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Interview: München goes Linux

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Mit dem Ziel, von einzelnen Anbietern unabhängiger zu werden, setzt die
Stadt München auf Open Source, Web-Services und einen gesunden Mix
anderer Technologien. Ein Interview mit Wilhelm Hoegner, Leiter des Amts
für Information und Datenverarbeitung der Stadt München.

IT im Unternehmen: Was waren die Hauptgründe für die Stadt München, auf Linux zu setzen?
Das haben uns schon viele Leute gefragt. Der Hauptgesichtspunkt war die Eigensteuerbarkeit der Release-Politik, also sich unabhängig zu machen von Produktzyklen weniger Softwarefirmen. An weiterer wichtiger Aspekt waren natürlich die Lizenzkosten, und drittens spielt die Sicherheit eine wichtige Rolle. Wir steigen gleich von Windows NT auf Linux um, denn nach NT, das unsicher ist, kamen ebenfalls viele angreifbare Systeme vom gleichen Hersteller.

Was hat Sie dazu bewogen, gerade auf SuSE zu setzen?
Wir hatten den Auftrag vom Stadtrat, Pilotprojekte mit einem Linux Desktop durchzuführen, und da boten IBM und SuSE ihre Hilfe an. Wir haben Beispiele mit SuSe Linux Desktop aufgebaut und Schnittstellen zu anderen Anwendungen wie SAP durchprobiert. Das ging sehr gut. Aber natürlich haben wir uns noch nicht fest an SuSE gebunden, denn nach der Entscheidung und dem offiziellen Start des Projekts über die Pilotphase hinaus folgen jetzt Ausschreibungen für die vielen Teilprojekte.

Was hat Microsoft noch getan, um vielleicht doch noch zum Zuge zu kommen?
Wir verabschieden uns ja nicht ganz von Microsoft. Das ist ein völlig falscher Eindruck, der da entsteht. In den Münchner Schulen haben wir noch immer 24.000 Rechner stehen, die jetzt auf Windows 2000 umgerüstet wurden und dabei wohl auch bleiben. Wir sind noch in Kontakt mit Microsoft; in einigen Bereichen der Stadtverwaltung bietet es sich zum Beispiel an, zur Kostensenkung mit Terminals statt Windows-Desktops zu arbeiten. Diesbezüglich sind wir noch im Gespräch. Bezüglich der Desktops in den Abteilungen der Stadt hat Microsoft aber nun kein Angebot mehr gemacht und den Stadtratsbeschluss wohl akzeptiert.


Wieviele Rechner stellen Sie denn nun auf Linux um?
Insgesamt um die 14.000 Clients, 12.000 davon vernetze Desktops und ungefähr 2000 Laptops.


Wie sieht denn dabei Ihr Zeitplan aus?
Nachdem voriges Jahr das Pilotprojekt genehmigt wurde und erfolgreich lief, ist kürzlich der offizielle Startschuss für zahlreiche Ausschreibungen gelaufen. Wir wollen alle Projekte bis 2008 umgesetzt haben.

Das ist ein langer Zeitraum. Was gibt es da alles zu tun und welche Stolpersteine müssen Sie dabei überwinden?
In all unseren Referaten sind inzwischen 160 Fachapplikationen unter Windows NT entstanden, die sehr genau die Anwendungen dieser Abteilungen widerspiegeln. Diese Anwendungen haben wir seit 1995; sie wurden damals bei lokalen Softwarefirmen ausgeschrieben und wir haben jeweils das beste Angebot umsetzen lassen. Diese Applikationen müssen jetzt großteils angepasst werden, und manche dieser Firmen werden vielleicht Probleme bei der Umsetzung haben.
Und natürlich geht das nicht in allen Fällen. Im Baureferat etwa arbeitet man mit AutoCAD, und AutoDesk ist nicht erpicht darauf, seine Software sofort auf Linux zu konvertieren; auch unsere Bau-Ingenieure wollen bei der alten Lösung bleiben. Die lassen wir ihnen auch. Wir haben noch viele andere Plattformen. Was uns bisher Kopfschmerzen bereitete, waren die vielen Makros für Word und Excel, die die Abteilungen für sich selbst geschrieben haben.

Sind die Makros überlebenswichtig?
Teilweise ja. Aber Reisekostenabrechnungen oder Urlaubsanträge sind ohnehin überall gleich; wir haben da viele Redundanzen entdeckt, als wir die Abteilungen durchgegangen sind. Hier setzen wir jetzt vor allem auf web-basierte Services. Und für die restlichen Makros gibt es seit kurzem Tools von Sun für die Konvertierung auf OpenOffice.

Welche Komponenten werden Sie bei den Linux-Desktops verwenden?
Der Basis-Client läuft mit SuSE Linux Desktop, KDE 3.1 als Oberfläche, OpenOffice 1.1, den KDE-Applikationen wie Kwrite als Ersatz für das Windows-Notepad, Gimp für Grafik. Schwieriger wird die Anpassung von spezielleren Bausteinen. Ein SAP-GUI auf Java-Basis ist geplant, und weil wir an einigen Stellen noch mit der guten alten Siemens BS2000-Mainframe arbeiten, haben wir uns von der Münchner Firma Com2 eine Emulation davon auf Linux-Basis bestellt.

Die BS2000-Maschinen bleiben?
Ja, und wir haben ohnehin schon eine heterogene Landschaft. Ungewöhnlicherweise für die IT-Branche hatten wir noch nie viel auf Microsoft-Server gesetzt und haben etwa Novell oder Unix-Systeme mit Oracle-Datenbanken. Die bleiben auch.

Mit den 160 Applikationen und den vielen Teilprojekten, die noch auf anderer Basis laufen, haben Sie sicher viel zu tun. Da sehen andere öffentliche Stellen sicher genau hin. Wissen Sie von anderen Gemeinden, die Ähnliches planen?
Bei Städten sind das Treuchtlingen, Isernhagen und Schwäbisch-Hall, im Staat Bayern die Vermessungsverwaltung und der Rechnungshof. In Niedersachsen arbeitet die Polizei schon mit Linux. Und die Kollegen aus Paris, die auch umsteigen wollen, waren schon zu Besuch, um sich das anzusehen.

Wissen Sie schon von der Entscheidung Frankreichs, landesweit in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen auf Open Source zu setzen?
Nein, das ist neu, aber ich nehme an, die städtischen Kollegen aus Paris haben gewissen Einfluss auf die nationalen Entscheidungen.

Her Hoegner, wir danken für das Gespräch.

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