TRIZ: Erfinderisches Problemlösen

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Der erste Teil des Beitrags von Tom Groth beschäftigte sich mit der Frage, wie Innovationsprozess im Unternehmen strukturiert sein sollte. Wer das erste Kapitel nicht gelesen hat, sollte dies vor der Lektüre des nachfolgenden Textes nachholen.

Darstellung der Idealität

Innovation bedeutet immer eine Steigerung des IST Zustandes in allen vier Komponenten in Richtung der Idealität.

Wobei I(ist) ein Produkt beschreibt, das heute verfügbar ist, und als Referenz herhalten soll. Das I(ideal) ist der Punkt nach dem es keine Weiterentwicklung mehr gibt und I(Inno) die Soll-Definition des neuen, innovativen Produktes.

Die Lesweise der Summen
Summe der Funktionen: Beschreibt eine Auflistung der Primär- und Sekundärfunktionen des Produktes. Dies sind hauptsächlich die Eigenschaften, die Hersteller gerne in Datenblätter und Prospekte schreiben.

Summe des subjektiven und individuellen Kundennutzens: Dieser soll durch die Verwendung des Produktes erzeugt werden. Dies ist typischerweise eine Liste der Dinge, die eine Werbeagentur in den Vordergrund stellen möchte. Die Frage die hier hervorsteht ist, macht mich das Produkt glücklicher, schöner, attraktiver, herrscht mehr Neid in meinem Umfeld, oder kann ich durch dieses Produkt auffällige persönliche Defizite überlagern?

Summe der Kosten: gliedert sich nach Entstehungskosten, Betriebskosten und Entsorgungskosten. Hierbei ist es völlig unerheblich welchen Preis das Produkt hat. Wichtig sind, welche Kosten entstehen tatsächlich in der Entstehungsphase des Produktes. Beispielsweise, ein Laptop Gehäuse aus Alu ist teurer in der Entstehungsphase, bringt aber auch einen höheren Materialwert bei der Entsorgung (im Vergleich zu Kunststoffen).

Der ökologische Rucksack
Summe der Systemschäden: Ein Systemschaden, ist generell jedes Delta zur IST Situation im Bereich der Anwendbarkeit zwischen Mensch und Maschine. Zusätzlich zu dem bedienpädagogischen Aspekten kommen hier auch Größe und Gewicht zum Tragen. Analogien zum verwendeten Material (beispielsweise der »ökologische Rucksack«).

Alle Investitionen in die Entwicklungen von Produkten, Technologien oder Dienstleistungen können gezielt an diesem Grundprinzip gemessen und entschieden werden.

Funktionen ohne Nachteile
Eine daraus abgeleitete Entwicklungsstrategie verwendet die Definition des so genannten idealen Resultates, d.h. einem System, welches die gewünschten Funktionen ohne Nachteile (Kosten oder sonstige Schäden) erfüllt. Damit wird die Produktvision eindeutig. Der Unterschied zwischen einfachen Verbesserungen und echten Innovationen ergibt sich bei der Idealitätsbetrachtung durch einen Sprung in die funktionalen Produktebenen. Es ergeben sich aus dieser Sichtweise unterschiedliche Ansätze für Innovationsstrategien.

Der »zählerorientierte« Ansatz konzentriert sich dabei auf die Verbesserung des wahrgenommenen Nutzens und der Funktionen (auch durch Hinzufügung von neuen Funktionen).

Der »nennerorientierte« Ansatz fokussiert die Reduzierung von Kosten und Schäden, bzw. Problemen. Der Grad einer Innovation kann somit für ein Unternehmen konkret mit einer Kennzahl bestimmt werden und ermöglicht mit einer spezifizierten Messgröße die Bewertung von Produkten und Innovationen in allen Funktions- und Systemebenen.

Es können sowohl pragmatisch und umfassend Technologiestrategien auf allen System- und Funktionsebenen eines Produktes oder einer Dienstleistung erarbeitet, als auch anschließend kontrolliert und gesteuert werden. Das Vorgehen nach dem Prinzip der Idealität bildet die Basis für eine strategische Ideenproduktion zu Produkten, Technologien und den wirksamen Aufbau von Patenten und Schutzrechtsstrategien.

