20 Jahre Thin Client: Der heimliche IT-Star
Früher hießen sie Thin Clients und arbeiteten mit Java. Dann hörte man lange nichts mehr von ihnen. Jetzt sind sie wieder da. ITespresso über das Comeback einer Technik – die nie weg war.
Das Thema Thin Clients beschäftigt die IT-Branche seit nunmehr zwanzig Jahren. 1995 brachte Sun Microsystems die Programmiersprache Java auf den Markt und wollte damit den Arbeitsplatz revolutionieren. Der Clou von Java: Der Code wird nicht vom Prozessor abgearbeitet, sondern von einer virtuellen Maschine in einer Laufzeitumgebung. Damit ist der Software-Code völlig unabhängig von der Betriebssystem-Plattform und der Rechner braucht auch weder einen schnellen Prozessor noch eine dicke Festplatte. Manche sahen schon das Ende der “Fat Clients” nahen und damit auch das Ende von Microsofts Übermacht bei den Desktop-PCs.
Es ist anders gekommen, wie man heute weiß. Der Siegeszug von Windows und schnellen Desktop-PCs setzte sich weit bis ins nächste Jahrzehnt fort. Dann wurden die Notebooks billiger, so dass jeder Mitarbeiter oder Freiberufler sich einen Mobilrechner leisten konnte. Spätestens seit Apple 2007 mit dem iPhone und ab 2010 mit dem iPad die Welt der mobilen Arbeit umwälzte, gelten Mobilgeräte als das Nonplusultra der digitalen Welt. Vom Desktop-PC redeten nur noch wenige, von Thin Clients kaum einer.
Andererseits sagen Experten auch, dass die Thin Clients nie weg waren und sich beispielsweise in der Verwaltung oder in Krankenhäusern bewährt haben, trotz des niedrigen Glam-Faktors. Denn die schlanken Rechner sind auch ohne Java eine interessante Technik. Im Zeitalter von Cloud Computing bekommen die Clients sogar einen neuen Schub. Die Anwendungen laufen auf Servern im Unternehmensnetzwerk oder in der Public Cloud und der Rechner am Arbeitsplatz dient sozusagen nur als Sichtfenster und Benutzerschnittstelle.
Dementsprechend halten die großen IT-Hersteller wie Dell, Fujitsu oder HP diese Geräteklasse in ihrem Portfolio und pflegen ihre Lösungen nicht weniger als die Server, PCs oder Notebooks. Vielfach laufen die Rechner heute unter der Bezeichnung Zero Clients oder Smart Zero Clients, die Grundidee dahinter ist immer sehr ähnlich. Bei Dell unterstützen die Rechner der Serien Wyse 7000 und 5000 bereits das neue Windows 10.
Marktführer aus Bremen
Einer der Marktführer bei Client-Technik ist hierzulande übrigens ein deutsches Unternehmen. Igel Technology aus Bremen widmet sich seit 1997 den Thin Clients in allen Spielarten und hat Standorte in 12 Ländern eingerichtet, darunter auch den USA, Australien und China.
ITespresso hat Experten aus der Industrie gebeten, die aktuelle Situation der Client-Technik zu bewerten. Nachfolgend finden Sie Statements der Top-Manager von Dell, Igel Technology und Fujitsu.
Frank Lampe, Marketing Director Igel Technology
Warum haben Thin Clients bisher noch keinen echten Durchbruch erlebt?
Frank Lampe: Thin Clients sind anders als Notebooks keine Consumer-Produkte und zudem bei kleinen Firmen selten passend, daher sind sie nicht omnipräsent. Fest steht aber: In deutschen Sparkassen stehen rund 230.000 Thin Clients und in über 60 Prozent der deutschen Krankenhäuser sind Thin und Zero Clients im Einsatz. Alle großen Versicherungen und Banken nutzen Thin Clients, ebenso wie zahlreiche Handelsunternehmen und Gemeinden.
