Wie man Digital Natives für Unternehmen gewinnt

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Um das Thema Facebook kommt heute kein Unternehmen mehr herum. Viele Abteilungsleiter und IT-Manager sind skeptisch, ob sie den Mitarbeitern erlauben sollen, Facebook zu nutzen. Doch für viele Berufsanfänger und hochqualifizierte Bewerber, meist die sogenannten Digital Natives, gehören Social Media und Mobilgeräte mittlerweile zu einem attraktiven Arbeitsplatz einfach dazu.

Wie kommen Unternehmen aus dieser Zwickmühle? Und welche Vorteile haben Facebook und Co im Unternehmensalltag? Dazu hat ITespresso mit Robert Szilinski, Gründer und CEO der esentri AG befragt.

Das Unternehmen betreibt die Online-Plattform Social PM (PM steht dabei für Projektmanagement). Diese soll den Mitarbeitern in Unternehmen helfen, bei Projekten effizienter zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen. Daneben arbeitet Szilinski auch als Berater, Projektmanager und Social-Network-Experte.

Wie können Unternehmen, die ihre Produktivität erhöhen wollen, Social Media-Techniken nutzen?

Szilinski: Die Erhöhung von Produktivität umfasst viele Aspekte und Unternehmen sind dabei mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert. Wie kann ich die interne Zusammenarbeit meiner Mitarbeiter verbessern und vorhandenes Wissen effektiver austauschen? Wie kann ich jedes Teammitglied, das an einem Projekt mitarbeitet, von Anfang an besser einbinden, egal an welchem Standort sich derjenige befindet? Wie gelingt es, dem veränderten Anspruch der Mitarbeiter an moderne Kommunikation, Zusammenarbeit und Führung gerecht zu werden?

Die Online-Plattform Social PM nutzt Kommunikationstechniken im Social-Media-Stil, um die Zusammenarbeit von Teams zu verbessern.
Die Online-Plattform Social PM nutzt Kommunikationstechniken im Social-Media-Stil, um die Zusammenarbeit von Teams zu verbessern.

Und wer hat die Antwort?

Szilinski: Enterprise Social Networks haben gute Antworten. Die Kommunikation über soziale Netzwerke ist im Gegensatz zur E-Mail direkter und informeller – wichtige Informationen können schneller und vor allem immer im Kontext eines Themas ausgetauscht werden. Mitarbeiter können sich früher und leichter einbringen, sind abteilungsübergreifend besser untereinander vernetzt. Nicht zu vergessen, die Transparenz über Abläufe und Informationen, die steigt enorm.

Können Sie ein Beispiel geben?

Szilinski: Jemand hat Probleme bei einer Aufgabe und stellt dies als Frage in das Social Network. Ich kann als Experte darauf antworten und mit meinem Know-how helfen, obwohl man mich nicht direkt gefragt hat. Durch das aktive Teilen von Informationen und Wissen in Netzwerken lassen sich enorme Produktivitätssteigerungen erzielen – Voraussetzung dafür ist natürlich, dass möglichst viele mitmachen und die Unternehmenskultur entsprechende Freiräume zulässt.

Was genau bringt die Nutzung von Social Media für Unternehmen?

Szilinski: Der Einsatz von Social Media ist weit mehr als nur die Einführung neuer Tools oder neuer Software. Es wird ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der häufig unterschätzt wird.

Firmen, die sich bewusst für den Einsatz sozialer Netzwerke entscheiden, profitieren von mehreren Effekten. Zum Beispiel geben sie ihren Mitarbeitern eine aktive Stimme und fördern eine ganz andere, offene Kommunikationskultur, die auf Vertrauen und Eigenverantwortlichkeit aufbaut. Es wird nicht mehr nur Top-Down, sondern auch Bottom-Up diskutiert und Wissen aktiv ausgetauscht.

Was ist dabei der konkrete Vorteil?

"Mit der Nutzung von Social Networks erhält auch die Führungskraft ein sehr viel besseres Gefühl für die tatsächliche Zusammenarbeit im Unternehmen." Robert Szilinski, Gründer und CEO der esentri AG. (Foto: esentri)
“Mit der Nutzung von Social Networks erhält auch die Führungskraft ein sehr viel besseres Gefühl für die tatsächliche Zusammenarbeit im Unternehmen”, so Robert Szilinski, Gründer und CEO der esentri AG (Foto: esentri)

Szilinski: Durch das bewusste Aufbrechen von Hierarchien und dem direkten Informationsfluss können sich Mitarbeiter leichter einbringen und übernehmen bei entsprechend positivem Feedback der Führungskräfte selbst mehr Verantwortung. Ein “Like” alleine wirkt manchmal Wunder! Es entsteht eine Kultur des Wissens und Teilens und das wirkt sich unmittelbar positiv auf das gesamte Unternehmen aus.

