen Seiten an. Mal in Form eines spezialisierten Softwareprodukts, mal als Cloud-Service, mal als Outlook-Plug-in nähern sich die neuen Spieler den Herausforderungen. Manche Lösungen kommen aus der klassischen Unternehmensberatung, manche aus der Informationstechnik, andere aus dem “Mindmapping”-Gedanken heraus.
Und während das Thema in Großunternehmen bereits etabliert ist, durchdringt es nun immer stärker auch den Mittelstand. Eine Studie, die ibi research im Auftrag der Deutschen Bank durchgeführt hat, prognostiziert, dass der Anteil, den Projekte an der Wertschöpfung innerhalb der gesamten deutschen Wirtschaft haben, von 2 Prozent im Jahr 2007 bis auf 15 Prozent im Jahr 2020 steigen wird. Der Titel der Deutschen-Bank-Studie gibt dem Phänomen auch gleich einen aussagekräftigen Namen: “Projektwirtschaft 2020“.
Veränderungsmanagement statt reines IT-Projekt
Projektmanagementsysteme einzuführen ist nicht mehr wie früher nur Aufgabe der IT-Abteilungen, denn zuvor müssen Unternehmen wissen, was sie mit einem Projektmanagementsystem überhaupt bezwecken und mit welchen Mitteln sie ihre Ziele erreichen können. Das, so Eric Hirschbiegel, Geschäftsführer des Anbieters Sciforma, betrifft oft die Organisationsstruktur der gesamten Firma, die Prozesse und Netzwerke, viele Menschen, die sich mit einem System anfreunden müssen und erst dann die IT, die nur die Werkzeuge dafür liefern muss: “Die meisten Anfragen kommen direkt von den Fachabteilungen”, erklärt Hirschbiegel.
Sein Unternehmen kommt aus der Beratung und hat sich die Software-Entwicklung nur hinzugekauft, um die wirtschaftlichen Prozesse besser abbilden und steuern zu können. Die US-amerikanischen Entwickler müssen sich nun den Vorgaben beugen, die mit Hilfe ihres eigenen Systems an sie herangetragen werden. Dass Unternehmen erst einmal Pflichtenhefte erstellen müssen, ist den meisten Nutzern nicht klar – aber oft erkennt man erst daran, wie realistisch ein Projektziel ist.
Sciformas Mitbewerber Mindjet kommt aus einer völlig anderen Ecke: Mit den Tools des Herstellers werden zuerst die Ideen skizziert und diese dann mit den entsprechenden Daten verknüpft. Die Mindmapping-Funktionen bauen quasi ein Grundgerüst, bevor daraus Übersichten für das Management werden. Das Produkt hat diese Projektmanagement-Funktion quasi als Add-on für sein Mindmapping-Tool (mit Cloud-Service) produziert.
Mobil und in der Cloud
Anbieter InLoox dagegen vertraut vor allem auf mobile Nutzung gemeinsamer Daten, die bereits im Unternehmen in das Projektmanagement-System eingegeben wurden. Eine aktuelle Umfrage des Münchner Softwareherstellers unter seinen Kunden hat ergeben, dass viele Anwender in Zukunft ihre Projekte auch über einen Tablet-Computer oder ihr Smartphone steuern wollen. Die Mehrzahl der Befragten wolle zwar komplexere Planungs- und Steuerungsaufgaben am liebsten noch am Desktop-PC verwalten, ein nicht unbeträchtlicher Anteil aber unterwegs auf dem Weg zum Kunden Aufgaben erledigen und den Fortschritt mobil melden.
Das wiederum setzt einen zentralen Cloud-Dienst voraus, der Informationen von überall aufnehmen kann, um die Datenbasis größerer Projekte zeitnah zu erfassen. InLoox bietet dies an, produziert jedoch keinen separaten Client, sondern ein Plug-In für Outlook – weil darin in den meisten Unternehmen schon kleinere Projekte mit Zu-Erledigen-Listen, Kontakten und dergleichen mehr gesteuert werden. Auch eine Web-App für die Projektkoordination ist erhältlich. Der Hersteller hat seinen Cloud-Dienst InLoox now bereits mit Chrome, Internet Explorer, Firefox und Safari getestet.
Auch Projectplace aus Frankfurt setzt mit seinem Service auf die Cloud und konzentriert sich bei seinen Neuerungen für mittelständische Unternehmen auf das Berichtswesen. Wie auch ein Konkurrent des Anbieters anmerkt, weiß das Management oft nicht über den Status von Projekten Bescheid, die es angestoßen hat – die Planung und Kontrolle der Fortschritte muss übersichtlich dargestellt werden, damit die Entscheider schnell den richtigen Hebel umlegen oder noch rechtzeitig eingreifen können.
Projectplace Extended ist eine integrierte Lösung von Projectplace und BlueAnt (entwickelt von der ProventisGmbH), die auch jederzeit über offene Schnittstellen in andere IT-Systeme eingebettet werden kann. So kann der Dienst mit Cloud-Datacenter in Deutschland auch in das in den USA beheimatete Office 365 integriert werden, ohne die Informationen nach außen zu geben.
