Online-Durchsuchung: BKA und Innenministerium werfen neue Nebelkerzen
Unlängst hatte BKA-Boss Jörg Ziercke dem Computermagazin Chip geflüstert, die Computerdurchsuchungen in privaten Wohnungen sollten durch zwei aufeinanderfolgende Einbrüche gefingert werden. Später zog das BKA diese Darstellung als “nicht autorisiert” zurück.
Die Tagesschau berichtet jetzt von Plänen des Innenministeriums, Trojaner über E-Mails von Behörden zu verteilen und fragt: Bundestrojaner per Mail vom Finanzamt? Ein Vermerk des Ministeriums besage: “Das Versenden von E-Mails unter dem Namen einer anderen Behörde” könne in begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.
Dem Stern wiederum erzählte Ziercke, es gehe nur um fünf bis maximal zehn solche “Maßnahmen” im Jahr. Mehr habe man doch gar nicht vor. Und wie kommt die Schnüffelsoftware auf den PC? Auf diese Frage schwurbelt Ziercke wieder rum: “Da gibt es viele Möglichkleiten.” Es sei auch möglich, “die Software online über das Internet auf den Computer aufzuspielen”.
Netzpolitik.org wurden Dokumente zugespielt mit zuvor nicht veröffentlichten Aussagen des Bundesinnenministeriums. Die Online-Durchsuchung bezieht sich auf “informationstechnische Systeme”, und das definiert Schnüffel-Schäubles Ministerium bewusst umfassend:
“Der Begriff ‘informationstechnisches System’ wurde bewusst weit gewählt, um der derzeitigen und zukünftigen technischen Entwicklung Rechnung tragen zu können. Darunter wird ein System verstanden, welches aus Hard- und Software sowie aus Daten besteht, das der Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Übertragung und Anzeige von Informationen und Daten dient.”
Womit dann jeder MP3-Player und jeder vernetzte Kühlschrank gemeint sein könnte. Ach ja, und selbst das Internet sei “im Sinne der obigen Definition” ein informationstechnisches System. Das aber wolle man nicht komplett durchsuchen, weil es weder technisch noch organisatorisch auf die Reihe zu bekommen sei.
Das BKA stellte inzwischen einer Arbeitsgruppe der regierenden Koalition die Software für die Online-Durchsuchung vor. Die wiederum noch gar nicht ausgereift ist, wie die BKA-“Fachleute” bei diesem Treffen deutlich machten. Und betonten, es werde mit Hochdruck daran gearbeitet. Immerhin hat das Schnüffelprogramm schon einen Namen, nämlich “Remote Forensic Software” (RFS).
An der rechtlichen Verwertbarkeit der damit erzielten Untersuchungsergebnisse bestehen zudem erhebliche Zweifel. Das BKA sei “sehr blauäugig” an die Online-Durchsuchungen herangegangen, so Informatik-Professor Andreas Pfitzmann von der Technischen Universität Dresden, denn: “Schon die Installation der Spähsoftware würde aber das Zielsystem verändern.” Und damit stelle sich in jedem Fall die Frage, wie gerichtsfest derart ausgespähte Daten sind.
Fazit: Viel Vaporware um nichts. Es geht den Befürwortern der “Online-Durchsuchung” vor allem um eines: ein großes schwarzes Loch ins Grundgesetz zu brennen.
(bk)