Behörden dürfen bei Ausschreibungen Second-Hand-Lizenzen nicht ausschließen

Software
Gerichtsurteil (Bild: Shutterstock)

Dies hat die Vergabekammer Westfalen entschieden. Demnach handelte der Kreis Steinfurt vergaberechtswidrig, als er in einer Ausschreibung Lizenzen für gebrauchte Software ablehnte. Die dafür vorgebrachten Argumente hält die Vergabekammer für unbegründet.

Der nordrhein-westfälische Kreis Steinfurt ist verpflichtet, einen Auftrag zur Beschaffung von knapp 1500 Microsoft-Office-Lizenzen neu auszuschreiben. Dies hat die Vergabekammer Westfalen nun auf Antrag des Gebrauchtsoftwarehändlers Soft & Cloud AG aus Greven bei Münster entschieden. In dem Verfahren hat die Stelle, welche für die Nachprüfung von Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber verantwortlich ist, sich in allen Punkten auf die Seite des Händlers gestellt. Damit hat dieser womöglich eine für die gesamte öffentliche Beschaffungspraxis in Deutschland sowie die Gebrauchtsoftwarebranche bedeutsame erwirkt.

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Der Gebrauchtsoftwarehändler Soft & Cloud hat bei der Vergabekammer Westfalen eine für die gesamte Branche sowie die öffentliche Vergabepraxis wichtige Entscheidung erwirkt (Bild: Soft&Cloud).

Die Soft & Cloud AG hatte einen Nachprüfungsantrag gegen eine Ausschreibung des Kreises eingereicht. Den begründete sie damit, dass dabei gebrauchte Software ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Als Bieter waren ausschließlich Microsofts Volumenlizenzpartner zugelassen wurden. Davon gibt es in Deutschland lediglich ein gutes Dutzend. Diese Einschränkungen wurden mit einer “unklaren Rechtslage” sowie dem “Risiko von Strafzahlungsforderungen durch Microsoft” begründet.

Allerdings treffen diese Gründe aus Sicht der Vergabekammer nicht zu: “Eine ‘gebrauchte’ Software mit einer ‘gebrauchten’ Lizenz ist von der Neufassung nicht zu unterscheiden”, heißt es in der Begründung ihres Beschlusses. Die angeführten rechtlichen Bedenken des Kreises Steinfurt hält die Kammer für “sachlich nicht nachvollziehbar”. Sie verweist in dem Zusammenhang auf die Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2012 (PDF) und sowie Bundesgerichtshofs von 2014.

Durch sie wurde der Handel mit gebrauchter Software endgültig legalisiert, unabhängig davon übrigens, ob die Programme auf einem physischen Datenträger oder per Download übertragen werden. Laut BGH ist zudem auch die Aufspaltung von Volumenlizenzen für den Weiterverkauf rechtlich sauber möglich. Unbestritten bliebt bei all dem natürlich, dass sich die Software nicht “vermehren” darf: Wer zusätzliche Lizenzen erstellt oder Kopien in Verkehr bringt, für die keine Lizenz vorliegt, macht sich immer noch strafbar.

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Michael Helms, Vorstand von Soft & Cloud: “Dieser Fall ist nur die Spitze des Eisbergs” (Bild: Soft & Cloud AG).

Michael Helms, Vorstand von Soft&Cloud, bescheinigt dem Beschluss der Vergabekammer Westfalen “Signalwirkung”. Er schiebe “der weit verbreiteten Diskriminierung von gebrauchter Software bei öffentlichen Ausschreibungen endgültig einen Riegel vor”. Es sei nämlich nach wie vor die Regel, dass Lizenzen aus zweiter Hand bei öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Der europaweit agierende Händler, führt das auf die mangelnde Kenntnis der Rechtslage bei Verantwortlichen und die immer noch aufrechterhaltene Drohkulisse der Softwarehersteller zurück, die teilweise mit falschen Behauptungen für Verunsicherung sorgten. Der Beschluss der Vergabekammer sie schaffe nun weitere Klarheit.

Auch Marc Opitz, Experte für Vergaberecht bei der Kanzlei Kapellmann Rechtsanwälte und Rechtsbeistand der Soft & Cloud AG erklärt: “Die Entscheidung ist in dieser Form einmalig in Deutschland und hat Präzedenzcharakter.” Die neue Ausschreibung werde man “genau prüfen”. Gegebenfalls wolle man dann zur Not auch “nochmals rechtliche Schritte einleiten”.

Helms ergänzt: “Der Umgang mit Steuergeldern, wie er hier praktiziert werden sollte, ist höchst fragwürdig.” Die vom Kreis Steinfurt ausgeschriebenen Office-2016-Lizenzen könnten ihm zufolge “ohne Abstriche bei der Produktqualität gebraucht bis zu 50 Prozent günstiger erworben werden.” Nach Einschätzung von Helms hätte der Auftrag in seiner ursprünglich vorgesehenen Form etwa ein Volumen von rund 400.000 Euro gehabt. “Das bedeutet, dass der Kreis ohne Not über 200.000 Euro mehr ausgeben wollte als eigentlich nötig gewesen wäre. Jetzt wird er zum Sparen gezwungen.”

Anderswo teilen öffentliche Auftraggeber die Bedenken der Verantwortlichen im Kreis Steinfurt übrigens nicht. So hat sich zum Beispiel schon 2013 die Polizei Thüringen für Gebrauchtsoftware entschieden und ein Jahr später dann auch die Stadt Nürnberg. Außerdem ist zum Beispiel vom Bundessozialgericht in Kassel, den Städten München und Fürth, sowie den Stadtwerken Cottbus bekannt, das sie Gebrauchtsoftware erworben haben. In Nordrhein-Westfalen sind die Stadt Witten sowie der Kreis Viersen Nutzer von Second-Hand-Lizenzen.

[mit Material von Peter Marwan, silicon.de]

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