Studie: Warum Deutsche den Desktop-PC lieben
Die moderne Arbeitswelt beschert den Menschen eine erstaunliche Flexibilität. Arbeiten kann man heute überall: Im Büro, zu Hause oder unterwegs. Dabei nutzt man Geräte wie PC, Notebook, Tablet oder Smartphone. Mit Tablet oder Smartphone könnte man sogar in der Badewanne arbeiten, wie das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in einer Publikation zur Arbeit der Zukunft scherzhaft meint. Auch wenn die meisten Nutzer sicher nur sehr selten im Schaumbad E-Mails schreiben werden, begrüßen sie doch die enorme Flexibilität, die ihnen die IT beschert.
Studie Evolving Workforce
Andererseits haben viele Kollegen nicht unbedingt das Gefühl, dass ihre Arbeit durch IT viel leichter oder produktiver wird. Das gehört zu den Erkenntnissen der Studie Evolving Workforce, die von Dell und Intel in Auftrag gegeben und vom Marktforschungsinstitut TNS durchgeführt wurde.
Die Autoren der Studie haben fast 5000 Mitarbeiter von kleinen, mittleren und großen Unternehmen in zwölf Ländern befragt. Darunter waren auch 500 aus Deutschland. Wem der Name der Studie “Evolving Workforce” bekannt vorkommt, liegt richtig: Die TNS-Studie war auch schon 2011 durchgeführt worden (ITespresso berichtete), die jetzt vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Neuauflage und Erweiterung des Projekts in diesem Jahr.
Gegenüber der Vorgängerversion wurde der Schwerpunkt der Fragestellung verändert. Diesmal wollten die Auftraggeber der Studie beispielsweise wissen, wie sich der Einsatz von Smartphones und Tablet-PCs in den vergangenen zwei Jahren entwickelt hat, welche Rolle klassische Arbeitsumgebungen wie Büro und Desktop-PC spielen, und was die Mitarbeiter vom Home Office halten.
Schwellenländer lieben Hightech
So wirklich viel hat sich offenbar gegenüber 2011 nicht geändert. Mittlerweile haben sich jedoch Tablets, 2-in-1-Notebooks und Smartphones als Arbeitsmittel etabliert. Dabei genügt es den Mitarbeitern nicht mehr, dass Mobilgeräte überhaupt vorhanden sind, sie erwarten Geräte mit guter Leistung. Das ist international für 81 Prozent der Befragten und in Deutschland für 74 Prozent der Befragten das entscheidende Kriterium.
Die Mobiltechnik ist vor allem in den sogenannten Schwellenländern wie beispielsweise China sehr populär. Nach Angaben der Studie nutzen dort bereits 29 Prozent Tablets für den Job. Generell dürfen Länder wie China, Türkei, Russland oder Indien als besonders hightech-freundlich gelten. 86 der türkischen Unternehmen erlauben etwa, dass die Mitarbeiter ihre eigenen Mobilgeräte einsetzen, in China sind es 83 Prozent, in Russland 78 und in Indien immer noch 76 Prozent.
Er lebt: Der Desktop-PC
Trotz des Mobil-Booms hat der klassische PC noch lange nicht ausgedient. 62 Prozent der Mitarbeiter geben an, dass der Desktop-PC nach wie vor das wichtigste Arbeitsmittel ist, in Deutschland sind es 65 Prozent. Das wird höchstens denjenigen verwundern, der den Prognosen von IT-Gurus geglaubt hat, die seit Jahren regelmäßig den Tod des PCs voraussagen. Doch, wer schon einmal versucht hat, eine Excel-Tabelle auf dem Notebook zu bearbeiten oder längere Texte auf dem Tablet zu schreiben, weiß PC, Standardtastatur und großen Flachbildmonitor zu schätzen.
Dementsprechend bleibt das Büro “der primäre Ort der Arbeit”. In Deutschland verbringen drei Viertel aller Befragten “zumindest einige Zeit im Büro”. An öffentlichen Orten dagegen arbeiten im internationalen Durchschnitt 35 Prozent zwei Stunden pro Woche.
