Schnelles Tippen auf der Tastatur auch ohne Zehnfingersystem möglich

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Das haben Forscher im Rahmen der ersten Studie festgestellt, mit der untersucht wurde, wie Leute tippen, die das Zehnfingersystem nie erlernt haben. Dennoch habe das System gegenüber selbsterlernten Techniken unter Umständen Vorteile.

Ein Forscherteam der Aalto-Universität in Helsinki hat das Tippverhalten von 30 Personen unterschiedlichen Alters und Könnens untersucht. Ihre daraus resultierenden Ergebnisse widerlegen dabei den verbreiteten Glauben, dass man das Zehnfingersystem lernen muss, um mit der Computertastatur schnell schreiben zu können.

“Wir waren überrascht zu sehen, dass Leute, die das Zehnfingersystem gelernt hatten, im Schnitt genauso schnell tippen konnten wie die, die nie einen solchen Kurs belegt hatten und nur ungefähr sechs Finger benutzten”, erklärt die deutsche Doktorandin Anna Feit, die sich in der Forschungsgruppe “User Interfaces” insbesondere mit der Optimierung von Eingabemethoden beschäftigt, um die vorhandenen Fähigkeiten der Nutzer besser zu unterstützen und eine schnellere und einfachere Bedienung von Computern zu ermöglichen.

Es ist laut den Wissenschaftlern die erste Studie, die erforscht, wie Leute tippen, die nie das Zehnfingersystem erlernt haben. Um die Bewegungen der Finger zu erfassen, benutzten die Forscher ein sogenanntes optisches Motion-Capture-System. Dazu werden reflektierende Marker auf den Fingern angebracht, deren genaue Position von zwölf Hochgeschwindigkeits-Infrarot-Kameras zu jedem Zeitpunkt aufgenommen wird. Ähnliche Systeme finden demnach auch in der Filmproduktion Verwendung. Zusätzlich zeigt eine Eyetracking-Brille, ob der Teilnehmer auf den Bildschirm oder die Tastatur schaut.

Motion-Capture-Hände (Bild: Aalto-Universität / Mikko Raskinen)
Hochgeschwindigkeitskameras nehmen die genaue Position der Hände und Finger beim Tippen auf. Zusätzlich zeigt eine Eyetracking-Brille, ob der Teilnehmer auf den Bildschirm oder die Tastatur schaut. (Bild: Aalto-Universität / Mikko Raskinen).

“Wenn man die Leute fragt, welche Finger sie zum Tippen benutzen, können sie nicht antworten. Es passiert unbewusst. Die Kameraaufnahmen zeigen es uns und wir können zum ersten Mal genau bestimmen, welcher Finger welche Taste drückt”, erklärt Daryl Weir aus dem Forschungsteam.

Die Daten des Motion-Capture-Systems zeigten, dass es nicht die Anzahl der Finger ist, die die Tippgeschwindigkeit bestimmt. Stattdessen konnten die Wissenschaftler andere Faktoren identifizieren. Personen, die schnell tippen konnten, hatten zum Beispiel gelernt, ihre Hände an derselben Stelle zu halten und beim Tippen nur die Finger zu bewegen, statt der ganzen Hand. Auch verwendeten sie durchweg denselben Finger für einen bestimmten Buchstaben.

Den Forschern zufolge gab es zudem deutliche Unterschiede zwischen der Nutzung der linken und der rechten Hand. Während die linke Hand sich auf einige Tasten der linken Tastaturseite fixierte und an einer Stelle blieb, bewegte sich die Rechte oft von einer Seite zur anderen und war für mehr Tasten verantwortlich.

Die Wissenschaftler glauben, dass die menschlichen Tipptechniken sich an die Tätigkeiten anpassen, die die Nutzer jeden Tag mit dem Computer ausüben: “Das 10-Finger System wurde zum Tippen von einfachem Text auf Schreibmaschinen entwickelt. Es ist nicht mehr vorteilhaft, wenn man Tastenkombinationen in Photoshop eingibt oder die Tastatur zur Steuerung von Computerspielen nutzt und dabei oft eine Hand auf der Maus hat”, erklärt Feit.