Jährlich werden in Deutschland über 400.000 Thin Clients an Unternehmen und Institutionen verkauft. Man kann sagen, dass sich Thin Clients still und leise ihren (Arbeits)platz erobert haben.
Sind die Voraussetzungen für die Verbreitung der Technik jetzt besser?
Frank Lampe: Mit der steigenden Verbreitung von Applikationen aus der Cloud wie Office 365 oder Salesforce.com und der wachsenden Bedeutung von virtualisierten Desktops nimmt die Thin-Client-Quote in Unternehmen signifikant zu. Mittlerweile lassen sich dank performanter Thin Clients mit Quad-Core-CPUs und Technologien wie Nvidia Grid auch anspruchsvolle Aufgaben wie CAD-Anwendungen problemlos umsetzen.
Steve Lalla, Vice President und General Manager, Commercial Client Software & Solutions bei Dell
2015 markiert den 20. Geburtstag des Thin Client. Es gibt drei Gründe, warum diese Technik heute wichtiger denn je ist. Erstens: Thin Clients sind einfach zu managen. IT-Admins können eine Flotte von Endgeräten zentral verwalten und Updates, Add-ons oder Software-Images von der Managementkonsole aus verteilen. Zweitens: Thin Clients sind sehr energieeffizient. Unsere Wyse Zero Clients benötigen ungefähr 90 Prozent weniger Strom als ein Standard-PC. Drittens: Thin Clients sind sicher. Das ist der wichtigste Grund.
Die Datensicherheit stellt heute eine der größten Risiken für Unternehmen dar. Für sie ist deshalb die Möglichkeit sehr attraktiv, Anwendungen und Daten sicher vom Rechenzentrum zu virtuellen Desktops schicken zu können. Auf diese Weise sind die Mitarbeiter produktiver.
Jörg Hartmann, Vice President Global Client Computing Devices bei Fujitsu
Warum haben Thin Clients bisher noch keinen echten Durchbruch erlebt?
Jörg Hartmann: Die Stückzahlen bei Thin Clients sind zwar deutlich geringer als die der “Fat Clients” – bei vielen unserer Kunden sind sie aufgrund der geringen Kosten, niedrigen Administrationsaufwände und der hohen Sicherheit aber sehr wohl gefragt. Daher sind Thin Clients auch ein fester Bestandteil unserer Produktstrategie und in Service-Konzepte für Virtual Desktop Infrastructures (VDI) eingebunden.
Sind die Voraussetzungen für die Verbreitung der Technik jetzt besser?
Jörg Hartmann: Die Voraussetzungen für den Einsatz von Thin Clients haben sich verbessert: Dazu gehören unter anderem schnellere Netzwerktechnologien und größere Bandbreiten – auch Remote über LTE. Allerdings liegt der entscheidende Grund zum Einsatz von Thin Clients bzw. Virtual Desktop Infrastructures in der dedizierten IT-Strategie und den implementierten Einsatzszenarien.
Ein klassisches Beispiel dafür ist ein rund um die Uhr besetztes Call Center: Jeder Mitarbeiter soll seine individuelle Umgebung an jedem beliebigen Arbeitsplatz haben, ohne dass es individuelle Hardware gibt. Dies lässt sich heute nur sinnvoll über VDI mit Thin Clients abbilden. Andere, stark auf Mobilität setzende Arbeitsmodelle, werden dagegen immer einen “Fat Client” benötigen, weil eine kontinuierliche Netzwerkverbindung – etwa im Flugzeug – nicht immer zur Verfügung steht.
Auch das zunehmende Bewusstsein für Sicherheitsaspekte macht Thin Clients für immer mehr Unternehmen interessant. Denn mit ihnen lassen sich effizient Konzepte realisieren, bei denen sensible Daten nur zentral abgespeichert werden können und lediglich Bildschirminhalte auf die Endgeräte übertragen werden.