Weiterverkauf von Software ist auch ohne Originalverpackung legal
Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Softwarehersteller gegen den Anbieter einer Steuerberatungssoftware ohne “Box” zurückgewiesen. Angeboten wurden dort lediglich der Datenträger und das Seriennummerzertifikat in einer vom Verkäufer neu gewählten Verpackung. Der Software-Hersteller vertrat die Ansicht, dass dieses Verhalten eine Markenrechtsverletzung darstelle. Gegen den Weiterverkauf der Produkte aufgrund des im Markenrecht geltenden Erschöpfungsgrundsatzes (§ 24 MarkenG) hatte er allerdings grundsätzlich nichts einzuwenden.
Der Hersteller argumentierte, dass er sich aufgrund der Veränderung des Produkts durch Entfernen der Verpackung und bestimmter Bestandteile der “Box” dem Vertrieb aus berechtigten Gründen widersetzen könne. Schließlich sei der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert beziehungsweise verschlechtert worden.
Das sieht das Landgericht Hamburg anders. Wie die Anwaltskanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft, der das noch nicht veröffentlichte Urteil (Aktenzeichen 408 HKO 41/14) vorliegt, da sie die den Beklagten in dem Fall vertreten hat, jetzt berichtet, widerspricht das Gericht dieser Argumentation in seiner Urteilsbegründung deutlich: Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die Umverpackung der Software die Funktion erfülle, den Ruf des Produkts im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten zu erhöhen.
Laut Gericht führt die Veränderung oder Verschlechterung der Verpackung jedoch nicht in allen Fällen zum Ausschluss der Erschöpfung, sondern nur dann, wenn davon eine Gefahr für den Ruf der Marke ausgeht. Im vorliegenden Fall hätten die Veränderungen jedoch nicht das Maß erreicht, das ein Markeninhaber aus berechtigten Gründen nicht mehr tolerieren muss.
Wie Arno Lampmann im Gespräch mit der ITespresso-Schwestersite silicon.de erklärt, lässt sich das Urteil allerdings nicht verallgemeinern. “Darüber, ob vielleicht eine andere Argumentation des Klägers zu einem anderen Urteil geführt hätte, kann ich nur spekulieren.”
Dennoch sieht Lampmann mit dem Urteil so etwas wie einen Mentalitätswandel bei deutschen Gerichten einhergehen: Noch vor einigen Jahren wären die Argumente der Gebrauchsoftware-Händler in solchen Verfahren zu Markenrechtsverletzungen nicht gehört worden. Vor dem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2012 hätten Gerichte in der Veränderung der Verpackung noch mehr oder weniger automatisch einen Markenrechtsverstoß gesehen. “Ich finde es in diesem Fall jetzt erstaunlich, dass dieses alte Paradigma abgestreift wird”, so Lampmann.
Der Anwalt nennt als Beispiele den Vertrieb von Parfum oder von Medikamenten, bei denen die Verpackung eine größere Bedeutung für das Produkt und die Marke hat. Wenn hier Veränderungen an der Verpackung vorgenommen werden, stelle das einen weitaus größeren Eingriff in das Produkt dar.
Wichtig für diese Entscheidung sei auch gewesen, dass das Softwareunternehmen die bei der Beklagten gerügten Vertriebsformen – also eine abgespeckte Version in “frustfreier Verpackung” und gänzlich ohne Verpackung als Download – auch über den eigenen Vertriebskanal für Kunden zur Auswahl anbietet. Die Verpackung der Software scheint damit eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Auch die geänderte Ausstattung reiche nicht hin, das kartellrechtliche Verbot bindender Preisvorgaben zu umgehen, betont Lampmann. Wie Lampmann erklärt, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, denn der Kläger sei in Berufung gegangen. “Der Fall geht jetzt vor das Oberlandesgericht”, so Lampmann.
[mit Material von Martin Schindler, silicon.de]