Dass es im Büro nicht ohne Störungen abgeht, beklagen insgesamt 48 Prozent. In Deutschland setzen sich sogar zehn Prozent der Kollegen einen Kopfhörer auf, um sich von der lärmenden Umgebung abzuschotten.
Produktiver im Home Office?
Logisch, dass viele Mitarbeiter dem Home Office den Vorzug geben. Etwa die Hälfte aller Mitarbeiter schätzt, dass sie im Heimbüro mindestens genauso gut arbeiten kann wie in der Firma. Nicht ganz so positiv sehen das diejenigen, die tatsächlich häufig zu Hause arbeiten. In Deutschland beispielsweise glauben nur 42 Prozent der Home-Office-Kollegen, dass es in den eigenen vier Wänden produktiver zugeht als in der Firma.
Arbeit nach Büroschluss
Die Studie bestätigt auch die viel zitierte Vermischung von Arbeits- und Privatleben. Mobilgeräte, Cloud Computing und die Breitbandleitung zum Firmennetz machen es möglich, Arbeiten auch mal zu Hause zu erledigen. Schon 64 Prozent nehmen sich zumindest gelegentlich nach Büroschluss Arbeit mit nach Hause.
Bei Führungskräften ist die Verschmelzung von Arbeit und Privatleben natürlich intensiver. 64 Prozent von ihnen nutzen privat angeschaffte Geräte auch für den Job. Mehr als die Hälfte der anderen Mitarbeiter nutzen private Geräte für den Job, allerdings tun dies 43 Prozent, ohne ihren Arbeitgeber zu informieren.
Wenig Mitsprache bei der Auswahl
Macht der Einsatz von Hightech-Produkten die Mitarbeiter wirklich produktiver? Hier fällt das Ergebnis widersprüchlich aus. Zwar geben 46 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, dass sie mit IT schneller kommunizieren und produktiver sind, doch dies ist weniger als die Hälfte. Das mag damit zusammenhängen, dass der IT-Administrator die Wünsche der Mitarbeiter bei der Auswahl der Geräte meistens nicht berücksichtigt. In Deutschland geben nur 32 Prozent an, dass ihre Meinung bei der Auswahl der Mobilgeräte zählt.
Optimistisch wiederum sind die meisten, wenn es um die Zukunft der Technik geht. Satte 92 Prozent glauben, dass Spracherkennung die Tastatur verdrängen wird. Zumindest für die nächsten zehn Jahre eine sehr optimistische Annahme. Zwar ist die Technik gerade im Büroumfeld durchaus schon ausgereift, die Akzeptanz bei den potenziellen Nutzern jedoch noch gering. Zudem vermuten annähernd 90 Prozent, dass Computer in Zukunft mit Gesten gesteuert und Tastatur und Maus überflüssig werden.
Erstaunlich viele glauben gar, dass Hightech am Ende sogar den Menschen am Arbeitsplatz ersetzen kann. 34 Prozent insgesamt und 25 Prozent der Befragten in Deutschland halten es für möglich, dass ihr Job “noch zu ihren Lebzeiten in vollem Umfang automatisiert werden wird”.
Besonderheiten in Deutschland
Interessant bei der Lektüre von “Evolving Workforce” ist vor allem, wie sich der deutsche Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich darstellt. Die Kollegen in Deutschland halten sich nach Angaben der Studie noch stärker an die traditionelle Arbeitsweise, sprich, Büro mit Schreibtisch und Desktop-PC. 66 Prozent der Befragten in Deutschland sehen den PC als wichtigstes Arbeitsgerät an. Nur 24 Prozent – im Gegensatz zu 29 Prozent weltweit – geben Laptops den Vorzug. Hauptgrund dafür ist laut TNS-Studie die höhere Rechenleistung des klassischen Desktop-Rechners.
