»Der Verkauf von Konzertkarten über Litfaßsäulen ist keine ferne Zukunftsmusik mehr«
ITespresso.de: Sie haben mit der Itellium Mobile Transaction Suite (IMTS) eine Lösung für mobiles Bezahlen per Smartphone entwickelt. Wie funktioniert diese?
Dr. Andreas Marra: Die IMTS ist eine technische Integrationsplattform, die es Handelsunternehmen, Applikationsanbietern und Kassenherstellern ermöglicht, schnell und einfach unterschiedliche mobile Endkundenanwendungen zu realisieren. Mobiles Bezahlen mit dem Smartphone ist dabei sicher eine der derzeit populärsten Funktionen, die wir auf Basis der IMTS realisieren. Weitere Funktionen sind etwa Mobile Couponing, Mobile Loyalty oder Location Based Services.
Sind die Bundesbürger überhaupt schon bereit für das Bezahlen per Smartphone? Die meisten wollen ja noch nicht mal mit Kreditkarte zahlen, haben Sicherheitsbedenken beim Online-Banking und sind sehr sensibel, was das Thema Datenschutz angeht. Eine schwierige Zielgruppe, oder?
Derzeit gehen nahezu wöchentlich Pilotprojekte an den Start, die unter anderem darauf zielen, die Akzeptanz der Konsumenten für mobiles Bezahlen zu messen. Wir sind Technologieanbieter und damit der IT-Partner von Zahlungsdienstleistern und Handel. Als solcher können wir nicht wirklich ermessen, ob Konsumenten bereit für mobiles Bezahlen per Smartphone sind, oder nicht. Wir lesen da die gleichen Studien, wie alle anderen auch, und sind ebenso gespannt auf die Entwicklungen.
Viel entscheidender ist allerdings, wie der Handel das Thema Mobile Commerce angeht. Denn letztendlich überzeugt man Konsumenten ja von neuen Technologien durch einen besonderen Mehrwert. Hier zeigt sich eine Kreativität, die sicher auch den einen oder anderen Skeptiker begeistern wird. Denn dem Handel geht es ja nicht nur um das Bezahlen, sondern um die Präsentation und den Verkauf von Waren zu den Zeiten und an den Orten, die der Konsument wünscht.
Erste Schritte in die Richtung gibt es bereits: Weltbild, Netto oder der ADAC gehen neue Wege und bieten mit Hilfe des QR-Codes Zusatzinformationen an. Wir sind jedoch einen Schritt weiter und reden auf Basis der QRShopping App mit Händlern über Szenarien, bei denen Konsumenten bald rund um die Uhr an Plakaten, Schaufenstern, in Katalogen oder auch an Fernsehbildschirmen Waren per QR-Code einkaufen können. Online-Händler sondieren auf dieser Basis derzeit die Möglichkeit, per Plakat- beziehungsweise Bildschirmwerbung in der Nähe des stationären Wettbewerbs Ware anzubieten. Einzelhändler planen, nach Ladenschluss Ware direkt aus dem Schaufenster heraus zum Kauf anzubieten.
Über eine Projektion wechselnder Angebote per Beamer auf die Schaufensterscheibe können ganze Sortimente angeboten werden. Aber auch der Verkauf von Konzertkarten über Litfaßsäulen ist keine ferne Zukunftsmusik mehr.
Ab wann wird man denn in deutschen Ladengeschäften erstmals mit dem Smartphone bezahlen können?
mStore pilotiert im März auf Basis unserer Lösungen mobile Commerce inklusive Bezahlfunktion. Zumindest im mStore-Trendshop der Deutschen Bank Filiale Q110 in Berlin kann also in spätestens einem Monat jeder mit dem Smartphone und der ‘PayPal QRShopping App’ bezahlen. Pilotiert werden innovative Verkaufskonzepte etwa in Form digitaler Displays.
Ich bin mir sicher, dass dies in diesem Jahr nicht der einzige Pilot in Deutschland sein wird, in dem auf Basis der IMTS konkrete Erfahrungen mit unterschiedlichen Verkaufsideen via Smartphone gesammelt werden. Auch kann ich mir vorstellen, dass bei erfolgreichem Pilotverlauf mobiles Einkaufen inklusiv Bezahlen sehr schnell flächendeckend in Deutschland möglich sein wird. Ein Maß des Erfolgs dieser Projekte wird die Kundenbindung sein, also wie sehr sich Kunden und Händler näher kommen. Wenn sie dabei noch den Kontakt mit einem Kauf abschließen, also auch per Smartphone bezahlen, wird es in der Auswertung sicher eine sehr hohe Punktzahl geben.
Wie funktioniert der Einkauf mit der PayPal QRShopping App?
