Videokonferenzen: der ewige Flop?
Es gibt Technologien, die kommen einfach nicht vom Fleck. Das “Internet der Dinge” zum Beispiel. Darüber reden die Leute seit ungefähr 15 Jahren. Jedem Toaster seine eigene IP-Adresse. Richtig viel passiert ist nicht. Jetzt haben Fujitsu und Intel das Thema wieder einmal ausgegraben. Fujitsu-CTO Joseph Reger hat beispielsweise kürzlich auf der Hausmesse in München darüber gesprochen, Intel einen eigenen Geschäftsbereich dafür gegründet. Mal sehen, ob das “Internet der Dinge” jetzt langsam Fahrt aufnimmt.
Schon seit knapp 20 Jahren reden die Leute über Videokonferenzen. Die erste Demo habe ich 1995 auf der CeBIT erlebt. Doch die fehlende Bandbreite machte es der Technik anfangs schwer, sich durchzusetzen. Bandbreite – das ist im Hightechstandort Deutschland auch heute immer noch ein trauriges Thema.
Telepresence
Seit ein paar Jahren bieten Hersteller wie Cisco, Huawei, Polycom und die Deutsche Telekom neue Lösungen für Videokonferenzen in Unternehmen. Das Zauberwort heißt jetzt Telepresence. Statt eines schnöden Monitors mit Mikrofon und Webcam muss das Unternehmen an verschiedenen Standorten identische Räume schaffen, die dann mit hochauflösenden Kameras, Mikrofonen und einem riesigen Bildschirm ausgerüstet werden.
Während der Videokonferenz hat man so fast das Gefühl, als säßen alle Teilnehmer im gleichen Raum. Technisch gesehen ist das schon beeindruckend, doch die Lösungen benötigen enorm viel Bandbreite und sind natürlich sehr teuer. Also nur was für große Unternehmen. Die Technik hat also noch nicht richtig Tritt gefasst. Viele Unternehmen begnügen sich damit, ihren Mitarbeitern eine Skype-Account mit Webcam zu spendieren. Vielleicht auch das ein Grund, dass sich Hewlett-Packard aus dem Segment – in dem ihm allerdings auch das Eigentum an Kerntechnologien fehlte – wieder verabschiedet hat.
Euphorie ab 2001
Er scheint auch, dass die Euphorie, die vor einigen Jahren noch herrschte, abgeklungen ist. Das einstige Interesse für Videokonferenzen ist vor allem auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 zurückzuführen. Danach hatten plötzlich alle Flugverbot oder Angst ins Flugzeug zu steigen. Da erschien die Videokonferenz ein probates Mittel, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Diskussion um Klimawandel und CO2-Emissionen haben dem einen zusätzlichen Schub gegeben.
Trotzdem: So richtig angekommen in Unternehmen ist die Technik noch nicht. Das zeigen auch die jüngsten Zahlen des Marktforschungsunternehmens IDC, das weltweit sogar einen Rückgang des Marktes um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr feststellt. Der Umsatz mit anspruchsvollen Telepräsenz-Lösungen ist sogar um 16 Prozent zurückgegangen.
Nach Einschätzung von IDC-Manager Petr Jirovský steht die Technik aber immer noch ziemlich weit oben auf der Prioritätenliste von Unternehmen. Der Einstieg wird aber durch die hohen Kosten der Anschaffung verzögert. Hinzu kommt, dass Technik sich immer mehr in Richtung Cloud-basierter oder Software-gesteuerter Lösungen entwickelt. Da inzwischen ohenhin jedes mobile Endgerät eine Kamera besitzt, ist die Hardware schon beim Anwender vorhanden.
Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto uneinheitlicher wird die Lage. Nach einer Studie von Polycom nutzen immerhin schon 66 Prozent der deutschen Business-Entscheider die Technik. 48 Prozent nehmen mindestens einmal pro Woche an einem “Video Call” teil. Doch die bevorzugte Kommunikationsmethode bleibt nach wie vor die gute alte E-Mail, die von 85 Prozent regelmäßig genutzt wird. Woran liegt es also?
Verhaltensetikette
Ein wenig beachteter Grund für die eher zäh verlaufende Verbreitung der Technik liegt möglicherweise darin, dass es noch zu wenig Verhaltensetikette für Videokonferenzen gibt. Die Polycom-Studie zeigt beispielsweise, dass Teilnehmer sich daran stören, wenn der Gegenüber während der Videokonferenz auf seiner Tastatur herumtippt, schlampig gekleidet ist oder Kaugummi kaut.
Hinzu kommt, dass die technisch vermittelte Nähe oft darüber hinwegtäuscht, dass der Gesprächspartner eben doch nicht im Raum sitzt, sondern nur über Bild und Ton vermittelt wird. Deshalb müssen sich die Gesprächspartner noch mehr anstrengen, ihre Botschaften klar und eindeutig zu äußern. Jeden Satz zweimal anfangen und sich ständig selbst korrigieren, wie es im Alltagsgespräch nun mal vorkommt, ohne dass es jemandem überhaupt auffällt, wirkt bei der Videokonferenz störend.
Schließlich lebt die Kommunikation auch von den halbbewussten oder unbewussten Signalen, die man aussendet und die auf ihre Weise zum Verständnis beim anderen beitragen. Und das ist mehr, als man durch Bild und Ton übertragen kann.
Erschwerend kommt die meistens begrenzte Übertragungsqualität von Bild und Ton hinzu. Vor allem schlechte Tonqualität kann schnell auf die Nerven gehen.
Das alles mag trivial oder an den Haaren herbeigezogen klingen, es trägt aber dazu bei, dass viele Menschen ein Unbehagen bei Videokonferenzen haben oder diese als lästig empfinden.
Kapriziöse Technikmonster
Außerdem gehört die Videokonferenz immer noch zu den Techniken, die als aufwändig und störanfällig gelten. Die IT-Geschichte zeigt, dass sich jene Trends am schnellsten durchsetzen, bei denen Anwender das Gefühl haben, sie seien praktisch, schnell installiert und leicht beherrschbar. Gemessen daran sind Telepräsenz- oder Videokonferenz-Lösungen unberechenbare Technik-Monster.
Es wird also noch ein paar Jahre dauern, bis die Technik in Unternehmen wirklich zum Standard geworden ist. Denn im Prinzip liegen die Vorteile auf der Hand. Man muss sie nur zu nutzen wissen.