Die ideale Strategie
Ausgehend vom idealen Resultat lässt sich auch eine ideale Strategie ableiten, in welcher der Entwicklungspfad, welcher zum idealen Produkt führt, detailliert beschrieben wird.

Hierdurch reduziert sich der Aufwand des Technology-Screenings, der Ideenentwicklung und Konzepterstellung auf eine logisch ausgerichtete Richtung.

Lead User Befragungen, Product Reengineering von Wettbewerbsprodukten und Quality Function Deployment werden dadurch wirksam unterstützt.

Aus diesen Aktivitäten leiten sich dann die Vorsteuergrößen für die weitere Produktentwicklung ab. Dies können z.B. für Funktionen definierte Kostenreduzierungen, Funktionsoptimierungen oder Funktionserweiterungen sein. Im Gegensatz zum reinen plakativen Rationalisierungsdenken können hierdurch exakt definierte Entwicklungsziele mit kurz-, mittel- und langfristigem Hintergrund bestimmt werden.

Ein wertanalytisches Vorgehenskonzept bildet die Basis für ein methodisches Konzipieren und ein systematisches Erarbeiten und Bewerten von Innovationen. Die funktionsorientierte Betrachtungsweise ist wesentlicher Bestandteil der Wertanalyse. Der kreative Schritt von der Funktionsbetrachtung zur Konzeptgenerierung kann mit effektiven Methoden erzielt werden.

Lesen Sie auf Seite 2: Übersicht Werkzeuge und Methoden

Übersicht zu Werkzeugen und Methoden

• TRIZ – die Theorie des erfinderischen Problemlösens mit Ihren Werkzeugen zum Identifizieren und Lösen von technischen Widersprüchen unter Nutzung von funktionalen Lösungsprinzipien

• Know-how-Transfer – das bedeutet das Einsetzen prinzipieller Lösungen aus anderen Branchen und das Übertragen dieser Lösungen auf der Funktionsebene

• Evolutionsantizipation – das bedeutet einen Nutzen von bekannten Entwicklungslinien und Entwicklungsmustern ziehen, abbilden und für die eigenen Zwecke nutzen.

Nach der Idealitätsbetrachtung wird damit ein Produkt oder technisches System funktional analysiert und gegliedert. Es entsteht ein Funktionsbaum von Supersystem oder -funktion, Subfunktionen und Sub-subfunktionen. Diese Betrachtungsweise erlaubt das Identifizieren von Integrations- und Innovationsmöglichkeiten. Der Detaillierungsgrad geht vom Groben zum Feinen und lässt sich beliebig intensivieren.

Diese Aufgliederung ist Voraussetzung für eine weitere Analyse und Bewertung bzw. eröffnet Möglichkeiten zu einer Assoziation mit Innovationen aus anderen Systemen oder Branchen. In der Regel werden durch diese Betrachtungsweise schon qualitativ hochwertige Ideen für Innovationen generiert bzw. auch Bewertungen von Subfunktionslösungen ermöglicht.

Funktionskostenanalyse
Die Funktionskostenanalyse stellt nun die Produkt- oder Systemfunktionen den Komponenten bzw. Bauteilen gegenüber. Durch die Zuordnung der Komponenten zur Funktionserfüllung können die Funktionskosten ermittelt und Kostentreiber identifiziert werden. Eine permanente Verwendung pro Produkt erleichtert wirkungsvoll die Bewertung von Innovationen auf Bauteil- und Funktionsebene.

Außerdem ermöglicht die Funktionskostenanalyse das Zusammenführen von Anforderungen (Markt und Kunden, Produktion, etc.), Problemen und Funktionen. Ein Ranking, bezogen auf Funktionskosten und Anforderungen oder auch wichtigen Problemen verdeutlicht die Wirkung von Innovation und Verbesserungen bzw. macht Innovationsbedarfe sichtbar.

