Wirtschaftskrise erreicht Silicon Valley
Drama in Santa Clara, dem Zentrum der Chipindustrie des Silicon Valleys! Am Mittwoch dieser Woche mussten die Angestellten der Startup-Firma SiPort ihren Chef, den aus Indien stammenden Sid Agrawal, und zwei weitere Führungskräfte begraben. In einem Akt der Verzweiflung hatte ein vor wenigen Tagen entlassener Mitarbeiter drei Bosse des erfolgreich gestarteten Entwicklers von Mobilfunkchips erschossen.

Die Webseite des Startups Siport war nach dem tragischen Vorfall geschlossen.
Das gab noch nie im Silicon Valley, schreibt die Tageszeitung San Jose Mercury News. Diese Dimension von Verzweiflung ist neu im Gebiet um die Bucht von San Francisco, dem Zentrum der weltweiten Computer- und Chipindustrie. Und in der Tat, der Druck ist wieder hoch im Tal des Siliziums.
In der Computerindustrie deuten spätestens seit dem Herbstquartal alle Zeichen auf einen massiven Rückgang der Nachfrage.
Mekka des Venture Capitals
Dazu kommt eine starke Veränderung bei der Förderung von Unternehmen durch Risikokapital, das in dieser Gegend eine große Tradition hat. Entlang der Sand Hill Road in Menlo Park ist etwa ein Drittel des weltweiten Venture Capitals (VC) zu Hause.

Die Straße nach Silicon Valley. Ein Drittel des weltweiten Risikokapitals liegt in Menlo Park bereit.
Auch im dritten Quartal sei einem weiteren Rückgang des in Startups investierten Risikokapitals gekommen, berichtet der San Francisco Chronicle. Beobachter sehen sogar Zeichen dafür, dass sich diese Szene stark verändere was die Art und Menge der Investitionen betrifft. Der Trend geht wohl weg vom Kerngeschäft der Computer- und Kommunikationsindustrie und hin zu Fragen der Energieversorgung, des Klimaschutzes und des Gesundheitswesen.
Mehr Venture-Capital für Umweltschutz
So sind die Venture-Capital-Gelder trotz der Finanzkrise im vergangenen Quartal im Öko-Bereich nach Angaben von MoneyTree im Schnitt um etwa 10 Prozent gestiegen, bei erneuerbaren Energien nach Dow Jones sogar um 90 Prozent. Die VC-Dollars dagegen, die in Fragen der Weiterentwicklung des Internets investiert wurden, sind um 36 Prozent gefallen. Ein dramatischer Rückgang für mögliche IT-Firmengründer im Silicon Valley. Auch in Indien sei ein stärker Einbruch, in China ein gemäßigter zu beobachten, hieß es in einem vor kurzem veröffentlichten Bericht.
Schwere Schatten auch in den jüngsten Quartalsberichten der IT-Industrie, von der mit Hewlett-Packard und Sun Microsystems, Intel und AMD, führende Unternehmen im Silicon Valley ihren Stammsitz haben. Nach in der ersten Jahreshälfte zeigte sich die 263 Milliarden Dollar schwere PC-Industrie trotz der bereits seit dem Herbst vergangenen Jahres schwelenden Finanzkrise ziemlich widerstandsfähig. So stieg die weltweite Auslieferung von Personalcomputern in den ersten neun Monaten des laufenden Kalenderjahres 2008 um 12 Prozent.
Sinkende Kaufbereitschaft bei PCs
Die jüngsten Zahlen seit Oktober zeigen nun, dass die Kaufbereitschaft möglicher PC-Kunden zu einem Stillstand gekommen ist, zumindest in den USA. IDC sagt für das laufende letzte Quartal des Jahres einen Rückgang um ein Prozent voraus, während in der Regel der Umsatz in dieser Feiertagssaison am Jahresende um sechs Prozent zulegt. Chip-Primus Intel sah sich gezwungen, einen warnenden Ausblick für das nächste Quartal zu geben.

Als eine der wenigen Firmen kann Apple die hohen Lifestyle-Preise auf dem PC-Markt halten. (Bild: Apple)
Von den großen Elektronik-Handelsketten in den USA musste sich die Circuit City Stores In. unter Gläubigerschutz (Chapter 11) begeben, während Konkurrent Best Buy seine Absatzerwartung deutlich zurücknahm. Dies zeigt sich auch in den Zahlen von Hewlett-Packard und Dell. HP, mit nach IDC 19 Prozent Marktanteil im weltweiten PC-Geschäft, hat zwar in einer Vorabmeldung vor wenigen Tagen positive Stimmung gemacht, doch ist nach Ansicht von Beobachtern auf gute Umsätzen bei Druckern und bei Dienstleistungen zurückzuführen. Die offiziellen HP-Zahlen werden am Montag erwartet.
Dell meldet sinkende Umsätze
Die Nummer zwei der PC-Hersteller (15 Prozent), Dell, musste nach den gerade veröffentlichen Quartalszahlen bei Umsatz und Gewinn ein Rückgang hinnehmen. Die seit geraumer Zeit zu beobachtete Preisschlacht bei PC-Produkten zeigt erste Wirkung bei den Geschäftszahlen.
So fiel beim chinesischen PC-Hersteller Lenovo, der IBMs PC-Geschäft übernommen hat, der Quartalsgewinn um 78 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Einzige Ausnahme scheint Apple zu sein. Die Firma des Marketing-Gurus Steve Jobs kann offensichtlich als einzige ihre hohen Lifestyle-Preise bei ihren Kunden hochhalten.
Bei den Herstellern von Servern wird die Entwicklung in den nächsten Monaten noch zu analysieren sein. Erstes Opfer ist sicher Sun Microsystems. Bei dem Silicon Valley Pionier sind bereits umfangreiche Entlassungen angekündigt. Doch Sun hat seine Probleme nicht erst seit der Finanzkrise, sondern schleppt seine Bürde schon seit vielen Quartalen durch seine Geschäftszahlen.
(Rudi Kulzer/mt)