Erzbischof: Callcenter bringen Sittenverfall nach Indien
Bernard Moras ist als Erzbischof für 500.000 Christen in der Stadt Bengaluru und damit eigentlich auch für die Verbreitung bestimmter abendländischer Werte zuständig. Die Callcenter aber bringen auch westliche Werte in das moralisch konservative Land, die ihm überhaupt nicht gefallen.
Die Mitarbeiter der Callcenter werden auf westliche Lebensart getrimmt, leben in einer künstlichen Welt, um telefonischen Support unter anderem für amerikanische Computerfirmen zu leisten. Damit sie sich auch am Telefon möglichst amerikanisch anhören, wenn sie einem hilflosen Benutzer erklären, wie ihr Drucker vielleicht wieder drucken könnte, werden sie sogar durch den Konsum von US-Fernsehserien in der Originalversion in die amerikanische Lebensart eingeführt.
Indische Boulevardzeitungen stricken aus dem nicht ganz so traditionellen Leben in den Callcenters ein echtes Sodom und Gomorrha. Sie berichten von Toiletten, die durch Kondome verstopft sind, und von aufputschenden Drogen, die die Telefonisten während ihrer Nachtschichten einwerfen. Ähnliche Schrecknisse sieht auch Erzbischof Moras bei den global Beschäftigten:
“Viele haben mir von spirituellen Problemen berichtet. Mädchen kommen zu mir und sagen: ‘Ich habe mich mit einem Jungen befreundet und falsch verhalten. Mein Herz und mein Verstand sind sehr bedrückt.'”
Genauer konnte oder wollte er es wohl nicht aussprechen, und schon gar nicht die Sache mit den Kondomen.
Die jungen Mitarbeiter der Callcenter verdienen bis zu 20.000 Rupien (350 Euro) und damit zehnmal mehr als das durchschnittliche Einkommen in Indien. Die so gewonnene Unabhängigkeit sehen ihre Mitbürger und auch ihre eigenen Eltern mit anderen Augen.
“Callcenter werden jetzt so ähnlich wie Rotlicht-Bezirke eingeschätzt”, erklärt der Anthropologe Shiv Visvanathan. “Selbst die Bezeichnung Callcenter lässt an Callgirls denken.”
Ruf! mich! an! (Nick Farrell/bk)