Sowohl als In-House- als auch als Cloud-Lösung verfügbar ist RSTaskgroup, das die üblichen Projektmanagement-Funktionen auch für kleinere Unterprojekte anbietet und aus ihnen einen Gesamtüberblick zusammensetzen kann. Verschiedene Diagramm-Ansichten (etwa Gantt-Diagramme für zeitkritische oder Baumansichten für das hierarchische Durchforsten einzelner Projekte) zeigen hier Status, Kosten und Risiko.
Was ist wichtig bei Projektmanagement-Systemen?
Wie eine Aufgabe angegangen wird, unterscheidet sich je nach Anforderung. So schreiben Unternehmen oder Behörden Methoden vor, nach denen Projekte gesteuert und dokumentiert werden müssen. Der Berliner Flughafen BER mit seinen 300 Subunternehmern beispielsweise legte ohne solche Vorgaben los und verfügte weder über Projektmanagement-Tools noch über einen Generalunternehmer, der ein Produkt zur Steuerung einsetzt. Das Projekt ist noch immer nicht fertig.
Viele deutsche Behörden legen in ihren Ausschreibungen fest, dass ein potenzieller Auftragnehmer alle Schritte zur Zielerreichung in einer Liste festlegen muss. Das ist bekannt als “V-Modell” (V steht für Vorgehen), das eigentlich der Software-Entwicklung entstammt.
Die Schweizer haben ihren eigenen Standard Hermes, der ebenfalls ursprünglich zur Abwicklung von IT-Projekten gedacht war. Der meistverbreitete Ansatz, um ein Projekt zu dokumentieren und steuern, heißt PMI und kommt aus den USA.
In europäischen Ländern ist die Vorgehensweise der IPMA (International Project Management Association) verbreiteter. Das britische Modell PRINCE 2 kommt noch in einigen Großprojekten vor und wird früher oder später in IPMA aufgehen, erlebt aber wegen seiner Skalierbarkeit derzeit eine Renaissance. Projektmanagementsysteme für größere Vorhaben sollten wegen der Vorgaben der Auftraggeber diese Standards unterstützen. Bei Sciforma 6.0 etwa können sie als “Extensions” an das Grundmodul aufgesetzt werden (und sind teilweise schon im Lieferumfang enthalten), um Projekte genau nach diesen Vorgaben zu steuern und zu dokumentieren.
Moderner sind “agile Methoden” (Standards AGILE, Kanban usw.) die kontextbezogene Änderungen einbeziehen. Nicht alle Projektmanagementsysteme können das – die “was wäre wenn”-Projektänderungen (das “Change Management”) müssen dann von Hand nachgetragen werden.
Für kleinere Unternehmen und Projekte eignen sich Systeme wie RSTaskgroup, die im Grunde den Datenwust in verständlichere Aufgaben-, Ressourcen- und Finanzplanung aufteilen können. Für Unternehmen ab einer gewissen Größe (“gehobener Mittelstand”) sind Schnittstellen zu externen Systemen wie zu SAPs ERP unerlässlich. Funktionen, die die Überschreitung von Grenzwerten zum Beispiel in Buchhaltungsdaten erkennen und entsprechende Aktionen auslösen können, sollten vorhanden sein. Dies bieten die meisten der genannten Systeme.
Bei all den Funktionen der großen und der neuen Systeme darf nicht vergessen werden, dass oft ein “kleiner” Einstieg über preiswerte Programme und Cloud-Dienste genügt. Der Blog Springest.de hat sich die Mühe gemacht, 65 solcher kleinen Projektmanagement-Tools zu testen. Springest beschreibt die Produkte als “simpel bis anspruchsvoll, teuer bis gratis”. Die meisten dieser Angebote halten nicht mit den oben beschriebenen Profi-Tools mit, doch zum Einstieg ins Projektmanagement eignen sie sich durchaus.
Fazit
Ob man nun mit lokaler Software, Cloud-Services, IT-Dienstleistern oder Unternehmensberatungen zum konkreten Projekt kommt, spielt nicht wirklich eine große Rolle. Doch die erhältlichen professionellen Projektmanagement-Hilfsmittel werden immer besser und bringen Ordnung ins Chaos insbesondere umfangreicher Projekte.
Die IT spielt nicht die größte Rolle dabei – wichtig sind vor allem eine gute Planung, deren Niederschrift in Software und Cloud-Diensten sowie der Einbau von Kontrollmechanismen (oder zumindest Erinnerungen). Denn wenn die Geschäftsführung nur sagt “wir wollen unseren Umsatz verdoppeln” hilft das ohne Ziele, exakte Planung, Arbeitsverteilung, Vorausblick bei Veränderungen oder ohne Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nichts.
Alle neuen Produkte können Vieles, um zur Lösung aus verschiedenen Blickwinken heraus beizutragen – doch ohne den klugen Kopf hinter einem Projekt können alle Systeme auch zum Scheitern beitragen. Dann muss sich dieser “Kopf” entscheiden, ob er mit Brainstorming wie in Mindet beginnt oder sich auf die Ausführung wie in Sciforma oder besonders auf das Reporting für das Management wie in Projectplace konzentriert.
Der generelle Trend ist, Module in Systembauweise hinzufügen oder hinzubuchen zu können, Daten in die Cloud auszulagern und die Schnittstellen zu externen Datenquellen zu verstärken. Das Ende möglicher Funktionen ist noch lange nicht erreicht – es werden noch mehr Projektmagement-Produkte auf den Markt kommen.