Das ist denkbar einfach: Ein Konsument scannt mit der App den für den Bezahlvorgang erzeugten QR-Code ein. Dieser kann an der Kasse, auf dem Bildschirm, dem Bon oder auf einem modernen Bezahlterminal angezeigt werden. Beim Tele-Shopping wird er im Fernsehen dargestellt.
Die im QR-Code verschlüsselten Informationen über die zu bezahlende Waren werden auf dem Smartphone-Display im Klartext angezeigt, per PIN durch den Konsumenten bestätigt und über die Mobilfunkstrecke an den zentralen IMTS-Server gesendet. Dieser gleicht die Informationen mit den über separate Strecke übermittelten Daten aus dem Händlersystem ab, bestätigt dem Händler den Zahlungseingang und initiiert für den Zahlungsprovider die Zahlung in der kundenseitig gewünschte Bezahlart.
Bezahlen wird so nicht nur einfach, sondern auch sicher – nicht zuletzt, da keine personenbezogenen Daten versendet werden.
Wo liegen die Vorteile für den Händler? Und welche Kosten kommen auf ihn zu?
Schauen wir nur auf das mobile Bezahlen, dann liegt der klare Vorteil der Nutzung des QR-Codes darin, dass er marktreif und sofort einsatzbereit ist. Haben Händler eine einigermaßen zeitgemäße Infrastruktur am Point of Sale, müssen sie nicht in neue Hardware investieren. Denn die IMTS ist Software-basiert, das heißt, dass der Händler die Funktion “Mobiles Bezahlen” etwa im Rahmen von Release-Updates durch uns per Software-Update in die Kasse einspielen lassen kann. Diese muss dazu lediglich mit einem grafikfähigen Bon-Drucker ausgestattet sein oder ein Grafik-Display haben. Aber auch moderne Terminals für Kartenzahlungen, die über ein mehrzeiliges Grafik-Display verfügen, sind technisch in der Lage, einen QR-Code anzuzeigen. Teleshopping-Anbieter haben es noch leichter, denn sie können jeden Bildschirm mit VGA-Auflösung nutzen, um den QR-Code anzuzeigen. Das gilt auch für Online-Händler – sie könnten zum Beispiel LC-Displays an Bahnhöfen nutzen, um ihre Waren außerhalb des Internets anzubieten. Damit sind viele Hürden genommen, vor denen das mobile Bezahlen derzeit noch steht. Nicht umsonst prognostizieren ja Marktanalysten wie die Gartner-Group die flächendeckende Verfügbarkeit von Lösungen auf NFC-Basis erst für 2015.
Wenn wir aber über den Handel und die Vorteile für diesen sprechen, dann muss auch gesagt werden, dass dieser meiner Meinung nach kein neues Bezahlverfahren sucht. Bargeld, Kredit- und EC-Karte und die vielen weiteren bargeldlosen Bezahlverfahren im Online-Bereich decken alle Bedürfnisse des Handels ab. Dass laut einer aktuellen Umfrage des EHI Retail Institute zum Thema »Mobile in Retail« rund 75 Prozent der befragten 150 Handelsunternehmen dem Thema »Mobile Commerce« heute oder in naher Zukunft eine große strategische Bedeutung beimessen, liegt daran, dass Händler in dem Smartphone weit mehr sehen, als nur ein neues Bezahlterminal. Das Smartphone ist die Chance für den Handel, die Beziehung zum Kunden zu intensivieren: Retailer kommen mit einer App dem Konsumenten so nah wie nie zuvor. Nicht nur, dass Händler per Smartphone ihre Kunden direkt und persönlich ansprechen können; sie erhalten auch von ihnen willentlich direkte Hinweise über ihre Wünsche und Bedürfnisse. So lernen sie ihre Kunden kennen und können sie zu der Zeit und an dem Ort erreichen, an dem sie sich gerade befinden. Mit attraktiven Angeboten, die den aktuellen Standort, Tageszeit und auch persönliche Präferenzen berücksichtigen. Für solche Möglichkeiten ist der Handel bereit zu investieren. Wie viel er investieren muss, hängt von der individuellen Zielsetzung im Mobile Commerce ab.
Was ist das Ziel ihrer Partnerschaft mit Paypal?
