Deutschland: Lauter kleine Online-Petzen
Kommt bei Ihnen auch ein zwiespältiges Gefühl auf, wenn in Deutschland mit seiner Blockwart-Vergangenheit Institutionen geschaffen werden, bei denen das Denunzieren im Vordergrund steht? Äußerlich werden immer hehre moralische Absichten – es geht doch gegen Terrorismus oder Kinderpornographie – vorangetragen, doch innerlich können da leicht Unschuldige unter die Räder kommen. Wie leicht ist es, den sauberen Rechner eines verhassten Kollegen mit einschlägigen Bildern zu versorgen und ihn dann gezielt anzuzeigen? Oder auf Business-Ebene ließe sich ein konkurrierender Website-Betreiber mit ähnlicher Methode “kaltstellen”. Daher kommt gerade bei einer anonymen Beschwerdestelle bei mir immer ein leichter Zweifel und ein gewisser Nachgeschmack auf.
Mann kann sich damit trösten, dass die deutsche Internet-Beschwerdestelle mit 5.987 Anzeigen in 2009 noch nicht eine besonders dramatische Bedeutung besitzt (das Wachstum liegt allerdings bei 19 Prozent) und hoffen, dass man dabei in der Regel echte Pädophile erwischt.
In 49 Prozent der Fälle handelte es sich um Darstellungen von Kindern in “unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung”, rund 40 Prozent der Beschwerden bezogen sich auf sonstige Kinderpornografie. Das Aufkommen über politisch extremistische Inhalte war weiter rückläufig und erreichte 2009 gerade noch 5 Prozent (Statistik als PDF-Grafik). Der Rest waren extreme Gewaltdarstellungen und sonstiges.
Die frisch ausgewerteten Zahlen meldeten gerade die Betreiber der Beschwerdestelle, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und der eco Verband der deutschen Internetwirtschaft. Sie verweisen darauf, dass die steigende Zahl der Hinweise kein Indiz dafür sei, dass es mehr illegale Inhalte im Internet gibt. Die Nutzer seien einfach sensibler geworden und ihnen stoße eher auf, wenn etwas nicht okay sei.
Anzeigen, die bei einer Internet-Beschwerdestelle eingehen, werden zunächst darauf geprüft, ob die gemeldeten Inhalt gegen Jugendmedienschutz- oder Strafgesetze verstoßen. Danach werde der Inhalte-Anbieter direkt aufgefordert, das Material zu entfernen. In vielen Fällen kontaktiere man auch den Host-Provider. “Diese reagieren dann in den meisten Fällen innerhalb weniger Stunden, bis die betreffenden Internetseiten gelöscht sind”, berichtet Alexandra Koch von eco und Leiterin der Internet-Beschwerdestelle.
In gravierenden Fällen werde die anonymisierte Beschwerde direkt an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben. Sabine Frank, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle: “Jede Meldung kann helfen, die Täter zu fassen. Wir nehmen die stetig steigende Anzahl an eingehenden Beschwerden als Auftrag, um auch weiterhin gezielt gegen jugendgefährdende Inhalte in Telemedien vorzugehen.” Das klingt verdammt selbstgerecht. Wie beurteilt ihr das Thema? (Quelle: TheInquirer.de)