Das ganze Netzwerk als virtuelle Maschine

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Die Netzwerk-Virtualisierer von Nicira wollten mit ihrer aktuellen Aussendung einmal klarstellen, dass zahlreiche Netzbetreiber und Internet-Provider ihre Rechenzentren schon lange nicht mehr selbst in jedem technischen Detail entwerfen: Ein dünner Software-Layer für die Netzwerk-Virtualisierung von Telekomriesen wie AT&T und NTT oder von Webhostern wie Rackspace übernehme all die zuvor nötige Netzwerksteuerung. Rechenzentren könnten mit Niciras Lösungen beliebig um neue Hardware-Komponenten erweitert werden, ohne zu viel daran oder am ganzen Netz herumzukonfigugrieren.

Was nun so einfach klingt, setzt sich im Hintergrund allerdings aus recht komplexen Theorien und deren Umsetzung zusammen.

Wie die Cloud entsteht, setzt Software fest
Moderne Netze sind voll virtualisiert – und halten sich dabei an den OpenStack-Standard, dessen Mitbegründung einst Webhoster Rackspace anführte. Rackspace-President Lew Moorman nimmt Niciras Beiträge zum Standard und dessen Produkte mit offenen Armen auf.

Wie auch die Virtualisierung von Betriebsystemen oder Speicherdiensten muss die Netzwerk-Virtualisierung es erreichen, Aufgaben von der konkreten Hardware zu trennen – in diesem Falle ersetzt eine Software die traditionelle Verteilung von Datenpaketen oder die Applikationsausführung auf Hardware-Ressoucen – vereinfacht gesagt.

Die Lösungen von Niciria bilden eine verteilte Netzwerk-Infrastruktur oder »Distributed Virtual Network Infrastructure« (DVNI), die sich selbst um Isolierung von Aufgaben untereinander kümmert und die Verteilung der Aufgaben auf (virtuellen) Hardwarekomponenten übernimmt bzw. deren Anforderung und Zuteilung in die Hand nimmt. Es handelt sich imGrunde um eine Art Hypervisor ür Netzwerke.

In einem Whitepaper (hier als PDF) erklärt der Anbieter, wie er sich Virtualisierung im Groben darstellt – und keinerlei Unterschied mehr zwischen virtueller Rechenpower, virtuellen Applikationen oder Netzwerkkomponenten macht.


Selbst Netzadressen sind nur noch virtuell
Computer, Prozessoren oder Speicher zu virtualisieren fällt viel leichter als dies mit dem ganzen Netzwerk zu tun – das ist bislang noch immer an physikalische Grenzen gebunden. So könne man zum Beispiel nicht einfach einen Router virtualisieren – denn der sei an reale Netze gebunden, erklärt der Hersteller.

Weil virtuelle Maschinen im selben IP-Adressraum liegen wie das physiologische Netz muss der Netzwerkverkehr zunächst an eine Adresse eines Routers weitergeleitet werden, um im nächsten »Hop « weiter seinen Weg zu gehen. Jede virtuelle Maschine und jedes Gerät im Netz hat eine eigene IP-Adresse im selben Subnet, und diese Zuweisungen  werden irgendwann knapp. Müssen Ressourcen verschoben werden, muss irgendwann einmal ein neues Adressenset für die erweiterten Systeme angelegt werden – und das führt zu Auszeiten oder Fragmentierung der Rechen-Ressourcen.

Auch die MAC-Netzwerkadressen und ACL-Tabellen sind begrenzt. Niciria und einige Anbieter versuchen dieses Limit zu umgehen, indem sie auch die Netzwerk-Adressierung virtuell gestalten und bei den Übergängen zwischen verschiedenen virtuellen Netzwerk-Clusters die reellen Werte automatisch umschalten.

Auch die Infrastruktur wird abstrahiert
Das heißt, die Lösung abstrahiert die tatsächliche Infrastruktur in die  virtuelle DVNI-Architektur. Die gesamte Netzwerkinfrastruktur wird also nur noch über einen abstrakten Layer gesteuert – die Netzwerkadressen und Netz-Hardware werden angesteuert, als seien sie eine Ansammlung virtueller Maschinen.

So kann selbst die dahinterliegende Netzwerk-Topologie verändert werden, ohne dass die Seite »vor« dem Abstraktions-Layer angepasst werden muss. Ob ein altes Token-Ring-Netz, ein übliches Ethernet-Konglomerat oder eine Glasfaser-Fabric dahintersteckt, ist also vollkommen egal.

In DVNI virtualisiert das System also im Grunde Alles: Die Netzwerk-Adressierungen, die OSI-Layers 2 und 3 und selbst Netzwerkdienste stellt es wie eine Software zur Verfügung.

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