Grüne wollen Anbieter bei langsamem Internetanschluss zu Bußgeld verdonnern
Die Partei will einen entsprechenden Antrag im Bundestag einbringen. Sie bezieht sich etwa auf Untersuchungen der Bundesnetzagentur von 2010 und 2013. Anbieter sollen künftig eine Mindestgeschwindigkeit angeben, die 90 Prozent der beworbenen Maximalgeschwindigkeit beträgt.
In den kommenden Tagen wird die Fraktion der Grünen im Bundestag einen Antrag einbringen, mit dem die Bundesnetzagentur aufgefordert wird, Mindestanforderungen für Internetanbieter vorzugeben. Dabei bezieht sie sich auf europäische Verordnungen, die solche Regelungen vorsähen. Das wird von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf Seite 20 ihrer Freitagsausgabe berichtet.
“Die derzeitigen Verträge sind Mogelpackungen, beworben werden sie mit hohen Zahlen wie 50 Megabit in der Sekunde, daneben steht aber kleiner ‘bis zu'”, kritisierte Tabea Rößner, Sprecherin für Medien, Kreativwirtschaft und Digitale Infrastruktur der Grünen-Bundestagsfraktion, gegenüber dem Blatt. Sie war es auch, die schon früher den zögerlichen Breitbandausbau bemängelt hat und sich nun auf Erhebungen der Bundesnetzagentur aus den Jahren 2010 und 2013 bezieht. Aus diesen geht hervor, dass lediglich 70 beziehungsweise 77 Prozent der Anwender zumindest die Hälfte der beworbenen Geschwindigkeit auch erreichen. Nur 16 Prozent bekamen die in der Werbung versprochene Maximalleistung auch tatsächlich.
Die Bundestagsfraktion der Grünen offeriert seit November 2015 auf ihrer Webseite zudem ein Werkzeug zur Messung der Internetgeschwindigkeit. Im Zuge dieser nicht repräsentativen Messung haben nahezu 74.000 Haushalte überprüft, ob sie die gebuchte Bandbreite auch wirklich erhalten. “Viele Verbraucher” zeigten sich danach enttäuscht, dass dies nicht der Fall gewesen sei.
“Wenn ich für 50 Megabit in der Sekunde bezahle, will ich das auch bekommen. Wie würde wohl der Anbieter reagieren, wenn ich im Gegenzug nur bis zu 100 Prozent meiner Telefonrechnung bezahle”, zitiert die FAZ Rößner. Um Missbrauch entgegenzuwirken, sollen Anbieter nach dem Willen der Grünen-Bundestagsfraktion deshalb für “wesentliche Abweichungen” mit Bußgeldern bestraft werden und Verbraucher Anspruch auf Schadenersatz haben.
Schon vor gut einem Jahr hatte die Bundesnetzagentur den Entwurf einer Transparenzverordnung vorgelegt. Darüber hinaus läuft seit Herbst eine Messreihe, mit der Jedermann unter Beachtung einiger Aspekte anhand eines Online-Werkzeugs die Geschwindigkeit seines Internetzugangs – sei es per Festnetz, Kabel oder Mobilfunk – feststellen kann. Verbraucher sollen mit der Transparenzverordnung nach Anschlussschaltung einen rechtlichen Informationsanspruch zur jeweils aktuellen Datenübertragungsrate des Mobilfunk- respektive Festnetzanschlusses erhalten. Darüber hinaus sollen die Provider auf ein von der Bundesnetzagentur geplantes Mess-Tool hinweisen müssen.
Außerdem sieht der Entwurf für Anbieter die Verpflichtung vor, Verbrauchern die vertraglich zugesicherte minimale und maximale Datenübertragungsrate sowie die tatsächlich gemessene Übertragungsrate verständlich darzustellen. “Die Messergebnisse müssen speicherbar sein und im Online-Kundencenter hinterlegt werden können. So kann der Verbraucher ohne größeren Aufwand mehrere Messungen durchführen und etwaige Abweichungen zwischen tatsächlicher und vertraglich vereinbarter Datenübertragungsrate gegenüber seinem Anbieter kommunizieren”, erläuterte die Bundesnetzagentur ihre Pläne.
Grundsätzlich wird die Grünen-Bundestagsfraktion mit ihrem Antrag also offene Türen einrennen. Daher darf durchaus darüber spekuliert werden, ob es sich dabei nicht schlicht um ein geschicktes PR-Manöver handelt. Neu ist allerdings die Forderung nach Bußgeldern und Schadensersatz.
Falls es in in einer künftigen Verordnung überhaupt verankert wird, dürfte beides aber so geregelt werden, dass Anbieter in der Praxis nur in Sonderfällen zur Zahlung verpflichtet sind. Da es sich bei vielen Zugängen – zumindest auf einem Teil des Übertragungsweges – um ein sogenanntes Shared Medium handelt, die Übertragungsrate also letztendlich von der Anzahl der gleichzeitigen Nutzer abhängt, ist die Angaben “bis zu” ja nicht gelogen.
[mit Material von Peter Marwan, silicon.de]