Gruß aus China: Internetfilter werden Alltag
[Dies ist ein Gastkommentar von Ulrich Bruegmann vom Gutenburger-Blog] Man zwangsverpflichtet kurzerhand die Provider des Landes, den Netzverkehr auf urheberrechtlich geschützte Inhalte hin zu überprüfen. Wer in Zukunft dabei erwischt wird, zweifelhaften Content zu verschieben (also Britney ohne Bezahlen statt Britney ohne Unterhose), dem soll Übles drohen. Nicht unbedingt sofort, weil man ja eine Demokratie mit langer kultureller Warmlaufphase ist und es deshalb auch zunächst nur eine Verwarnung setzt, spätestens aber beim zweiten Heimlich-Manöver auf die Goldtöpfe der Reichen geht es dem Anschlussinhaber dann mit einer mehrmonatigen Internet-Sperre an den Kragen – gefolgt von der Sarkozy-Guillotine Vollsperrung, wenn man zum dritten Mal dabei ertappt wird, der kulturellen Weiterentwicklung des Landes durch eine selbst verordnete Gebührenbefreiung die Grundlage zu entziehen.
Im autarken Großbritannien, das ansonsten immer auf eine gesunde Distanz zu Europa achtet und sich auch gerne einmal über den französischen Nachbarn lustig macht, griff man das Rezept begeistert auf und möchte in Zukunft ebenfalls Nutzern, die wiederholt beim gierigen Grabschen nach illegalen Downloads ertappt werden, den Zugriff auf das weltweite Datennetz sperren. Das wäre zwar so, als ob man einen Ladendieb den Zutritt zu allen Supermärkten verbietet, aber seit sich die Content-Industrie zur vierten Säule der Demokratie gemacht hat, ist sowieso jedes Augenmaß verloren gegangen und man muss schon froh sein, dass einem nicht die Fingerkuppe abgehackt wird. Wenig überraschend beklatscht dann auch die deutsche GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen) das britische Modell ausdrücklich und setzt sich auch hierzulande für das sogenannte Graduated Response System ein, das bei wiederholten Verstößen die permanente Sperrung des Zugangs zur Folge hat.
Im restlichen Europa, also Brüssel, schaut man derzeit noch überaus interessiert zu, ziert sich aber noch ein wenig, veilleicht, weil man abwarten will, wie die als renitent geltenden Franzosen den Eingriff schlucken, vielleicht aber auch, weil es die Lobby-Preise für neue Gesetze in die Höhe treibt. Und in den USA als freiestes Land der Welt? Dort lässt man die Politiker zunächst noch außen vor, weil die freie Marktwirtschaft hier noch freier als im Rest der Welt ist ist, und handelt die Sache gleich mit den richtigen Leuten aus. Wie auf einer kürzlich stattfindenden Diskussion am Rande der International Consumer Electronics Show (CES), in der Telefonriese AT&T sich an vorderster Front mit Microsoft und dem schon in Frankreich und Europa sehr aktiven Copyrightverfechtern von Universal verbrüdert und das Schnüffeln in den durch die Leitungen flitzenden Netzwerkpaketen fordert. Immerhin, von Strafen sieht man wenigstens (noch) ab und empfiehlt einzig das Blockieren von allem, auf dem irgendwelche Leute ein ausschließliches Verwertungsrecht besitzen.
So oder so: Gefiltert wird in jedem Fall und den Providern kommt hierbei im Prinzip nur die Rolle des Steigbügelhalters und Gehilfen der Content-Industrie zu, die sich auf diese Weise die Kontrolle über den Vertrieb sichern will. Wenig überraschend redet hierbei von den eigentlich Kreativen und tatsächlichen Urhebern im Prinzip niemand, außer zu Marketingzwecken, um den desinteressierten Deppen rund um den Globus neue Gesetze zu verkaufen. Dann müsste man sich ja auch der Frage stellen, warum man keinen Aufwand scheut, den Netzverkehr zu filtern, um Content zu blockieren oder Internet-Surfer zu bestrafen, nicht aber, um ein heruntergeladenes Musikstück gleich auf die Prividerrechnung zu setzen. Da mag es dann auch nicht mehr erstaune, dass die Diskussion quasi untereinander stattfindet: Für ein globales restriktives Filtersystem, das einzig von den Konzernen kontrollierte Inhalte passieren lässt, auf keinen Fall aber eines, welches die Kreativen in die Lage versetzt, direkten Kontakt mit ihrer Zielgruppe zu gewinnen.
Technisch jedenfalls sollte es kein Problem darstellen. Ist man in der Lage, ein Filtersystem zu etablieren, welches urheberrechtlich geschützte Werke blockiert, ist man theoretisch auch fähig, Musik, Texte, Filme und praktisch alles andere mit Markern zu versehen, die automatisch die Kasse klingeln lassen, wenn sie den Backbone dauerhaft Richtung Einzel-PC verlassen. Künstler und andere Kreative wie Musiker, Jornalisten und Schriftsteller wären nicht mehr auf die großen Konzerne und Verlage angewiesen und könnten ihre Produkte direkt anbieten, Filesharing wäre problemlos auch im großen Maßstab möglich und der Mittelstand könnte sich neue Industriezweige erschließen. Einzige Vorbedingung: Das Patent für einen derartigen Filter, der mit einem Bezahlsystem direkt beim Provider einhergeht, dürfte nicht der Wirtschaft gehören, sondern im öffentliches Eigentum sein – andernfalls tauchen die Wölfe von heute ab und als Provider wieder auf. [Uli Bruegmann, Gutenburger]