Meinung: Null Toleranz für Angie!
»Sicherheit« war der Deutschen Demokratischen Republik ganz wichtig: Nach innen wie nach außen. Deshalb wurde nicht nur ein Zaun Richtung Westen gebaut – nein, sogar jeder einzelne Bürger musste vor feindlichen Einflüssen geschützt werden. Deshalb durften auch nur die in den Westen reisen, bei denen sich der Staat ganz sicher sein konnte, dass sie den feindlichen Einflüssen nicht erliegen würden. Wie zum Beispiel Genosse Erich. Oder Genossin Angela. Die soll – so behauptet jedenfalls Wikipedia – »Kreisleitungsmitglied und Sekretärin für Agitation und Propaganda« gewesen sein. Und weil die DDR sich sicher wahr, dass Angie wiederkommen würde, durfte sie 1986 auch einige Tage in den Westen reisen.
Bis heute stellt das Sicherheitsthema für Angie ein wichtiges Anliegen dar (Video): »hier mal was weggeschmissen, dort mal einen angerempelt – hier mal über’n Bürgersteig gefahren, dort mal in der dritten Reihe geparkt« – das alles sei nicht hinzunehmen. Angie proklamiert: »Null Toleranz bei innerer Sicherheit!« An anderer Stelle verlangt sie »die Onlinedurchsuchung, die Videoüberwachung und vieles Andere mehr«. »Wir werden nicht zulassen, dass technisch Manches möglich ist aber der Staat es nicht nutzt!“ Da könnte man glatt auf die Idee kommen, dass jedes Mittel recht ist, auch um Ordnungswidrigkeiten aufzuklären.
Von Straftaten ganz zu schweigen. Zum Beispiel dürfte die Verbreitung von Viren, Würmern und Trojanern via etablierter Webseiten seit der Verabschiedung des Hackerparagraphen zu den strafbaren Handlungen zählen. »Technisch möglich“ könnte es sein, die Kriminellen beim Abladen ihres Ungeziefers zu beobachten – indem etwa die IP-Adresse geloggt wird (auch wenn das in diesem Fall vermutlich ziemlich sinnlos sein dürfte, da Cyberkriminelle nicht immer in dem Land wohnen, indem sie straffällig werden). Und vermutlich wird sich Angie’s Auftrag an die ‘]init[ Aktiengesellschaft für digitale Kommunikation’ nicht darauf beschränken, Kriminelle zu beobachten, sondern jeden zu beobachten, der ‘bundeskanzlerin.de’ aufsucht. Da können wir nur hoffen, dass die Besucherdaten nicht meistbietend an die anderen Kunden von ]init[ – etwa die Bertelsmann-Stiftung, Daimler, Krankenkassen, die Radeberger Gruppe, den Verband der Chemischen Industrie, Springer oder Volkswagen – verhökert werden. Das könnte nämlich Nachteile bei Finanzgeschäften bedeuten.
Weiter möchte ich bemerken: Es ist noch kein Jahr her, daß der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries Haft angedroht wurde, weil sie die Besucher ihrer Internetseite beobachten ließ. Ich kann keinen Unterschied in dem Zusammenhang zwischen der Bundesministerin für Justiz und der Bundeskanzlerin erkennen. Wie hart müssen wir jetzt gegen Angie vorgehen? Ich meine: Sie verlangt »Null Toleranz bei Innerer Sicherheit“?! Ist es abwegig, zu sagen, dass die innere Sicherheit von den permanenten Datenskandalen bedroht werden könnte? Oder sollen hier jetzt wieder zwei verschiedene Gesetzbücher gelten – eines fürs ‘Plebs‘ und das andere für die Bonzen? Dann hätten wir ein Unrechtssystem wieder, wie wir es mit der DDR grade erst vor knapp 20 Jahren losgeworden sind.