Widerstand zwecklos: Consumer-IT im Unternehmen

MobileNotebook

Zugegeben, perfekt strukturierte IT-Landschaften haben viele Vorteile und IT-Verantwortliche wären eher IT-Unverantwortliche, wenn sie einen unkontrollierten Wildwuchs an Hard- und Software zulassen würden. Kein Mitarbeiter hätte einen Vorteil, wenn die Verantwortlichen ohne Sinn und Verstand einen bunten Infrastruktur-Zoo entstehen ließen, denn instabile, nicht funktionierende Netze wären die Folge.

Aber wer sagt denn, dass von den Mitarbeitern begehrte Gadgets wie Appels iPhone oder ein schnuckliges Netbook im Stil eines Asus Eee PC oder Samsung NC10 gleich der Anfang vom Ende sind? Könnten sie nicht vielmehr auch der Anfang einer Motivationskampagne sein?

»Die Consumerisierung der Hardware in der Firmen-IT könnte die Mitarbeiter besser motivieren«, meint Uli Ries.

Es ist unstrittig, dass von der Firma gestellte Ausrüstung, die sich auch privat nutzen lässt, ein dickes Zufriedenheits-Plus ist. Firmenautos sind das perfekte Beispiel. Firmen-Notebooks sind ebenfalls ein perfektes Beispiel – und zwar für nur mäßig motivierende Ausrüstung. Denn kaum ein Mitarbeiter eines mittelgroßen oder großen Unternehmens darf seinen Mobil-PC privat nutzen.

Vom Aussuchen erst gar nicht zu sprechen.

Firmen-IT und Privat-IT sind getrennt
Das hat zur Folge, dass vergleichsweise funktionale aber seelenlose Hardware Tagein, Tagaus von A nach B getragen und pünktlich zum Feierabend in den Stand-by-Modus geschickt wird. Danach verbringt der natürlich auch privat Internet- und Technikaffine Mitarbeiter noch geraume Zeit vor seiner eigenen Hardware.

Kommt ihm noch etwas Berufsrelevantes in den Sinn, vergisst er es bis zum Aufwecken des drögen Firmen-Notebooks am kommenden (Mon)Tag, oder er verschiebt den Gedanken bestenfalls. Nicht viel besser steht es an der Mobiltelefon-Front: Zusätzlich zum lediglich auf den Empfang der Firmen-E-Mails abgerichteten Blackberry trägt der Mitarbeiter noch sein privates, Multimediafeature-bewehrtes Handy mit sich herum.

Apple möchte das iPhone auch für Business-Profis anbieten und bietet ein spezielles Entwickler-Kit (SDK) dafür an. (Bild: Apple)

Wie viel effizienter wäre es, wenn der gleiche Mitarbeiter nahtlos zwischen Beruflichem und Privatem hin- und her springen könnte? Nicht erst nach Feierabend, auch schon während des Tages. Die Job-E-Mails trudeln auf dem iPhone ein, das gleichzeitig die private MP3-Sammlung speichert. Auf dem Firmennotebook lagern die privaten Urlaubsfotos, die mit einer vom Mitarbeiter selbst installierten Software bearbeitet werden. Hübsch getrennt von den Firmendaten, damit es keine rechtlichen Probleme gibt. Beim Surfen im Netz sind die Übergänge fließend zwischen beruflich-notwendigen und privat angesurften Seiten.

Mehr Zeit für den Beruf
Wer angesichts solcher Szenarien noch an Dienstschluss nach Stechuhr denkt, der verkennt die Realität. Vielmehr dehnen sich die produktiv für die Firma verbrachten Minuten und Stunden unweigerlich in die bisher arbeitsfreien Ruhezeiten aus. Ob das sozialverträglich ist, steht auf einem anderen Blatt und sollte IT-Verantwortliche auch nur zweitrangig interessieren. Wichtig aus Sicht der Firma ist nur, dass unterm Strich höchstwahrscheinlich mehr Zeit für Berufliches aufgewandt wird als zuvor.

Natürlich erfordert es unbequemes Umdenken und Umgewöhnen von den IT-Abteilungen, wenn den Mitarbeitern nicht nur die quasi grenzenlose private Nutzung der Hardware erlaubt werden soll, sondern vielleicht auch der Hardware-Wunschzettel der Kollegen beim Einkauf berücksichtigt wird. Heterogene Hardwarepools sind die unausweichliche Folge, Standard-Software-Images werden zwecklos.

Dell-Laptop Studio 17. Schicker Laptop für Privatanwender könnte auch in die Unternehmens-IT einziehen. (Foto: Dell)

Aber auch diese Probleme lassen sich lösen: Den bunten Hardware-Mix supporten externe Dienstleister, die durch ihre große Mannstärke viel mehr Expertise bieten können als überschaubare, interne Teams. Oder aber, der technikbegeisterte Mitarbeiter legt selbst Hand an – und spart so Kosten. Das Software-Installationsproblem behebt – einmal mehr – die Allzweckwaffe der Virtualisierung. Ganz nebenbei lösen die IT-Experten durch Desktop-Virtualisierung auch gleich das Problem der Trennung von privatem und beruflichem Systemumfeld.

Kampf um talentierte Mitarbeiter
Alles ganz einfach also? Mit Sicherheit nicht. Es wird noch viele Modellprojekte brauchen, bis die Verwendung von individuell ausgesuchter Hardware in Unternehmen Fuß fasst. Aber warum auf andere warten, wenn man auch selbst ein solches Modellprojekt anstoßen kann? Denn gänzlich aufhalten lässt sich die Entwicklung nicht mehr. Und spätestens, wenn Personalabteilung und Management erkennen, dass privat nutzbare Hardware ein wichtiges Argument beim Kampf um talentierte Mitarbeiter ist, ist der Widerstand der IT-Abteilung zwecklos.
(Uli Ries/mt)

Uli Ries arbeitet seit 1998 als IT-Journalist und ist spezialisiert auf die Bereiche Mobilität, Netze und IT-Sicherheit. Darüber hinaus arbeitet er als unabhängiger Moderator und Referent.

Lesen Sie auch :