Digitaler Ticketservice bei der Bahn
Online-Tickets – viel Lärm um Nichts

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Bahn – Vermeintlich modern

Digitaler Ticketservice bei der Bahn

Die Bahn ist modern: Noch zehn Minuten vor Abfahrt eines Zuges kann man bei ihr seit einiger Zeit Online-Tickets erwerben. Der Vorgang ist einfach: Zuerst als Kunde registrieren, die persönlichen Daten hinterlegen, Zahlungsdetails bestimmen und danach können Tickets per Computer oder Handy einfach online von überall gekauft werden. So die Theorie. Denn der aktuelle Bahn-Werbeslogan “Deutschland erleben? kann auch auf ganz andere Erlebnisse hinweisen:

Von überall kaufen geht durchaus, selbst direkt auf dem Bahnsteig: Mit dem Handy in das WAP-Portal der Bahn oder mit dem Laptop und einer UMTS-Karte auf der Bahn-Website einloggen klappt beides. Auch die passende Verbindung heraussuchen, persönliche Kennwörter eingeben, Buchung bestätigen sind kein Problem. Sofort danach kommt eine Datamatrix als Ticket auf das Display. Beim Handy als MMS, beim Laptop eingebunden in ein PDF, das auf den Rechner geladen werden muss. Und ist alles gut?

Mitnichten: Trotz identischer Kommunikationswege und der Darstellung der Ticket-ID als Datamatrix auf einem Display ist das Ticket auf dem Laptop ungültig. Damit es genutzt werden kann, muss man es nämlich ausdrucken. Als Begründung für diese absurd anmutende Forderung erklärte ein Bahnkontrolleur auf dem Weg von München nach Hannover: “Wie soll ich denn Ihr Laptop stempeln?? Wie das mit meinem Handy geklappt hätte, ließ der freundliche Herr leider offen.

Eine Kollegin von ihm erklärte im ICE von Hannover nach Berlin lapidar, das sei die Vorschrift. Die stehe auf jedem Online-Ticket und natürlich in den Vertragsbedingungen der Bahn. Die Vertragsbedingungen werden vermutlich ebenso intensiv studiert wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, besonders wenn die Zeit drängt.

Ausdrucken, aber wie?

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Bleibt der Hinweis zum zwingenden Ausdruck bei Buchung mit dem Computer. Es gibt ihn natürlich, aber wer online bucht, erfährt das so explizit erst, wenn die Buchung abgeschlossen ist. Zu Beginn der Buchung heißt es im Web lapidar “Online-Ticket (zum Selberausdrucken)?.

Beim Abschluss erklärt der erst von vier grauen Kästen am rechten Bildschrimrand: “Bitte denken sie daran, Ihr Online-Ticket gut leserlich auszudrucken (kein Tonerspar-Modus), um die Lesbarkeit des Barcodes zu gewährleisten.? Die übrigen drei Kästen sind Werbung. Auf dem Ticket selbst steht oben: “Bitte auf A4 ausdrucken!?

Was sich alles liest wie “kann man machen?, heißt im Klartext “müssen?. Das deutlich zu machen, gibt sich die Bahn offenbar nicht viel Mühe. Einzig die erste von sechs Fußnoten im Kleingedruckten des fertigen PDF-Tickets klärt eindeutig auf: “Die Fahrkarte muss ausgedruckt vorliegen?, heißt es da reichlich spät.

Einzusehen ist das dennoch nicht: Sowohl das Handy- wie das Laptop-Ticket lassen sich anstandslos scannen und mit der zur Buchung verwendeten Bahn- oder Kreditkarte verifizieren. Das habe ich mehrfach in verschiedenen Zügen mit freundlichen Schaffnern ausprobiert. Damit wäre die Gültigkeit der Computerdarstellung belegt. Dennoch bleibt das, war bei dem einen kleinen Handy-Display ganz normal ist, bei dem großen Laptop-Display verboten.

Von Technokraten beherrscht

Digitaler Ticketservice bei der Bahn

“Online-Ticket bedeute nicht Laptop-Ticket, sondern dass die Buchung online getätigt werden kann?, versucht Daniela Bals, Pressesprecherin für Personenverkehr bei der Bahn, die Wahrnehmung zu kanalisieren. Nicht nur Reisende mit Laptop nutzten es. Auch Geschäftsreisende, die es im Vorzimmer ausgedruckt bekommen, gehörten zu den Kunden. Dazu sei das Online-Ticket für den PC älter und habe am Anfang gar keinen Datamatrix-Code gehabt. “Die Zugbegleiter haben in der zuerst eine codierte Ziffernfolge von dem Ticket in Ihren Terminal eintippen müssen?, blickt Bals zurück.

Bei der Einführung der Handytickets im September vergangenen Jahres gab es bereits die Scanner der neuesten Generation. Da sie wesentliche feiner auslösen, war ein Ausdruck nicht mehr nötig. Und vom Handy natürlich auch nicht möglich. Trotzdem: Display ist nicht gleich Display. Die Tradition des Online-Tickets für Computer gebietet es offenbar, zusätzlich zum Display des portablen Gerätes einen papierenen Zeugen der berechtigten Mitfahrt bei sich zu führen.

“Die Bahn ist nach wie vor von Technokraten beherrscht?, erbost sich Dr. Hartmut Buyken, Pressesprecher vom Fahrgastverband ProBahn. Dass ein Angebot auf dem Handy akzeptiert wird, auf dem Laptop dagegen nicht, sei nicht einzusehen. “Entweder die Lösung geht auf beidem, oder man macht gar nichts?, so Buyken. Und: “Der Unterschied ist totaler Blödsinn.?

Bis der kleine Unterschied beseitigt ist, signalisiert die Bahn immerhin Kulanz, wenn einem Reisenden der Ausdruck des PDF-Tickets abhanden kommt oder beim Handy die Batterie ausfällt. Zwar stellt der Schaffner dann eine so genannte Fahrpreis-Nacherhebung aus, für die noch einmal der reguläre Fahrpreis entrichtet werden muss. “Schickt man uns diese zusammen mit dem Online-Ticket, das auch für ein Handyticket im Web hinterlegt ist, bekommt der Reisende den zweiten Fahrpreis abzüglich einer Bearbeitungsgebühr zurück erstattet?, versichert Pressesprecherin Bals. Ein kleiner Trost. Und vielleicht gibt es doch noch eine Perspektive: “Es ist eine Überlegung wert, bei der entsprechenden Stelle anzuregen, auch Laptop-Displays scannen zu lassen?, sagt Bals. Mal schauen, ob dort jemand anruft. (Tom Semmler/mto/mk)

Bilder: 2007 JupiterImages Corporation

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