iPhone 4: Apples fragwürdige Krisen-PR
Über Apple konnte man in den letzten Tagen ziemlich viele böse Berichte lesen. Die Empfangsprobleme beim iPhone 4, die entstehen können, wenn man das Gerät »falsch« hält, haben die Kritiker und Spötter auf den Plan gerufen.
Apples eigene Reaktion darauf hat die Kritiker noch zusätzlich angestachelt. In einem Brief an die Kunden heißt es, es handle sich um ein Software-Problem, das eine falsche Anzeige der Balken für die Empfangsstärke verursache. Ein Upgrade für das iPhone OS werde das beheben. Dass die Sache nicht so einfach ist, hat danach die immer lauter werdende Kritik gezeigt.
Jetzt hat Steve Jobs höchstpersönlich eine Pressekonferenz gegeben, um alles wieder ins Lot zu bringen. Einerseits hat er seine Sache nicht schlecht gemacht. Trotzdem hat er meiner Ansicht nach das Wesentliche übersehen.
Jobs lässt nichts unversucht
Wer sich die Zeit nimmt, das komplette Video von der Pressekonferenz anzuschauen, die Steve Jobs anfangs ganz allein bestritt, ist durchaus beeindruckt. Leidenschaftlich, mit geradezu akademischer Gründlichkeit versucht Steve Jobs zu beweisen, dass es kein echtes Problem gibt.

»iPhone 4 is the best product, we have ever made at Apple«. Steve Jobs stellt sich in der Pressekonferenz vom 16. Juli auf dem Apple-Campus ganz alleine den Journalisten.
Da werden wortreich Zahlenreihen aufgeführt und Tests demonstriert. Demnach haben sich in den USA bisher nur 0,55 Prozent der iPhone-User sich über das Antennenproblem bei Apple beschwert. Und pro hundert Telefonaten wird nur eines mehr als beim iPhone 3GS wegen Empfangsproblemen unterbrochen. Zahlen und Argumente, die Steve Jobs in seinem Vortrag immer wieder wiederholt. Bis es auch der Letzte verstanden hat. Er lässt nichts unversucht, um lückenlos zu zeigen, dass das iPhone eigentlich gar keine Empfangsprobleme hat.
Ist »Antennagate« also nur bösartige Häme einzelner Medien, die Apple mal eins auswischen wollen?
Außerdem bekommt jetzt jeder iPhone-4-Besitzer bis zum 30. September eine kostenlose Gummihülle, die Empfangsprobleme weiter minimieren soll. Die Botschaft dahinter: Wir sind so großzügig, schließlich liebt Apple seine Kunden: »We love our users«. Das hat er ungefähr sechs Mal in seinem Vortrag gesagt. Und dann noch: »We love, making our users happy«. »We care about every user.« Die Hightech-Heiligen aus Cupertino.
Mit dem Finger auf andere deuten
Doch diesmal hat der Auftritt von Jobs nicht ganz verfangen. Es bleibt ein Gefühl der Enttäuschung. Dass der Apple-Guru in seiner Präsentation Mitbewerber wie HTC, Samsung oder Research in Motion direkt angreift und die angeblichen Empfangsprobleme ihrer Smartphones genüsslich vorführt, ist wenig souverän. Mit dem Finger auf andere zu deuten, wenn man selbst Probleme hat, das ist kein guter Stil.

Das Betriebssystem-Update auf IOS 4.01 soll die fehlerhafte Anzeige der Empfangsstärke korrigieren.
Auch die gebetsmühlenhaft wiederholten Behauptungen, beim Antennenproblem handle es sich um ein allgemeines technisches Problem aller Mobilfunkhersteller, und Smartphones seien eben nicht perfekt (»Phones aren´t perfect«), wirken merkwürdig. Schließlich tut Apple in der Präsentation neuer Produkte immer so, als seien gerade die eigenen Produkte über alle Maßen großartig und makellos. Da passt was nicht zusammen.
Apple wird am eigenen Anspruch gemessen
Das ist wohl auch das Kernproblem: Schon immer galt Apple als ein Unternehmen, das alles anders macht als Microsoft, Adobe, Dell und Co (»Think different«). Seit dem Erfolg von iPod und iPhone gilt Apple als das Unternehmen, das nicht nur alles anders, sondern auch alles besser macht. Die Produkte der anderen Hersteller werden von den Fans als IT-Dutzendware belächelt. Apple selbst hat diesen Mythos immer wieder nach Kräften befördert. Genau an diesem Anspruch wird Apple eben aber auch im Ernstfall gemessen. Steve Jobs eifrige Krisenbewältigungs-Rhetorik passt nicht zum Image des Herstellers, der besser ist als alle anderen. Seine Argumente klingen wie durchschnittliche Krisen-PR eines durchschnittlichen Herstellers.
Abstreiten, schönreden, abwarten
Und die Apple-Taktik folgt bisher auch dem altbekannten Muster. Zuerst abstreiten, dass es ein Problem gibt – und abwarten. Dann dieses Problem teilweise zugeben, schön reden – und wieder abwarten. Schließlich das Problem ganz zugeben, ein bisschen Reue zeigen und eine großspurige Lösung präsentieren. Dieser Taktik folgen Politiker und Unternehmen immer dann, wenn Skandale oder Probleme auftauchen.
Apple hätte es besser machen müssen. Sofort alle vorhandenen Probleme einräumen, auf Eigenlob und Schönrednerei verzichten und die Kunden entschädigen. Zum Beispiel mit einem Gutschein für den App-Store und der kostenlosen Hülle für das Gerät. Diese Chance hat Apple verpasst und damit dem eigenen Image geschadet.
(Mehmet Toprak)