Notwendige Innovationsfelder
Es lassen sich gezielt notwendige Innovationsfelder ableiten. Davon ausgehend stellen wir eine so genannte Innovation- und Improvement-
Matrix auf, die als Entscheidungsgrundlage für Innovationsvorhaben dient.

Eine folgende Funktionsmodellierung mit der Bewertung von Funktionen in nützlich und schädlich unter Betrachtung der Wirkzusammenhänge liefert schließlich die Grundlage für eine intensive Ideengenerierung. Hiermit können technische Widersprüche aufgedeckt und die »wahren« Effekte von Innovationsideen oder passenden Technologien beurteilt werden.

Gezielte Innovationsbewertung
Das Funktionsmodell bildet das Zentrum für alle zukünftigen Innovationsaktivitäten. Die daraus abgeleitete Evolutionsbetrachtung eines Systems und seiner Subelemente liefert nun umfassende Möglichkeiten zur gezielten Innovationsbewertung im Sinne einer Einordnung auf der Lebenskurve von Technologien.

Daraus abgeleitet lassen sich Produkt- und Technologiekalender auf wissenschaftlich fundierter Basis erstellen. Keine andere Analysemethode erlaubt dabei eine so sichere und umfassende Antizipation der zukünftigen Entwicklung.

Lesen Sie auf Seite 3: Das erfinderische Problemlösen

Die genutzten Evolutionslinien und -muster basieren auf den drei zentralen Thesen der Theorie des erfinderischen Problemlösens:

1. Technische Systeme entwickeln sich nach bestimmten Mustern.

2. Erfindungen machen das Überwinden von Widersprüchen notwendig.

3. Viele Erfindungen basieren auf allgemein anwendbare Lösungsprinzipien.

Entwicklungsgesetze technischer Systeme
Als Basisinformationen hierzu dienen Ergebnisse aus umfangreichen Patentanalysen und daraus abgeleiteter Entwicklungsgesetze technischer Systeme sowie Erfindungsverfahren zur Überwindung technischer Widersprüche. Unter Ausnutzung dieser Erkenntnisse lassen sich systematisch die Lebenskurven von Produkten und Technologien analysieren und die weitere Entwicklung von Systemen prognostizieren.

Die Bewertung eines Systems oder Subsystems nach den Gesetzen der technischen Evolution und der Idealität lässt sich mit Radar-Charts unter Ausnutzung der aus der Theorie des erfinderischen Problemslösens extrahierten Entwicklungslinien durchführen.

Aufdeckung von Gefahren
Allen Beteiligten eines Innovationsprozesses wird das Aufdecken von noch nicht bekannten Geschäftsmöglichkeiten oder Gefahren ermöglicht (Schutz vor Substituten). Investitionsvorhaben können frühzeitig in die
richtige Richtung gelenkt werden.  Die Unternehmensstrategie lässt sich durch taktische Mittel aufwerten.

Wesentliche Erfolgsfaktoren von Innovationsvorhaben

• systematische Analyse und Definition der Kundenanforderungen und Kundenfunktionen

• systematische Analyse der Wettbewerber und deren Produkte

• Umsetzung der Anforderungen in Engineering Parameter

• funktionale Systemanalyse und Funktionskostenbewertung

• strategisch ausgerichtete Ideensammlung und pro aktive Ideengenerierung zur Erstellung innovativer Konzepte und Aufdeckung neuer Geschäftschancen

• Definition von Entwicklungsaufgaben als Projekte auf Basis der Produktstrategie

• Integration der Ergebnisse in die übergreifende strategische Technologie- und Geschäftsfeldplanung

• Erstellung von Technologie- und Produktkalendern

• phasenorientierte Vorgehensweise

• angepasstes Projektmanagement und Methodenanwendung in funktionsübergreifenden Projektteams

(Tom Groth/mt)

Weblinks
Teil 1 des Aufsatzes
Toxiq
TRIZ

Zum Expertenbeirat von eWEEK europe zählen neben Tom Groth unter anderem auch IDC-Geschäftsführer Wafa Moussavi-Amin, der Internet-Guru Ossi Urchs und Ex-IBM-Chef Richard Seibt.

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