WLAN-Störerhaftung steht kurz vor dem Aus

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WLAN-Hotspot (Bild: Shutterstock/Georgejmclittle)

Aus der Sicht des EuGH-Anwalts Szpunar können Betreiber öffentlicher WLAN-Netze nicht für Urheberrechtsverletzungen von Nutzern haftbar gemacht werden. Auch müssten diese den Zugang nicht zwangsläufig per Passwort absichern – so wie es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst vorgesehen hatte.

Betreiber eines kostenfreien öffentlichen WLAN-Hotspots können nicht für urheberrechtliche Verletzungen eines Anwenders zur Verantwortung gezogen werden. Das hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Maciej Szpunar, heute in seinen Schlussanträgen angemerkt. Aus seiner Sicht seien die Betreiber nämlich nur als Anbieter sogenannter Dienste der reinen Durchleitung anzusehen und könnten damit nicht haftbar gemacht werden.

WLAN-Hotspot (Bild: Shutterstock/Georgejmclittle)

In dem vom Landgericht München I an den EuGH verwiesenen Verfahrem geht es um eine Abmahnung gegen einen Veranstaltungstechniker, die er aufgrund einer durch einen Nutzer begangene Urheberrechtsverletzung erhalten hatte. Der Nutzer hatte über ein bereitgestelltes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war der Veranstaltungstechniker von einem Musikunternehmen als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Dagegen setzte er sich vor dem Landgericht München zur Wehr. Dieses leitete den Fall an den EuGH weiter, um zu erfahren, ob die in Deutschland gültige WLAN-Störerhaftung, die aktuell maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist.

Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung für den Betrieb von offenen WLAN-Netzen sah ursprünglich vor, dass die Haftung nur ausgeschlossen ist, wenn der Anschluss durch ein entsprechendes Passwort gesichert wurde. Bereits damals kritisierten zahlreiche Juristen, dass dies der Natur eines offenen WLAN-Netzes klar widerspreche und die Rechtslage in keinem Fall verbessere. Das sieht auch Generalanwalt Szpunar so. Er vertritt die Auffassung, dass die Auflegung eines Passworts, dem Erfordernis zuwiderlaufen würde, ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Recht des geistigen Eigentums, das die Inhaber von Urheberrechten genießen, und der unternehmerischen Freiheit der betroffenen Diensteanbieter. Außerdem würde diese Maßnahme durch die Beschränkung des Zugangs auf rechtmäßige Kommunikation das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einschränken.

“Anschlussinhaber, die ihren WLAN-Zugang für Dritte öffnen, sollten ohne zusätzliche Pflichten von der Haftung ausgeschlossen werden”, kommentiert Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke. “Ich hoffe, dass der EuGH sich den Schlussanträgen anschließt und damit endlich für Rechtssicherheit in dem Bereich sorgt.” Folge der EuGH wie so häufig den Empfehlungen des Generalanwalts, bedeute dies, dass jede Privatperson und Geschäftsleute, die nicht hauptberuflich Internetzugänge anbieten, diese ohne Passwortschutz öffnen dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. “Auch wenn die Entscheidung konkret nur Gewerbetreibende betrifft, ist sie in der Sache auf Privatleute übertragbar”, so Solmecke.

Deutsche Gerichte haben die Frage der Haftung von Anschlussbetreibern für Urheberrechtsverletzungen, die Dritte bei der Nutzung von offenen WLAN-Netzen begehen, bislang nicht ausreichend geklärt. Das sorgt hierzulande immer wieder für Streit und Unsicherheit. Cafés und Hotels stellen aufgrund der derzeitigen Haftungsproblematik ungern ihr WLAN-Netz zur Verfügung. Auch WG-Mitglieder müssen zum Teil fürchten, dass ihre Mitbewohner hohe Kosten verursachen, wenn sie den Anschluss für Filesharing nutzen.

WLAN (Bild: Shutterstock/wwwebmeister)

Laut dem Verein Digitale Gesellschaft steht der bisherige Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zu den Schlussanträgen des Generalanwalts. Dieser habe mit seinem Votum eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. “Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen”, erklärte Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) sieht mit der heutigen Entscheidung des Generalanwalts sogar schon das Ende der Störerhaftung gekommen – zumindest für private Betreiber von WLAN-Hotspots. „Schließt sich der EuGH dieser Auslegung an, könnte dies das faktische Aus der Störerhaftung für private Betreiber von WLAN-Hotspots bedeuten. Das ist natürlich sehr zu begrüßen“, sagt Oliver Süme, eco-Vorstand für Politik & Recht, in einer Pressemitteilung.

Bezüglich der aus Sicht des Generalanwalts ebenfalls unverhältnismäßigen Passwortpflicht für WLAN-Nutzer ergänzt Süme: „Das ist eine gelbe Karte aus Europa für die deutsche Praxis.“ Hierzulande existierten aus Angst vor Abmahnungen aktuell viel zu wenige öffentliche Hotspots, was Deutschland unweigerlich zum Verlierer im internationalen Vergleich der Mobilität degradiere. „Die Bundesregierung sollte diese klare Auslegung nutzen, um schnellstmöglich ihren innovationshemmenden Gesetzentwurf zu überarbeiten, um endlich auch für deutsche Hotspot-Betreiber die so dringend nötige Rechtssicherheit zu garantieren“, fordert Süme weiterhin.

[mit Material von Björn Greif, ZDNet.de]

Tipp der Redaktion: Angesichts der ungeklärten Rechtslage sind für Firmen, die ihren Kunden einen WLAN-Hotspot anbieten wollen, schlüsselfertige Pakete interessant. Die gibt es nicht nur von Netzbetreibern, sondern auch von einigen Hardwareanbieter. ITespresso gibt einen Überblick, wie Firmen mit Publikumsverkehr zum eigenen WLAN-Hotspot kommen.

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