Praxistest: Digitalstifte mit Handschrifterkennung
Gäbe es in der IT-Welt so etwas eine “Rote Liste” für bedrohte Arten, stünden Digitalstifte ganz oben, sieht man sie sozusagen doch nur noch sehr selten in freier Wildbahn. Die Stifte gehören zweifellos zu den Exoten bei den Computerprodukten. Das liegt auch daran, dass viele gar nicht so genau wissen, was man damit eigentlich anfangen kann.
Eigentlich sind Digitalstifte aber eine recht praktische Sache – privat und im Office-Bereich. Trotz der unterschiedlichen technischen Ansätze besitzen doch alle eine gemeinsame Funktion: Sie digitalisieren Zeichnungen, Skizzen und handschriftliche Notizen. Wie das in der Praxis funktioniert, hat ITespresso am Beispiel der Stifte von Staedtler und Aiptek getestet.
Der Digitalstift von Staedtler im Praxistest
Der Digitalstift von Staedtler sieht auf den ersten Blick gar nicht wie ein besonders hochwertiges Hightech-Produkt aus. Der Stift ist sehr leicht, mit seiner matten Kunststoffoberfläche und dem Aufdruck des Firmenlogos könnte er auch ein Werbegeschenk sein. Doch gemeinsam mit dem Empfangsgerät und der mitgelieferten Software entfaltet der Staedtler Digitalstift beträchtliche Fähigkeiten: Der Anwender kann mit dem Stift Zeichnungen, Skizzen und handschriftlichen Notizen auf den PC übertragen, mit der Software Notizdateien sortieren und mit der Handschrifterkennung in Text umwandeln lassen.
Schreibt auf normalem Papier
Zum Schreiben und Zeichnen wird das Gerät mit kleinen Kugelschreiberminen (D-Format) befüllt. Will man ihn als Eingabestift für Tablets nutzen, kann man auch eine Stylus-Mine einsetzen. Das niedrige Gewicht der Stifts ist natürlich auch ein Vorteil, so kann man längere Zeit ermüdungsfrei arbeiten.
Der Empfänger lässt sich mit einem Clip an der Oberseite des Blatts befestigen. Die Bewegungen und jeweiligen Positionen des Stifts werden via Ultraschall und Infrarot registriert. Dabei kann man ganz normales Papier nehmen, es ist also nicht erforderlich, speziell bedrucktes und damit teures Papier anzuschaffen.
Monitor zeigt Stiftbewegungen in Echtzeit
Zum ersten Ausprobieren empfiehlt es sich, den Staedtler im so genannten Online-Modus zu verwenden. Hierbei wird der Empfänger über USB direkt an den PC oder das Notebook angeschlossen. Insgesamt speichert der Empfänger bis zu 100 Seiten, das reicht auch für sehr ausdauernde Schreiber.
Beim Schreiben öffnet sich ein Fenster, das als virtuelles Blatt Papier fungiert. Darin erscheinen nahezu in Echtzeit alle Schreib- und Zeichenbewegungen des Stifts auf dem Blatt. Man kann dem Stift also beim Zeichnen und Schreiben zusehen.
Durch kurzen Druck auf die kleine runde Taste am Empfänger schaltet man zwischen Notiz- und Maus-Modus um. Im Mausmodus steuert der Anwender beispielsweise das kleine Bedienfeld neben dem virtuellen Papier auf dem Bildschirm an und kann dort Farbe und Strichstärke des Stifts verändern, Notizen löschen und kopieren und anderes mehr. Der Stift muss dazu nicht auf dem Papier aufliegen, er kann auch in drei oder Zentimeter über dem Blatt schweben, so dass man bei den Mausbewegungen mit dem Kugelschreiber nicht die Notizen oder Zeichnungen auf dem Papier verunziert.
Die Software erlaubt auch, alle Notizen zu verwalten, zu sortieren oder als Bild-Datei per Mail zu verschicken. Will man die handschriftlichen Notizen in Text umwandeln, lässt sich die Handschrifterkennung mit einem Klick starten.
