Smartpen: Digital schreiben mit Analog-Feeling

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Finnland gilt als ein Land mit einem vorbildlichen Schulsystem. Hierzulande blickt man immer wieder neidisch auf dessen Erfolge in den PISA-Tests. Nun hat das finnische Bildungsministerium eine aufsehenerregende Entscheidung getroffen. Ab 2016 soll das Erlernen der Schreibschrift im Lehrplan der Grundschulen keine Priorität mehr haben, stattdessen soll der Fokus auf flüssiges Tippen auf der Tastatur gelegt werden. Klingt logisch, denn produktives Arbeiten ist heute ohne Digitaltechnik nicht mehr denkbar.

Zudem beklagen Bildungsexperten und Lehrer in den vergangenen Jahren, dass die Handschrift von Schülern immer schlechter werde. So gesehen ist der Trend zum Tippen auf Tastatur unaufhaltsam – und sei es nur die virtuelle Tastatur eines Smartphones.

Doch Fachleute sind skeptisch, ob flinke Zehn-Finger-Tipper auf Dauer tatsächlich produktiver sind als Schüler, die noch die Mühen einer leserlichen Handschrift auf sich nehmen müssen. Sie verweisen auf eine Studie der Princeton University und der University of California von 2014 mit dem Titel The pen is mightier than the Keyboard. Demnach könnten Studierende, die beispielsweise während einer Vorlesung per Hand mitschreiben, die Inhalte besser verstehen und anschließend besser wiedergeben, als solche, die auf dem Laptop mitgeschrieben, also auf einer Tastatur getippt hatten. Möglicherweise beansprucht der Umgang mit Notebook und Tastatur doch mehr Aufmerksamkeit für das Handwerkszeug als das simple Mitschreiben. Wer mit Stift und Papier mitschreibt, kann sich besser auf den Inhalt konzentrieren.

Auch bei Meetings wird es nicht so gern gesehen, wenn Teilnehmer während der Diskussion auf ihren Laptop starren und auf der Tastatur herumtippen. Wer dagegen den Kugelschreiber zückt und sich auf dem Papier Notizen macht, vermittelt den Eindruck, ernsthaft bei der Sache zu sein.

Hightech-Stift für Papier-Fans

Solche Argumente hört Gilles Bouchard, CEO des US-amerikanischen Unternehmens Livescribe, gerne. Das Unternehmen aus dem kalifornischen Oakland hat sich auf Hightech-Stifte spezialisiert, die das Schreiben auf Papier mit der digitalen Weiterverarbeitung auf Tablet-PCs kombinieren. Der Anwender schreibt und zeichnet dabei wie gewohnt in sein Notizbuch. Das handschriftlich Notierte wird aufs Tablet übertragen und kann im digitalen Arbeitsumfeld beliebig weiterverarbeitet werden.

Das blaue LED-Licht zeigt an, dass der Smartpen 3 eine Bluetooth-Verbindung zum Tablet aufgebaut hat. (Foto: Livescribe).
Das blaue LED-Licht zeigt an, dass der Smartpen 3 eine Bluetooth-Verbindung zum Tablet aufgebaut hat. (Foto: Livescribe).

Ein Hauptvorteil der Technik: Eine Kugelschreibermine gleitet deutlich angenehmer übers Papier als die Gummispitze auf dem Tablet-Display. Zumal Gummispitzen gelegentlich dazu neigen, auf dem Glas zu kleben.

Wichtigstes Produkt des Unternehmens ist derzeit der Livescribe 3 Smartpen. Im Smartpen ist neben der Kugelschreiberspitze zusätzlich eine Infrarotkamera eingebaut. Außerdem sind Speicher- und ein Bluetooth-Modul (Version 4.0), ein ARM-Prozessor und eine Lithium-Batterie im Gehäuse untergebracht. Deshalb fällt der Kugelschreiber auch etwas voluminöser aus.

Bisher funktionierte der Stift nur mit Apple-Geräten wie dem iPad. Jetzt hat Livescribe auch eine App für Android entwickelt, so dass auch Besitzer eines Android-Tablets den Livescribe-Stift verwenden können. Die neue Livescribe-App läuft am besten auf Android 4.4.2. Einen Test von Livescribe 3 mit der iOS-App finden Sie hier bei ITespresso. Seitdem dürften jedoch noch einige Funktionen in der App hinzugekommen sein.

Jetzt auch für Android erhältlich: Die Livescribe-App, mit der man den Stift mit dem Tablet nutzen kann. Bisher gab es die App nur für Apples iOS. (Screenshot: Mehmet Toprak).
Jetzt auch für Android erhältlich: Die Livescribe-App, mit der man den Stift mit dem Tablet nutzen kann. Bisher gab es die App nur für Apples iOS. (Screenshot: Mehmet Toprak).