Welche Spielregeln sollen bei der Nutzung von Social Media gelten? Vor allem im Hinblick auf die private Nutzung von Smartphones und Tablets während der Arbeitszeit?

Szilinski: Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich die Art und Weise, wann und wo Menschen arbeiten möchten, geändert hat. Mobile Endgeräte ermöglichen es auch außerhalb des Firmennetzwerks zu arbeiten und sich aktiv in Diskussionen einzubringen. Die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmen ohnehin immer mehr und gerade die Generation Y legt großen Wert darauf mobil und flexibel zu sein.

Sollte man die Nutzung von Facebook nicht wenigstens einschränken?

Szilinski: Das werde ich oft gefragt. Wenn man einen positiven Wandel im Unternehmen haben möchte, kann die Antwort nur “Nein” lauten. Soziale Netzwerke basieren zu einem großen Teil auf Vertrauen, Transparenz und Eigenverantwortlichkeit. Will man diese Werte fördern, muss man auch Zugeständnisse im Umgang der privaten Nutzung machen. Im Gegenzug darf man aber auch erwarten, dass dieser Freiraum verantwortungsvoll genutzt wird, ohne dass es ausufert.

Sie bieten mit Social PM eine Lösung, die Aufgaben- und Projektmanagement mit der Kommunikation eines Social Networks verbindet. Gibt es schon Erfahrungen mit Unternehmen, die Social PM einsetzen?

Szilinski: Inzwischen gibt es viele kleine und große Unternehmen, die unsere Lösung einsetzen und seither einen besseren Überblick über ihre Organisation und Abläufe haben. Ein Teamleiter hatte mir neulich geschrieben, dass er völlig entspannt aus dem Urlaub kam, da er direkt sehen konnte, wie sich die Projekte während seines Urlaubes entwickelt haben und er alle Entwicklungen gezielt nachverfolgen konnte.

Gleichzeitig haben alle Mitarbeiter in seiner Abwesenheit eigenverantwortlich gearbeitet und die Kraft der Vernetzung untereinander genutzt. Ein weiterer Kunde aus dem Agenturumfeld konnte den internen E-Mail-Verkehr um die Hälfte reduzieren und damit deutlich mehr Zeit für wesentlichere Aufgaben rausholen. Und das sind nur zwei Beispiel von vielen, wie sich durch den Einsatz von Social Networks langfristig die Zusammenarbeit verbesserten kann.

Die Yahoo-Chefin Marissa Mayer hat gerade angeordnet, dass die Mitarbeiter wieder im Unternehmen und nicht im Home Office arbeiten sollen. Was halten Sie davon?

Szilinski: Ich kann den Ansatz verstehen, denke aber, dass er die falsche Antwort auf die Fragen unserer Zeit ist. Einen gefühlten Kontrollverlust kann ich nicht durch die Aufhebung von Home-Office-Regelungen wettmachen. Die Frage ist doch heute insbesondere die, wie sich die Lebenswirklichkeiten von Mitarbeitern im Unternehmen in Bezug auf Führungskultur, Kommunikation und zukünftige Unternehmensprozesse auswirkt.

Ich denke, dass hier vielerorts ein Umdenken erforderlich ist und dass man mit Social Networks auch als Führungskraft ein sehr viel besseres Gefühl für die tatsächliche Zusammenarbeit im Unternehmen bekommt. Natürlich muss sichergestellt sein, dass am Ende des Tages die Ergebnisse stimmen. Aber ganz ehrlich: ob die Leistung dann im Home-Office oder vor Ort im Büro erbracht wird, kann doch heute kein Kriterium mehr sein.

Social PM bündelt die Informationen aus Mails, Aufgaben und Dokumenten in einer Oberfläche.
Social PM bündelt die Informationen aus Mails, Aufgaben und Dokumenten in einer Oberfläche.

Gehen durch den ständigen Wechsel von Arbeitsplatz (zu Hause, unterwegs, im Büro), der Arbeitszeiten nicht Produktivität und Konzentration verloren?

