Bundesparteien von Twitter überfordert

Allgemein

Wir alle wissen, dass die großen Parteien schon lange von modernen Internet-Kommunikationsformen abgegrenzt sind. Die neue Twitter-Untersuchung von PR-Com bestätigt dies nur. Wir glauben, das Problem liegt noch tiefer: Wer Ziffern nicht kennt, kann auch nicht rechnen – und wer das Internet nicht kennt, kann auch nicht Twitter zur Kommunikation nutzen. Mangelnde Investition in die moderne Kommunikation »versemmelt« die Chancen der Parteien, konstatiert Kommunikations-Professorin Dr. Romy Fröhlich von der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Eine zandere Studie, die Teletrust neulich erhob, findet, dass die Wahlprogramme der meisten Parteien mit IT-Sicherheit und Datenschutz nicht viel anfangen können. Und die Kleinen wie etwa die Piratenpartei seien zu sehr auf das IT-Thema eingeschränkt.

Die Kinderporno-Diskussion wiederum zeigt, dass viele Politiker zu Realitätsverlust neigen und nicht verstehen, dass die von-der-Leyen-Schleier (also Netzsperren) nur vom momentanen Blick ablenken statt auf die Wurzel des Übels aufmarksam zu machen – und Gefahren für die freie Meinungsäußerung bergen. Und die Killerspiel-Debatten legen offen, dass Informationstechnik oft nur als Sündenbock gebraucht wird, aber einfach nicht im Verständnis-Horizont Vieler auftaucht.

Und nun kommt noch die Twitter-Studie, die Althergebrachtes bestätigt – die aber immerhin zeigt, dass Twitter im Mainstream angekommen ist.  »Eine strategische Nutzung der Plattform für den Wahlkampf ist nicht erkennbar, und wer präsent ist, erreicht nur äußerst bescheidene Follower-Zahlen«, heißt es hier. Und natürlich erkannte man dabei: Die meisten Twitter-Politiker-Accounts sind Fälschungen, der Nutzen für die Bürger sei damit nahe Null. So gebe es alleine über ein Dutzend gefälschte Angela-Merkel-Accounts; kein Politiker hätte sich die Mühe gemacht einen »Verfied Account« zu sichern. In den USA hatte wenigstens Barack Obama (oder zumindest sein Wahlkampfteam) einen fälschungssicheren Twitter-Account – und einen Vorzeige-Wahlkampf geführt.

Die Politik präsentiere sich in Deutschland insgesamt »unübersichtlich, unstrukturiert und chaotisch«. Mal ein Landesverband, mal eine Fraktion, mal Kandidaten, dann wieder Sympathisanten oder Ortsverbände. Mal mit dem einen Logo präsentiert, mal mit dem andern – das sieht nach mangelnder Absprache und gar keiner strategischen Ausrichtung aus.

Weil auf den Webauftrittem nicht einmal Logos wie die Integration in Twitter vorhanden sind, rechne wohl keiner damit, dass die Besucher der Website das Parteiprogramm oder ein Statement des Spitzenkandidaten twittern oder bookmarken wollen, erklärt PR-Com-Chef Alain Blaes.

Alain schreibt: »Die Auftritte der deutschen Parteien und Spitzenpolitiker bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder Xing bieten kein grundsätzlich anderes Bild. Zwar sind hier die Nutzer- beziehungsweise Teilnehmerzahlen etwas höher als bei Twitter, sie bleiben alles in allem jedoch sehr bescheiden«. Und zieht die Konsequenz: »So entsteht eine katastrophale Signalwirkung gerade für die Politik-verdrossene junge Generation«.
Der Chef der PR-Agentur darf sich übrigens ohne Bedenken stärker über die Politiker aufregen, denn in der Straße, in der seine Agentur residiert, liegt zufälligerweise auch die psychologische Klinik, in der die Akutfälle eingeliefert werden. Also. Alain, nur zu! Die Rettung liegt nahe! (Manfred Kohlen).

L’Inqs:
PR-Com über seine Studie
Teletrust zu IT und Politik
Alle Inquirer-News zur unsäglichen Kinderporno-Diskussion

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