Bei der iOS-App fügt Livescribe immer neue Features hinzu. Die gerade veröffentlichte Android-App ist in Sachen Funktionsvielfalt daher noch nicht ganz auf dem Stand von iOS, die Apple-Version ist bei der Entwicklung immer um ein oder zwei Schritte voraus. Neue Funktionen der iOS-App werden aber nach und nach auch in die Android-Version eingebaut.

So funktioniert der Smartpen

Nach dem Einschalten verbindet sich der Stift via Bluetooth mit dem Tablet. Wenn die Verbindung steht und die App Livescribe+ geöffnet ist, erscheint alles, was der Anwender auf dem Papier schreibt oder zeichnet, nahezu verzögerungsfrei auf dem Display des Tablets.

Der Anwender schreibt auf einem Notizblock, dessen Blätter am Rand mit speziellen Symbolen bedruckt sind. Tippt man auf ein Symbol, wird die darin hinterlegte Funktion in der App ausgelöst. Sind die Aufzeichnungen in der App gelandet, können sie fast beliebig weiterverarbeitet werden. Man kann sie auch durch die Handschrifterkennung in maschinenlesbaren Text verwandeln lassen. Dazu muss der Anwender nur mit dem Finger auf die entsprechende Textpassage tippen. Diese wird dann augenblicklich in Text umgewandelt, sofern die Handschrift einigermaßen leserlich ist.

Bei Bedarf kann der Nutzer die Aufzeichnungen als PDF-Datei mit Internetdiensten wie Evernote, Dropbox oder Onenote teilen. Über die Schnittstelle zu Onenote etwa lassen sich Aufzeichnungen mit den Livescribe-Pen automatisch den Onenote-Notizbüchern hinzufügen. Über Microsofts Internetdienst Onedrive gleicht der Anwender die Daten dann mit beliebigen anderen Geräten ab.

Neben der Spitze der Kugelschreibermine ist eine Infrarotkamera untergebracht, die alle Bewegungen des Stifts sowie die Eingaben auf dem speziell bedruckten Papier aufzeichnet (Foto: Livescribe).
Neben der Spitze der Kugelschreibermine ist eine Infrarotkamera untergebracht, die alle Bewegungen des Stifts sowie die Eingaben auf dem speziell bedruckten Papier aufzeichnet (Foto: Livescribe).

Auch Audioaufnahmen sind möglich. Dazu tippt man mit dem Stift auf das entsprechende Symbol auf dem Papier, dann zeichnet das Mikrofon im Tablet Stimmen und Geräusche auf. Für Eingaben auf dem Display bietet der Smartpen natürlich auch die gewohnte Stylus-Spitze aus Gummi.

Notizen im Smartpen speichern

Der Stift ist sogar dann von Nutzen, wenn das Tablet ausgeschaltet ist. Dann zeichnet die integrierte Kamera die Bewegungen auf dem Papier auf und speichert diese im Flash-Speicher des Stifts. Der fasst laut Hersteller bis zu 20.000 Seiten. So kann man das Tablet auch mal zu Hause lassen. Wird der Stift später mit dem Tablet verbunden, werden die gespeicherten Notizen in die Livescribe-App übertragen. Der Stift arbeitet mit einer Standard-Kugelschreibermine. Daneben sind auch Minen mit Gel einsetzbar.

Wer nutzt Livescribe?

Laut Livescribe-CEO Gilles Bouchard, den ITespresso in München zu einem Gespräch traf, geht es gar nicht darum, alles zu digitalisieren. Ziel ist vielmehr, handschriftliche Notizen mit den digitalen Arbeitswerkzeugen zu verknüpfen. Papier, Stift und Tablet sollen “beste Freunde” werden. Eine Hauptzielgruppe von Livescribe liegt laut Bouchard im Bereich Bildung. Weltweit werden bis zu 30 Prozent an Studenten oder Dozenten verkauft. Der große Rest sind Geschäftsleute und Manager.

Im edlen Ledermäppchen verbreitet der Smartpen 3 noch mehr Analog-Feeling (Foto: Livescribe).
Im edlen Ledermäppchen verbreitet der Smartpen 3 noch mehr Analog-Feeling (Foto: Livescribe).

Ein Nachteil des Livescribe-Konzepts ist, dass man auf das speziell bedruckte Papier angewiesen ist. Außerdem ist der Stift für kleine Hände eher klobig. Das Unternehmen arbeitet deshalb an neuen Versionen mit einem etwas kompakteren und leichteren Stift.

Livescribe ist allerdings kein sehr großes Unternehmen, deshalb ist kaum damit zu rechnen, dass alle paar Monate ein neuer Stift auf den Markt kommt. Vermutlich werden die Ressourcen der 40 bis 50 Mitarbeiter im technischen Bereich hauptsächlich auf die Weiterentwicklung und Pflege der Livescribe-Software konzentriert.

