»Bei Oracle hatte ich das Gefühl, nicht gehört zu werden«

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ITespresso.de: Warum verlassen so viele MySQL AB-Mitarbeiter Oracle?

Kaj Arnö: Ich kann nur für mich selbst sprechen und nicht für andere MySQL AB-Mitarbeiter, aber aus meiner Sicht geht es um die Schwierigkeit, die Firmenkultur von Oracle mit Open Source zu verbinden. Bei MySQL AB sind wir mit Open Source und freier Software groß geworden und wollten die Werte von Open Source auch in kommerziellen Tätigkeiten ausleben und respektieren. Dies habe ich als Vice President auch bei Oracle versucht. Dort ist man sehr fokussiert und zielstrebig und ich wollte das Beste aus den MySQL AB-Zeiten damit verbinden. Dies ist mir aber nicht gelungen, da ich das Gefühl hatte, nicht gehört zu werden – zum Teil weil ich in Deutschland wohne und nicht nahe Redwood Shores, zum Teil weil Open Source trotz eines gewissen Wohlwollens wohl etwas Fremdes für Oracle ist.

Oracle hat OpenSolaris eingestellt und die Entwickler von Java und OpenOffice.org beschweren sich über die schlechte Kommunikation des Unternehmens. Passen Oracle und Open Source einfach nicht zueinander?

So scheint es in der Tat zu sein. Es ist ja gut, nach Gewinn zu streben und fokussiert zu sein. Die Verbindung zwischen Handeln und finanziellen Ergebnissen ist mit Open Source jedoch etwas mehr indirekt, als es die Geduld und die Firmenkultur von Oracle zulassen.

Ist Oracle eine Gefahr für MySQL?

Ja, aber die Gefahr hält sich in Grenzen, aus vier Gründen. Erstens: Die riesige Menge von MySQL-Benutzern hat Ziele, die unabhängig davon sind, wer der jetzige Eigentümer des Trademarks MySQL ist. Zweitens: Die Loyalität der MySQL-Experten aus MySQL AB-Zeiten gilt den MySQL-Benutzern und nicht unbedingt in erster Linie Oracle als Besitzer des Warenzeichens MySQL. Drittens: Die GPL als Lizenz bildet ein Sicherheitsnetz, das die Benutzer vor möglicherweise böswilligen Eigentümern schützt. Und viertens: Die Firmengründer von MySQL fühlen mit Herz und Seele für das Produkt – und sind nach April 2009 zur Tat geschritten.
[Im April 2009 wurde Sun, und damit auch MySQL AB, von Oracle übernommen. Anm. d. Red.]

Beteiligen Sie sich an der Weiterentwicklung von MySQL oder überlassen Sie das Oracle?

SkySQL beteiligt sich an der Weiterentwicklung von MySQL durch die Zusammenarbeit mit Monty Program AB, den Entwicklern um Monty. Dort ist die Mehrheit der besten Entwickler aus MySQL AB-Zeiten anzutreffen.
[Michael »Monty« Widenius ist der Vater von MySQL und Mitgründer von MySQL AB, Anm. d. Red.]

Warum arbeiten Sie mit Monty zusammen und unterstützen mit SkySQL auch seinen MySQL-Fork MariaDB? Ist das ein Freundschaftsdienst?

Es ist nichts schlechtes, mit Monty befreundet zu sein, auch wenn sein großes Herz ihn manchmal zu Taten führt, die für die Außenwelt und sogar für seine Freunde schwer nachvollziehbar sind. Wir haben aber rein geschäftliche Gründe, mit Monty Program AB zusammenzuarbeiten. Dort gibt es die allerbesten MySQL-Entwickler, die als Third Level Support die Bugs beheben können, die unsere Kunden in MySQL oder MariaDB finden. Oder gar neue Features entwickeln können.

Es ist eine normale geschäftliche Beziehung, durch die SkySQL-Kunden in den Genuss von Monty Program ABs Wissen und Können kommen.

Wie wollen Sie mit ihrer doch recht kleinen Firma dem Riesen Oracle Kunden abjagen?

Mit Qualität und einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Die gut 20 ersten Angestellten von SkySQL haben weit über 100 Jahre Erfahrung aus MySQL AB-Tagen. Unsere Firma besteht aus Leuten, die MySQL AB aufgebaut haben, als Besitzer, als Manager, als Experten. Wir wissen was MySQL-Anwender von unseren Dienstleistungen erwartet, und streben danach, genau das zu liefern. Oracle hingegen wird seine MySQL-Kunden so bedienen, wie sie schon immer Oracle-Kunden bedient haben. Das ist nicht unbedingt schlechter, aber anders. Wir gehen davon aus, dass MySQL-Kunden wie MySQL-Kunden bedient werden wollen, und nicht wie Oracle-Kunden.

Ist der Markt rund um MySQL-Services groß genug für SkySQL und Oracle?

Oh ja! Oracle wird noch lange MySQL-Kunden haben, deren Entscheidungsträgern es in erster Linie um politische Sicherheit geht. Man wird ja als Oracle-Wähler in einer Firma kaum als zu dreist verpönt, dann eher als zu verschwenderisch. Die Entscheidungsträger, denen es hauptsächlich um Betriebssicherheit und technische Sicherheit geht, wählen aber die besten Experten mit dem längsten und sichersten Track Record. Unter den zahlenden MySQL-Benutzern gibt es viele, die persönliche Beziehungen zu Entwicklern, Verkäufern, Support-Ingenieuren, Schulungsleitern, Beratern und Managern aus MySQL AB-Zeiten aufgebaut haben, die ihre Zukunft eher auf diese bestehende Beziehungen aufbauen wollen. Es dauert halt seine Zeit, weil Verträge meist jährlich oder manchmal noch seltener erneuert werden, aber die zahlenden MySQL-Benutzer werden ihre Entscheidungsfreiheit ausnutzen.

Herr Arnö, vielen Dank für das Gespräch.

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