Die Studie fand überdies heraus, dass es viele verschiedene solcher Tipptechniken gibt. Indem die Forscher nach Gemeinsamkeiten suchten, welche Finger die Teilnehmer für welche Taste benutzten, konnten sie vier verschiedene Techniken für die linke Hand und sechs für die Rechte identifizieren. Manche benutzten nur einen oder zwei Finger pro Hand, andere verwendeten Techniken, die dem Zehnfingersystem ähnelten. Manche Teilnehmer unterschieden sich darüber hinaus dadurch von den anderen, dass sie zum Beispiel immer die Feststell- statt der Umschalttaste nutzten oder aber mit beiden Daumen gleichzeitig die Leertaste drückten.

Besonders interessant war für die Wissenschaftler jedoch die Tatsache, dass es für jede dieser Techniken Personen gab, die bemerkenswert schnell waren, und andere, die auffällig langsam tippten – und zwar alle mit der gleichen Tipptechnik.

Tippstatistik (Grafik: Aalto-Universität)
Die Grafik zeigt Beispielstrategien zweier Teilnehmer: Der eine benutzt das Zehnfingersystem (Touch typing), der andere eine selbst erlernte Strategie (Grafik: Aalto-Universität).

Nichtsdestotrotz heben die Forscher hervor, dass das Zehnfingersystem Vorteile gegenüber selbsterlernten Techniken haben kann, wenn man es richtig lernt. Zum Beispiel fanden sie heraus, dass Teilnehmer, die nie einen Kurs zum Tippen belegt hatten, ungefähr doppelt so oft auf ihre Finger und die Tastatur schauten. Das mache insbesondere das Erstellen und Bearbeiten von Dokumenten besonders schwierig.

Grundlegende Aktivitäten der Computersteuerung, also etwa der Texteingabe, zu verstehen ist den Wissenschaftlern zufolge entscheidend für das Design neuer Eingabemethoden. Die Ergebnisse der Studie, die im Mai auf der weltweit größten Konferenz für Mensch-Maschine-Interaktion – der Conference for Human Factors in Computing Systems – im kalifornischen San Jose präsentiert werden, könnten außerdem auch zur Entwicklung neuer Trainingsmethoden und besserer Eingabeunterstützung genutzt werden.

Die Nutzer bei ihrer Eingabe unterstützen wollen auch kommerzielle Lösungen wie die von Nuance im April 2013 für Android auf den Markt gebrachte lernfähige Swype-Tastatur. Bei Swype gleiten Anwender mit dem Finger über die Buchstaben und können Buchstaben, Zahlen und Symbole durch Tippen, Sprache oder Handschrift eingeben. In den Jahren zuvor hatte Nuance bereits die Präferenzen bei der Texteingabe und das Nutzungsverhalten der Swype-Anwender untersucht. Dadurch hat das Unternehmene vier sogenannte Tastaturpersönlichkeiten identifiziert. Es nennt sie Swyper, Blindtipper, Präzisionstipper und Diktierer.

Die Wichtigkeit intelligenter Eingabemethoden hat offenbar auch Microsoft erkannt und daher Anfang des Monats das britische Start-up SwiftKey gekauft. Nach eigenen Angaben offeriert SwiftKey mit seiner gleichnamigen Software-Tastatur eine auf dem Schreibstil des jeweiligen Nutzers basierende Autokorrektur, die selbst schwere Tippfehler erkennt und berichtigt. Die Funktion SwiftKey Flow erlaubt Streicheingaben, also Eingaben durch Wischen statt Tippen. Die Software unterstützt darüber hinaus mehr als 800 Emojis.

Nutzer haben zudem die Wahl zwischen 60 verschiedenen Tastatur-Themes, die im SwiftKey Store verfügbar sind. Der Dienst SwiftKey Cloud erlaubt es, Wort-Vorhersagen anhand von Online-Diensten wie Gmail, Facebook und Twitter zu personalisieren und Daten zum persönlichen Schreibstil über alle Geräte hinweg zu synchronisieren.

Die von dem Forscherteam der Aalto-Universität in Helsinki untersuchten Bewegungsstrategien auf der Tastatur werden auch in einem Video auf Youtube veranschaulicht.

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