»Messen, messen, messen«

CloudGreen-ITIAASInnovation

Host Europe ist mit über 175 000 Unternehmens- und Privatkunden drittgrößter Anbieter von Internet- und Hosting-Dienstleistungen im deutschsprachigen Markt.

Patrick Pulvermüller ist einer der beiden Geschäftsführer von Host Europe GmbH und zuständig für den gesamten operativen Betrieb. Pulvermüller war federführend bei Konzeption, Planung und Realisierung des »grünen« Rechenzentrums von Host Europe in Köln. Zudem leitet er den Arbeitskreis »Datacenter« im eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V.. Das Interview mit der eWEEK-Redaktion wurde per E-Mail geführt.

eWEEK europe: Host Europe wurde gerade von der Deutsche Energie-Agentur (DENA) mit dem Label »Good Practice Energieeffizienz« ausgezeichnet. Welche Maßnahmen haben am meisten zur Energieeffizienz beigetragen?
Pulvermüller: Für jedes Kilowatt Strom, das von den Servern aufgenommen wird, werden in einem Rechenzentrum noch einmal bis zu 1,0 kW für die Klimatisierung aufgewendet. Entsprechend liegt das größte Einsparpotenzial in der Optimierung der Klimaanlage. Abhängig von der Außentemperatur, konnten wir mit folgenden Maßnahmen den Energieaufwand für die Kühlung der Rechner auf 0,4 bis 0,7 kW pro Kilowatt Rechenleistung senken:

• Indirekte, freie Kühlung reduziert den Energiebedarf um bis zu 33 Prozent

• Trennung von kalten und warmen Gängen

• Einhausung der Serverracks zur Optimierung der Luftströmung

• Einbau von Blenden zum Schließen der Lücken zwischen den Servern in den einzelnen Racks

• Erhöhung der Temperatur in den kalten Gängen auf 22 – 23 Grad Celsius (Bei höheren Temperaturen würden die Lüfter mehr Strom konsumieren, als man auf der anderen Seite einsparen könnte)

• Hohe Doppelböden und eine Verkabelung oberhalb der Racks ermöglichen eine optimale Luftzirkulation

Die Einhausung der kalten und warmen Gänge sowie die Verblendung der Racks erhöht die Ansaugtemperatur bei den Klimaanlagen.

Weiterhin fokussieren wir uns auf messen, messen und nochmals messen, um Erfahrung zu sammeln und in den verschiedensten Bereichen zu optimieren. Neben Hunderten von Messpunkten verwenden wir Infrarotkameras, Simulationssoftware und Echtzeitvisualisierungs-Software.

An welcher Stelle im Unternehmen oder im Rechenzentrum kann man am meisten Energie einsparen? Und wo ist es am schwierigsten?
Am meisten Energie kann man mit einer sinnvollen Auslastung der Server einsparen. Denn damit reduziert sich automatisch auch der Aufwand für die Kühlung. Am schwersten ist eine nachträgliche Optimierung der Klimatisierung. Diese Erfahrung haben wir bei der Modernisierung eines bestehenden Rechenzentrums gemacht. Der Aufwand war enorm – und es ist offen, ob und wann sich diese Investition rechnet.

Wie ernst nehmen Unternehmen in Deutschland das Thema Green IT?
Die Firmen wollen am liebsten sofort sparen – ohne groß zu investieren. Die Bereitschaft, in das Thema Energieeffizienz zu investieren, um Erfahrung zu sammeln, ist gering ausgeprägt.

Für Hosting-Anbieter ist die Stromrechnung der größte Kostenblock – direkt nach Personal und Hardware. Entsprechend wichtig ist das Thema für unseren wirtschaftlichen Erfolg.

Welche Bedeutung hat Cloud Computing für Green IT? Sparen Unternehmen oder Rechenzentren dadurch Energie?
Eine der Basistechnologien von Cloud Computing ist Virtualisierung. Und mit Hilfe von Virtualisierung lässt sich auch die Serveranzahl reduzieren. Im Vergleich mit selbst betriebenen Applikationen können Unternehmen Lastspitzen mit Cloud Computing bewältigen, ohne dafür eigene dedizierte Server vorhalten zu müssen. Dies ist stets energieeffizienter und sollte in der Regel auch preiswerter sein.

Zudem »animiert« Cloud Computing zu effizientem Programmieren, denn jeder CPU-Zyklus muss bezahlt werden. Dadurch »erfährt« man erst einmal, was ineffizientes Programmieren kostet.

Kann man die Stromeinsparungen durch Virtualisierung beziffern oder in ungefähren Prozentzahlen einordnen?
Dedizierte Server sind bei uns im Rechenzentrum zu zehn bis 15 Prozent ausgelastet – Tendenz sinkend. Abhängig vom Einsatzszenario und der verwendeten Virtualisierungstechnik sind virtualisierte Server bei uns zu 60 bis 70 Prozent ausgelastet.

Vereinfacht kann man sagen: Erst Virtualisierung ermöglicht die günstigen Preise für gehostete Webseiten und Applikationen.

»Die Firmen wollen am liebsten sofort sparen – ohne groß zu investieren. Die Bereitschaft, in das Thema Energieeffizienz zu investieren, um Erfahrung zu sammeln, ist gering ausgeprägt.« Patrick Pulvermüller, einer der beiden Geschäftsführer von Host Europe.

Was kann ein IT-Manager tun, dessen Budget keinen Spielraum für neue stromsparende Hardware lässt? Gibt es besonders preisgünstige Möglichkeiten, Energie zu sparen?
•  Schritt eins: Virtualisieren von bestehender Hardware – dadurch spart man direkt ein. Und es gibt auch kostenfreie Virtualisierungssoftware wie zum Beispiel ESXi oder OpenVZ, XEN oder KVM.

•  Schritt zwei: Sicherstellen, dass dass Budget nicht sofort in der Höhe der Ersparnis gekürzt wird.

• Schritt drei: Verwenden des Deltas zwischen Budget und Erspartem, um weiter zu optimieren. Hierzu würde ich erst die Schränke verblenden und kalten und warme Gänge trennen, dann einhausen, dann die Temperatur anheben und dann neue Server kaufen, um weiter zu konsolidieren.

Sind die Maßnahmen für Green IT, die viele Unternehmen derzeit ergreifen und die von Hard- und Software-Herstellern derzeit propagiert ergriffen werden, eigentlich vorbildhaft für andere Branchen?
Energieeffizienz ist bei zahlreichen Produkten – denken Sie an Kühlschränke, Lampen oder Automobile – zu einem wichtigen Verkaufsargument geworden. Doch nicht immer rechnet sich eine Neuanschaffung auch automatisch für den Kunden oder die Umwelt. Leider gibt es oft keine einfachen Antworten auf die Frage, ob und wann ich mein Altgerät durch ein neues Produkt ersetzen sollte.
(mt)

Weblink
Host Europe

Lesen Sie auch :