Kleine Pannen bei der Bedienung
Die Bedienung des Systems funktioniert im Test insgesamt ohne Probleme. Wenngleich es an einigen Stellen gelegentlich hakt. Das gilt vor allem für das Zusammenspiel zwischen dem Empfangsgerät und dem PC beim Hochladen der Notizen. Das funktioniert im Test erst mal nicht so wie im Handbuch angegeben, dass man zuerst den Notetake Manager startet und dann über “Datei hochladen” die Notizen vom Empfangsgerät holt. Der Menüpunkt “Hochladen” tauchte beim ersten Start des Programms gar nicht auf. Erst nach einem neuerlichen Start kann man sich die Notizen vom Empfangsgerät holen.
Texterkennung My Script Studio
Es geht aber auch ohne den Notetake Manager. Die Texterkennungssoftware My Script Studio ist ebenfalls in der Lage, die Dateien vom Empfangsgerät hochzuladen. Das Programm stammt vom französischen Softwarehersteller Vision Objects. Die Bedienoberfläche ist aber in Deutsch.
Schließt man den Empfänger über USB an den PC an, startet bei geöffnetem Programm automatisch das Modul “My Script Ink Retriever”. Über den etwas seltsam beschrifteten Schaltknopf “Tinte herunterladen” holt man sich die handschriftlichen Notizen in das Programm.
Dann regelt man die Einstellungen beim Konvertieren in Text. Hier stellt man ein, ob der Text in Großbuchstaben, in Druckschrift oder in Freihandschrift verfasst wurde. Die in Text umgewandelten Notizen lassen sich dann direkt in Word oder Notepad öffnen, ausdrucken oder als E-Mail versenden.
Die Handschrifterkennung funktioniert im Kurztest recht gut, sofern man leserlich schreibt. Sinnvoll ist es allerdings, die Erkennungsgenauigkeit mit dem Programm My Script Trainer zu verbessern.
Uneinheitliche Optik
Auch wenn der Staedtler im Prinzip gut funktioniert: Zu bemängeln ist, dass die verschiedenen Software-Module etwas zusammengewürfelt wirken. Die Vielzahl der einzelnen Module wie Anoto Pen Director, den My Script-Programmen Studio, Ink Retriever und Trainer sowie Mobile Note Taker, die sich auch in der Optik deutlich voneinander unterscheiden, sorgt am Anfang doch für eine gewisse Verwirrung.
Fazit: Solide Leistung, fairer Preis
Nach einer Einarbeitungszeit leistet der Digitalstift im Verbund mit dem Empfänger gute Dienste. Die Handschrifterkennung funktioniert gut, solange man sich beim Schreiben Mühe gibt. Der Preis von 100 Euro ist angesichts des Funktionsumfangs und der möglichen Arbeitsersparnis gerechtfertigt.
Aiptek My Note Bluetooth
Der Inbetriebnahme des Aiptek-Digitalstift bringt eine Überraschung: Der 109 Euro teure Digitalstift ist weitestgehend baugleich mit dem von Staedtler. Die Unterschiede sind minimal. Der Stift von Aiptek ist aus mattschwarzem, der von Staedtler aus blauem Kunststoff. Beide Geräte kombinieren einen Kugelschreiber mit Elektronik. Die Geräte arbeiten übrigens auch mit dem jeweils anderen Empfänger zusammen.
Auch die bei Aiptek mitgelieferte Software Notetaker unterscheidet sich weder in der Optik noch in den Funktionen mit der Software von Staedtler. Anders liegt der Fall bei der Handschrifterkennung, doch dazu später mehr.
Spiralblock und Ledermappe
Der Hauptunterschied zum Staedtler liegt zunächst einmal in Äußerlichkeiten. My Note Bluetooth kommt in einer elegant schwarzen Ledermappe, die beim Öffnen einen DIN-A5-Spiralblock mit liniertem Papier präsentiert. Beim Staedtler wird einfach ein kleiner Empfänger aufs Papier gelegt.
Bein Aiptek liegt am oberen Rand des Blocks der Empfänger auf, dessen Elektronik in einem fein glänzenden schwarzen Gehäuse untergebracht ist. Der Empfänger lässt sich zum Umblättern der Seiten hochklappen. Durch das Hochklappen wird dem System gleichzeitig signalisiert, dass eine neue Seite mit Notizen oder Skizzen beginnt. Eine clevere Lösung.