Szilinski: Ich selbst bin unheimlich viel unterwegs und erlebe genau dieses Szenario eigentlich fast täglich. Natürlich ist jeder Kontextwechsel zunächst mal schädlich für die Produktivität und das wird er auch bleiben. Aber gerade deshalb plädiere ich auch für die Nutzung von Social Networks anstatt von E-Mail.

Wo liegt der Unterschied?

Szilinski: Der Unterschied liegt darin, dass ich Informationen aus sozialen Netzwerken konsumieren kann, wann und zu welchem Thema ich es für richtig halte, zum Beispiel durch die Nutzung von Gruppen. Ich entscheide als Nutzer, was mich zu welchem Zeitpunkt interessiert.

So kann ich meinen Tag strukturieren und auch Pausen an Bahnsteigen oder zwischen Besprechungen effektiv nutzen, indem ich mich mit einem Thema intensiv beschäftigen kann und nicht auf fünfzig ungeordnete Mails in meiner Inbox reagieren muss und bei jeder E-Mail in ein anderes Themengebiet wechseln muss. Das ist eine enorme Unterstützung bei mobiler Arbeit.

Wenn Unternehmen sich sozusagen im vorauseilenden Gehorsam auf die neuen Mitarbeiter einstellen, geben Sie dann nicht ihre Führungsrolle auf? Besteht nicht die Gefahr, dass neue Mitarbeiter zu schnell den “Ton angeben”?

Szilinski: Genauso gut könnte man fragen, ob sich Unternehmen immer auf die aktuellste Bewerbergeneration anpassen sollten, nur um am Arbeitsmarkt attraktiv zu erscheinen. Was wir beim aktuellen Fachkräftemangel erleben, ist ein Kampf um die besten Köpfe. Gerade die Digital Natives oder die vorher angesprochene Generation Y lassen sich dabei aber nicht so leicht täuschen, wie vielleicht manche Unternehmen denken.

Genau darum sind ja viele Unternehmen auf Facebook präsent …

Szilinski: Aber ein attraktiver Facebook-Auftritt der Marketingabteilung reicht nicht aus, um einem Akademiker dieser Generation vorzugaukeln, dass man ein modern geführtes Unternehmen ist, das Freiräume und Potenzial zur persönlichen Entwicklung bietet. Manche Unternehmen haben noch nicht erkannt, dass die Knowledge-Worker sich gerne in Entscheidungsprozesse einbringen, gerne Verantwortung übernehmen und enorme Leistungen bringen, wenn das Umfeld passt und man ihnen die Möglichkeit einräumt.

Und das alles leistet ein Social Network?

Szilinski: Dafür bietet sich ein Social Network als Medium perfekt an. Wir sollten aber generell nicht versuchen, die Generationen gegeneinander auszuspielen, sondern jedes Unternehmen sollte im eigenen Interesse gelebte Prozesse überdenken und sich kritisch mit den Bedürfnissen der Digital Natives auseinandersetzen, damit es auch in Zukunft erfolgreich bleibt. Aus meiner Sicht sollte es dabei keine Verlierer geben, sondern nur Gewinner im Sinne des Unternehmens.

Wie sehen Sie das Thema “Work-Life-Balance” im Zusammenhang mit der ständigen Präsenz der Digitalen Medien und der Verschmelzung von Beruf- und Arbeitswelt?

Szilinski: Hier schlagen ganz ehrlich zwei Herzen im meiner Brust. Ich habe auf der einen Seite Sympathie für Unternehmen wie Volkswagen, die nach 18 Uhr einfach keine E-Mails mehr zustellen und Freiräume regulatorisch schaffen, wo Mitarbeiter es aus eigener Kraft offensichtlich nicht mehr organisieren können.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass in der Arbeitswelt der Zukunft die Themen Familie, Freizeit und Beruf noch weiter verschmelzen werden – das sehe ich beispielsweise bei mir selbst. Ich persönlich arbeite auch nach Feierabend oder am Wochenende gerne mal in unserem Social Network, zum Beispiel wenn ich einen guten Gedanken habe oder ein Thema abhaken möchte. Das kann durchaus befreiend wirken. Wir selbst sind dabei gefragt, diesen Prozess aktiv mitzugestalten, so dass die individuelle Work-Life-Balance sich nicht verschlechtert, sondern verbessert.

Firmen, die es schaffen, innovative Konzepte zur Verbindung von Beruf und Familie zu präsentieren, werden langfristig ihre Leistungsträger halten können – Enterprise Social Networks können dabei aus meiner Sicht einen entscheidenden Teil beitragen.

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