Streaming-Abmahnungen: Hausdurchsuchungen bei Gutachter und Rechtsanwalt
Beim IT-Experten Andreas R. aus Ingolstadt und einem Berliner Rechtsanwalt hat die Staatsanwaltschaft Köln im Rahmen der Aufarbeitung des Skandals um die Abmahnungen wegen angeblich urheberrechtsverletzendem Streaming von Filmen auf der Plattform Redtube Hausdurchsuchungen durchführen lassen. Wie ein Sprecher der Behörde gegenüber der “Welt” bestätigt hat, wird dem IT-Experten die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt vorgeworfen, der Anwalt soll ihn dazu angestiftet und ihm dabei geholfen haben. Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung kann laut Paragraph 156 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.
Das Gutachten von Andreas R. war Teil der im Herbst 2013 Kölner Richtern vorgelegten Unterlagen, auf deren Grundlage diese – wohl voreilig und ohne gewissenhafte Prüfung – die Herausgabe der angeblich ermittelten IP-Adressen durch die Provider anordneten. Aber bereits im Januar 2014 war mehr oder weniger klar, dass die tatsächlich oder nur angeblich zur Ermittlung der IP-Adressen verwendete Software dieser Aufgabe in kleinster Weise gewachsen war.
Das Portal Abmahnhelfer.de hatte bereits vor über einem Jahr eine solche eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters der vom Berliner Anwalt Daniel Sebastian mit der Feststellung der IP-Adresse beauftragten Firma itGuards veröffentlicht (PDF). Darin bestätigt Andreas R., dass die IP-Adressen mehrerer tausend Telekom-Kunden mit einer Software namens “GLADII 1.1.3.” beweissicher dokumentiert wurden. Von den Adressen wurde angeblich auf urheberrechtlich geschützte Filme auf dem auf Pornos spezialisierten Streaming-Portal Redtube zugegriffen.
Ermittlungen gegen den Gutachter – beziehungsweise damals zunächst gegen Unbekannt – waren bereits im Dezember 2013 aufgenommen worden. Bereits damals fand es der Berliner Rechtsanwalt Johannes von Rüden, der zahlreiche Abgemahnte vertritt, “merkwürdig”, dass die Kanzlei Diehl & Partner nur einen Tag nach der Gründung der itGuards Inc. ein Gutachten über die richtige Funktionsweise der Software erstellt haben will. In diesem Gutachten der Patentanwalts-Kanzlei war wiederum ausdrücklich von Downloads die Rede – nicht von Streaming. Aber auch das ist nur eine der vielen Ungereimtheiten in der gesamten Affäre.
Andere an der Abmahnwelle Beteiligte hat es übrigens schon früher getroffen. Der Regensburger Anwalt Thomas Urmann, der die Briefe verschickt hatte, verlor – allerdings wegen einer anderen Sache – inzwischen in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg seine Anwaltszulassung. Bereits im Dezember 2013 waren Dokumente veröffentlicht worden die nahelegen, dass Urmann mit Klienten rechtswidrige Vereinbarungen getroffen hatte. Denselben Vorwurf hatte ein wenige Tage zuvor vorgelegtes Gutachten erhoben.
Ebenfalls als Antwort auf die inzwischen von Juristen – etwa dem Amtsgericht Potsdam – als haltlos bezeichneten Abmahnungen hatten Berliner Anwälte auch Urmanns Auftraggeber Daniel Sebastian verklagt. Sie warfen ihm Verstoß gegen das Datenschutzgesetz sowie banden- und gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen.
Gegen die – offenbar auch nur angeblich – im Besitz der Rechte an den abgemahnten Filmen befindliche The Archive AG aus der Schweiz sind Anwälte der Abgemahnten ebenfalls vorgegangen. Bereits im April hatte das Amtsgericht Potsdam die Ansprüche der Firma zurückgewiesen, jetzt liegen eigenen Aussagen zufolge dem Juristenteam von Abmahnhelfer.de die ersten vollstreckbaren Titel gegenüber der schweizerischen Firma vor. In Kürze soll daher mit ersten Zwangsvollstreckungen in der Schweiz begonnen werden.