Wie beim Staedtler sind bis zu 100 Seiten speicherbar, bevor man die Daten an den PC übertragen und im Empfänger löschen muss. Elegant gelöst ist auch das Ein- und Ausschalten. Einfach die Ledermappe aufklappen und der Empfänger ist aktiviert. Beim Zuklappen schaltet sich auch der Empfänger aus.
Ein gewisser Nachteil des Systems gegenüber der Lösung von Staedtler ist, dass der Anwender auf einen DIN-A5-Block festgelegt ist. Beim Staedtler kann man den Empfänger auch auf ein beliebiges DIN-A4-Blatt legen. Da beide Stifte nicht nur Handschrift, sondern auch Skizzen digitalisieren, ist hier der Staedtler im Vorteil. Denn DIN A4 bietet einfach mehr Raum für Zeichnungen.
In Echtzeit auf das Display
Beim Digitalisieren sind Aipteks My Note Bluetooth und der Staedtler weitgehend gleich. Auch der Aiptek digitalisiert die Bewegungen des Stifts beim Zeichnen oder Schreiben und überträgt die Daten (fast) in Echtzeit auf den PC-Monitor. Auch beim Aiptek kann man unterwegs ganz ohne Notebook oder PC aufs Papier kritzeln oder schreiben und erst später die Daten auf den Rechner übertragen. Auch der Aiptek verfügt über eine mitgelieferte Handschrifterkennung.
OCR-Software nur als Lite-Version
Hier beginnen aber die Unterschiede. Die OCR-Software bei Aiptek ist nur eine Lite-Verson des Programms My Script Notes von Vision Objects. Der Lite-Version fehlt etwas ganz Entscheidendes, nämlich ein Trainer zur Verbesserung der Erkennungsgenauigkeit. Bei einem Preis von gut 100 Euro sollte eigentlich schon eine Vollversion drin sein. Die kann man als Upgrade für 35 Euro erwerben, doch das Preis-Leistungs-Verhältnis verschlechtert sich dadurch deutlich.
Wer seine Notizen häufig in Text umwandelt, kommt aber letztlich nicht um das Upgrade herum – oder er schreibt immer extrem deutlich. Die Bedienoberfläche der Handschrifterkennung ist hingegen gelungen – schmucklos aber funktionell. Natürlich kann man auch andere Sprachen als Deutsch einstellen.
Ein gutes Feature ist die Möglichkeit, die hochgeladenen Notizen mit dem Digitalstift nachzubearbeiten, bevor sie der Konvertierung in Text übergeben werden. Beispielsweise kann man einzelne Wörter löschen oder sogar neu schreiben.
Versöhnlich stimmt auch ein anderes Feature beim Aiptek, das der Staedtler nicht bieten kann. Der Nutzer kann die Daten nicht nur per USB-Kabel, sondern auch drahtlos per Bluetooth an den PC übertragen. Außerdem arbeitet der Stift mit Smartphones zusammen. So kann man unterwegs bequem auf dem Block zeichnen oder schreiben und das Ergebnis via Bluetooth aufs Smartphone übertragen. Anschließend lässt sich das Geschriebene oder Gezeichnete als Bilddatei weiterschicken.
Unterstützt werden Smartphones mit Android (ab Version 2.1) und erfreulicherweise auch Blackberry. Die dafür nötigen Apps lädt man sich aus den jeweiligen Stores herunter. Im Test war es allerdings nicht möglich, eine Verbindung zwischen der Smartphone-App iNote für iNote aufzubauen. Verwendet wurde ein Mobistel Cynus T2 mit Android 4.04.
Fazit: Schöne Optik, gute Features und ein Manko
Der My Note Bluetooth ist vom optischen Auftritt her im Vergleich die elegantere Lösung, der Staedtler wirkt dagegen fast etwas bieder. Dafür fehlt dem Aiptek allerdings ein Trainings-Modul in der Textumwandlungs-Software. Das ist ärgerlich. Auf der anderen Seite arbeitet das Gerät auch mit Smartphones zusammen, was dem Aiptek gerade unterwegs eine nützliche Facette hinzufügt. In den Kernfunktionen sind die Geräte gleich gut.