Ziel der Partnerschaft ist es, PayPal als Bezahloption im mobilen und stationären Handel zu etablieren. PayPal setzt bei der europaweiten Einführung einer neuen Bezahlplattform auf die marktreife IMTS von Itellium. Mit der neuen Bezahlplattform adressiert PayPal den vorrangigen Bedarf von Händlern, die Vertriebskanäle E-Commerce, M-Commerce und Filiale zu verbinden. Die IMTS bietet das technische Rüstzeug, die hinter diesen Vertriebswegen liegenden verschiedenen IT-Welten nahtlos miteinander zu verbinden. Durch die Technologie sieht sich PayPal in der Lage, die erfolgreiche Bezahlmethode dem stationären Handel kurzfristig am Point of Sale und damit als erste echte Multi-Channel-fähige Alternative zu den etablierten Bezahlmethoden anzubieten. Darüber hinaus bieten wir im Rahmen der Partnerschaft Beratungs- und IT-Dienstleistungen für Händler an, die die neue Plattform von PayPal nutzen wollen.
Der Clou liegt also in dem Mehrwert-orientierten Angebot, dass wir Händlern zusammen mit PayPal anbieten. Das fängt schon bei der QRShopping App an: Anders als bei vielen Standard-Apps, bei denen der QR-Code lediglich dazu genutzt wird, um auf eine Homepage oder einen Online-Shop zu verlinken, bietet die von uns gemeinsam mit PayPal entwickelte App Händlern alle für das Bestellen und Bezahlen notwendigen Funktionen.
Durch die direkte Anbindung an die Backoffice-Systeme stellen wir sicher, dass Konsumenten Angebote auf Basis echter Bestandsdaten erhalten und Bestellungen unmittelbar im Bestellsystem auslösen können. Damit gewinnen Händler ganz neue Möglichkeiten, Aktionen zu fahren und Abschriften zu vermeiden. Denn als IT-Dienstleister mit besonderer Handelskompetenz konzipieren wir unsere Lösungen nach dem End-to-End-Prinzip.
Unsere Lösung nutzt das Smartphone nicht nur zur Warenpräsentation, sondern bietet dem Händler weitreichende Steuerungsmöglichkeiten, Waren dort zu dem Preis anzubieten, wo sie sich gut verkaufen.
Arbeiten Sie noch mit anderen Unternehmen zusammen, um ihre Bezahllösung auf möglichst breiter Front im Handel verfügbar zu machen?
Wir arbeiten direkt mit dem Handel zusammen. Unsere Dienstleistungen beschränken sich ja nicht auf die IMTS, sondern umfassen alle Services und weitreichendes Produkt- und Prozess-Know-how für Handelsunternehmen. Dazu gehören stationäre Händler ebenso wie Versandhändler, Shopbetreiber und Teleshoppinganbieter. Insofern haben wir gemeinsam mit PayPal einen guten Hebel, die IMTS als QR-Code-Technologie in der neuen Bezahlplattform von PayPal im Markt zu etablieren. Da die IMTS als Integrationstechnologie entwickelt wurde, bietet sie aber auch Händlern darüber hinaus einen Mehrwert, wenn diese ohne oder mit einer anderen Bezahlart die Beziehung zu ihren Kunden modern gestalten wollen. Insofern sehe ich gute Voraussetzungen, eine hohe Durchdringung im Handel mit unserer Basistechnologie zu erzielen. Wir werden allerdings auf Dauer nicht ausschließlich den QR-Code nutzen. Wenn NFC eine akzeptable Marktabdeckung hat, ist es für uns ein leichtes, diese Technologie über die IMTS anzubieten.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich das Bezahlen mit dem Smartphone im Alltag etabliert?
Von der technischen Seite sind es geringe Ausgangsvoraussetzungen. Eine Händler-App mit mittelschwerer Komplexität zu entwickeln und in die IT-Strukturen des Handels zu integrieren schaffen wir in circa einer Woche. Dabei kommt unseren Kunden zugute, dass wir die Prozesse kennen und wissen, wie die Vertriebskanäle des Handels IT-seitig über die IMTS zu integrieren sind. Wir arbeiten auf Augenhöhe mit den Fachabteilungen, um Handelsprozesse zum Nutzen der gesamten Organisation zu optimieren. Das verstehen wir unter End-to-End-Prozesskompetenz. Dabei greifen wir auf unser breites Erfahrungswissen im SAP-Umfeld, aber auch in den Bereichen EAI, BI, Kassen-Systeme zurück.
Da wir per Softwareupdate an den POS kommen, sind wir jetzt kurzfristig startklar. Wir stellen dem Händler seine App in die jeweiligen App Stores, so dass es insbesondere darauf ankommt, diese bekannt zu machen. Das ist Aufgabe des Händlers. Gut beraten ist er sicher, sich mit PayPal zu unterhalten. Denn hier bekommt er ja nicht nur ein sicheres Bezahlverfahren, sondern auch den Zugang zu rund 16 Millionen registrierten Nutzern, die die QRShopping App mit wenigen Klicks aufs Smartphone laden können.
Vielen Dank!