Der Livescribe 3 Smartpen kostet 150 Euro. Im Preis sind ein Notizblock mit 50 Blatt, ein Micro-USB-Ladekabel enthalten. Für 200 Euro gibt es den Stift zusätzlich mit Lederhülle, einer Ersatzmine, einem Block mit 100 Blatt und einem Jahresabo für Evernote Premium.

Um den Analog-Charme des Smartpens zu erhöhen, kooperiert Livescribe mit Moleskine. Dessen schwarze Notizbücher mit dem schönen Papier genießen inzwischen fast schon Kultstatus und sind in jeder besseren Schreibwarenabteilung der Kaufhäuser zu finden.

Fast schon Kult: Die Moleskine-Notizbücher sind jetzt auch in einer Edition für den Smartpen von Livescribe erhältlich (Foto: LIvescribe).
Fast schon Kult: Die Moleskine-Notizbücher sind jetzt auch in einer Edition für den Smartpen von Livescribe erhältlich (Foto: LIvescribe).

Alternativen zum Smartpen

Dass der Stift als Schreibgerät noch lange nicht tot ist, sieht man auch an Produkten wie dem Galaxy Note 2014 Edition von Samsung. Das 10,1 Zoll große Tablet ist mit einem speziellen Stift ausgestattet, dem S Pen. Damit können Nutzer nicht nur auf dem Display schreiben oder zeichnen, sondern auch weitere Funktionen verwenden. Zum Beispiel eine Notiz schreiben und die darin enthaltene Adresse gleich als Kontakt abspeichern. Oder verschiedene Inhalte markieren, die dann alle in einem “Scrapbook” (Sammelalbum) landen.

 Samsungs Tablet Galaxy Note 2014 Edition wird standardmäßig mit dem S Pen ausgeliefert. Damit kann der Nutzer nicht nur auf dem Display schreiben oder zeichnen, sondern weitere Funktionen aufrufen. (Foto: Samsung).
Samsungs Tablet Galaxy Note 2014 Edition wird standardmäßig mit dem S Pen ausgeliefert. Damit kann der Nutzer nicht nur auf dem Display schreiben oder zeichnen, sondern weitere Funktionen aufrufen. (Foto: Samsung).

Viele Anwender schaffen sich für ihren Tablet-PC auch einen hochwertigen Eingabestift an. Solche Stifte sind beim Schreiben und Zeichnen auf dem Display auf jeden Fall eine Hilfe, weil sie in der Regel eine wesentlich genauere Eingabe ermöglichen. Einige Stifte wie Wacoms Stylus 2 sind mit einer drucksensitiven Spitze besonders für das Zeichnen auf dem iPad optimiert. Mit 2048 Druckstufen reagiert der Stylus 2 auf winzige Veränderungen beim Aufdrücken. Dementsprechend dicker oder dünner fällt der Strich der virtuellen Pinsel oder Zeichenstifte aus.

Bequemes Schreiben und Zeichnen ermöglichen soll auch Wacoms Bamboo Stylus Feel. Statt der üblichen dicken Gummispitze arbeitet das Gerät mit einer besonders feinen Spitze. Ein Sensor im Tablet registriert die Bewegungen des Stifts auf dem Display. Allerdings muss das Tablet Wacoms “Feel IT Technology” unterstützen. Auf der Liste kompatibler Geräte stehen beispielsweise einige Surface-Tablets von Microsoft, Modelle aus Fujitsus Lifebook-Serie oder auch Geräte von Dell, Toshiba und Lenovo.

Die dünne Spitze des Wacom Stylus erleichtert sehr genaues Schreiben und Zeichnen. (Foto: Wacom).
Die dünne Spitze des Wacom Stylus erleichtert sehr genaues Schreiben und Zeichnen. (Foto: Wacom).

Vielschreiber hingegen bevorzugen oftmals eine altbekannte Lösung: Ein externes Keyboard. Ein besonders leichtes und kompaktes Exemplar ist Logitechs Keys-To-Go. Die kleine Tastatur für unterwegs verbindet sich über Bluetooth mit dem Tablet. Egal, ob praktische externe Tastatur, High-end Eingabestift oder die coole Lösung aus Notizbuch und Livescribe-Smartpen, das handschriftliche Schreiben dürfte so schnell nicht aus der Mode kommen.

Praktisch, wenn man mit den Tablet längere Texte eingeben will: das Keys-To-Go Ultra-Portable Keyboard von Logitech (Foto: Logitech).
Praktisch, wenn man mit den Tablet längere Texte eingeben will: das Keys-To-Go Ultra-Portable Keyboard von Logitech (Foto: Logitech).

Tipp der Redaktion: Der Trend zu Mobilgeräten hat eine vielfältige Zubehörindustrie entstehen lassen. Von der Schutzhülle mit Standfuß über den Bluetooth-Lautsprecher bis zum Eingabestift ist die Auswahl riesig. ITespresso stellt in einer Marktübersicht cooles Zubehör für Tablets vor, das man bald nicht mehr missen möchte.

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