Viele geben auch an, sie seien im Büro produktiver. Was nicht bedeutet, dass sie nicht auch gelegentlich zu Hause arbeiten. Immerhin 30 Prozent nehmen zu Hause auch dienstliche Anrufe entgegen und 38 Prozent checken ihre E-Mails. Allerdings lesen immerhin 62 Prozent der Befragten weltweit ihre E-Mails auch zu Hause. Der Einsatz von Notebooks, Tablets oder Smartphones bleibt in Deutschland stärker als in anderen Ländern auf den Privatbereich beschränkt.
Deutsche sind auch weniger als andere Nationen bereit, berufliches und privates miteinander zu vermischen. Während 49 Prozent der Befragten international keine Lust haben, ihre beruflich benutzten Mobilgeräte mit nach Hause zu nehmen, um da weiterzuarbeiten, gilt das für satte 64 Prozent in Deutschland. Und während 42 Prozent der Mitarbeiter weltweit ihre persönlichen Mobilgeräte nicht für den Job verwenden, gilt das für 57 Prozent der Deutschen.
Mobilgeräte werden heimlich genutzt
Die folgende Erkenntnis dürfte die Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen beunruhigen. Während weltweit etwa die Hälfte von ihren Arbeitgebern die Erlaubnis haben, private Tablets oder Smartphone für den Job zu nutzen, ist dies in Deutschland nur einem Drittel der Mitarbeiter gestattet.
Aber viele der Mitarbeiter scheren sich nicht um die restriktive oder ganz fehlende Firmenpolitik in Sachen BYOD (Bring your own device). 26 Prozent nutzen ihre Geräte heimlich für dienstliche Zwecke. Dazu passt auch, dass nur 18 Prozent der privaten Mobilrechner, die im Job genutzt werden, von der IT-Administration des Unternehmens gesichert werden.
Büro auf Lebenszeit
Die Zukunft der Institution Büro schätzen die Deutschen nach wie vor sehr hoch ein. 77 Prozent glauben, dass das klassische Büro im Unternehmen während ihrer Lebenszeit noch erhalten bleibt. Weltweit glauben nur 61 Prozent daran. Und 53 Prozent vermuten, dass das Büro erst in ferner Zukunft verschwinden wird.
An Untersuchungen zum Thema Hightech, Gesellschaft und Arbeitswelt ist derzeit kein Mangel. Eine weitere Studie zum Thema kommt beispielsweise vom Vodafone Institute for Society and Communications. Dabei wurden 6000 junge Erwachsene aus sechs Ländern, darunter auch aus Deutschland zum Thema Arbeitsmarkt, Bildung und Digitalisierung befragt.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass nur eine Minderheit tatsächlich der Meinung ist, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze schafft. Wenig technikbegeistert in Hinblick auf den Beruf geben sich auch die Deutschen. 33 Prozent der jungen Deutschen zwischen 18 und 30 Jahren wollen “auf keinen Fall eine Karriere in der digitalen Wirtschaft” beginnen. 70 Prozent können sich nicht vorstellen, bei einem Start-up zu arbeiten und 77 Prozent wollen kein Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft gründen.
Die Cisco-Studie zur Arbeitswelt
Parallel zur Studie von Intel und Dell hat auch der Netzwerkspezialist Cisco eine Studie in Auftrag gegeben. Der 2014 Cisco Connected World Technology Report kommt zu recht ähnlichen Ergebnissen wie TNS. Auch hier geht es um die Unabhängigkeit von Ort und Zeit bei der Arbeit und die Schwierigkeiten vieler Mitarbeiter, wenn deutsche Arbeitgeber restriktiv mit dem Thema BYOD umgehen.
Laut Cisco erlaubt nur jedes zehnte Unternehmen in Deutschland allen Mitarbeitern mit Smartphones den Zugang zum Netzwerk. Und jedes dritte verbietet grundsätzlich den geräteunabhängigen Zugriff aufs Firmennetzwerk. Unabhängig davon, kommt auch die Cisco-Studie zu dem Schluss, dass flexible Arbeitszeiten und die Unabhängigkeit von Büro und Desktop-PC die Zukunft bestimmen werden. Nicht ausgeschlossen also, dass irgendwann tatsächlich immer mehr Kollegen ihre Mails zuhause in der Badewanne lesen.