Kunden im E-Commerce wirklich begeistern: So geht’s

Online-Handel

Man kann es kaum oft genug wiederholen: In einer Zeit, in der E-Commerce so allgegenwärtig geworden ist, stellt die reine Möglichkeit der Online-Bestellung keine Besonderheit mehr dar. Außerdem sind die meisten Kunden durch die Vorgehensweisen der ganz Großen in der Branche bereits einige Annehmlichkeiten gewohnt. Wer heute seine Zielgruppe wirklich begeistern will, muss deshalb mehr liefern als bloß die von allen erwarteten Standards – und dazu gehört bereits eine extrem schnelle Lieferung mit ausschließlich fair berechneten Liefergebühren.

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1. Realistische und nachvollziehbare Abmessungen und Größen

Das umfassende Thema Bekleidung gehört zu den ältesten und bis heute umsatzstärksten Triebmotoren im gesamten E-Commerce – nur Elektronik/Elektro erwirtschaftet noch mehr.

Diesbezüglich dürften jedoch die meisten Leser dieser Zeilen eine Negativerfahrung bereits selbst erlebt haben: Die oft verwendeten Größenangaben im Stil von S, M, L, 36, 38, 40 et cetera. Das Problem an ihnen ist die Definitionslosigkeit der Zahlen und Buchstaben.

Zwar gibt es für die EU eine offizielle Umrechnungstabelle, bloß hält sich gerade außerhalb der EU längst nicht jeder daran. Teils wirken die Werte sogar völlig zufällig. Eine deutsche Größe 40 etwa ist in Italien meist eine 44; eine italienische 42 hingegen eine französische 38 – und eine deutsche 36.

Noch dramatischer ist nur der Unterschied bei den Buchstabengrößen: Ein chinesisches XL-Shirt entspricht nicht selten einem europäischen M oder ist sogar noch kleiner.

Daraus ergehen zwei Maßgaben, um seine Kunden zu begeistern:

  1. Es sollten auf jeder Produktseite und für jede Größe den exakten, vom Händler nachgemessenen, Werten entsprechende Angaben in Zentimetern stehen. So kann jeder Kunde vor dem Kauf selbst zuhause messen, ob der Bund weit genug ist oder der Brustumfang genügt.
  2. Eine zentrale (ebenfalls von allen Produktseiten erreichbare) Größentabelle sollte es nur dann geben, wenn entweder alle im Shop Stücke aus eigener Produktion stammen oder nur von einem einzigen Zulieferer – nur dann ist eine Gleichheit der Angaben gewährleistet. Bereits ein weiterer Zulieferer kann seine Größen anders berechnen und dadurch die zentrale Tabelle hinfällig werden lassen

Natürlich bereitet das Nachmessen und Einpflegen Arbeit. Allerdings lohnt es sich nicht nur, um die Kunden zu begeistern. Denn als angenehmer Nebeneffekt wird die Retourenrate drastisch gesenkt – sie ist gerade bei Fashion die mit Abstand höchste im E-Commerce.

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2. Schnellste Kaufabwicklung

Manches, was Online-Händler wünschen, verläuft diametral zu den Kundenwünschen. Ein Beispiel von vielen ist die Verweildauer im Shop:

  • Der Händler wünscht eine möglichst lange Verweildauer, um die Chance auf größere Warenkörbe und somit Umsätze zu erhöhen.
  • Viele Kunden wollen jedoch ganz gezielt ein Produkt finden und kaufen, weil sie den Handel mit maximalem Tempo abschließen möchten.

Wer begeistern will, sollte letztgenanntem Wunsch den Vorzug geben. Das bedeutet nach vorherigem Log-In die Möglichkeit von One-Click-Buy. Also ein Button auf der Produktseite, der nicht erst den Umweg über den Warenkorb nimmt, sondern direkt zur Überprüfung der Adresse, der Kosten und gegebenenfalls der AGB führt – idealerweise alles auf einer Seite.

Alternativ kann diese Lösung sogar ohne Log-In realisiert werden. In diesem Fall finden sich auf den Produktseiten die Icons für die gängigsten Zahlungsdienstleister. Da die meisten User hier ihre Adressdaten hinterlegt haben, kann der Bestellprozess dadurch noch schneller werden – und es entfällt der für viele Kunden störende Zwang zum Anlegen eines Kontos.

Vielleicht kaufen solche Kunden dadurch beim einzelnen Kauf nicht mehr. Sie werden jedoch aufgrund des sehr rasanten Bestellprozesses wiederkehren.

3. Wirklich sichere Verpackungen

An einem normalen Tag im derzeitigen Deutschland werden allein via DHL ungefähr 5,2 Millionen Sendungen verschickt. Rechnet man die anderen Dienstleister hinzu, dann ergibt das eine wirklich gigantische Zahl. Sie wird nicht einmal merklich geringer, wenn man sich nur auf B2C-Sendungen konzentriert: 4,5 Milliarden Sendungen insgesamt anno 2021, zirka 83 Prozent, oder 3,8 Milliarden, davon B2C.

Die dahinterstehende Logistik ist extrem ausgeklügelt. Sie kann jedoch nicht garantieren, dass jedes Paket den Prozess unbeschadet durchläuft. Bloß ist am Ende stets der Händler in der Bredouille. Denn er muss sich mit einem erzürnten Kunden befassen, muss eine Retoure bearbeiten, muss eine neue Sendung vorbereiten.

Im Ergebnis sollten Händler alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um Warensendungen möglichst sicher zu verpacken. Das bedeutet:

  • Versandkartons aus besonders stabilem Material,
  • die Abmessungen exakt berechnet, um die Ware an allen sechs Seiten ausreichend polstern zu können,
  • Polstermaterial, das wirklich schützt und
  • keine falsche Sparsamkeit beim Klebeband.

Hier muss nicht zuletzt die neuerdings dramatisch gestiegene Leistungsfähigkeit in Sachen Digitaldruck und Kleinserienproduktion von Kartonagen einbezogen werden. Es ist dadurch heute deutlich leichter und günstiger, wirklich passende Versandkartons unterschiedlicher Formate zu bevorraten. Und dank dem erwähnten Digitaldruck erlaubt das dennoch ein aufsehenerregendes Verzieren ohne preisliche Einbußen.

Der angenehme Nebeneffekt: Es sind deutlich bedarfsgerechtere Materialkalkulationen möglich. Und Kunden werden mitunter niemals in die Verlegenheit kommen, ein beschädigtes Paket in Empfang nehmen zu müssen.

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4. Zurückhaltende Chat-Funktionen

Eine in den Shop integrierte Chat-Funktion ist per se eine sehr gute Möglichkeit, auf niedrigschwelligem Niveau typische Kundenfragen zu beantworten. Das macht nicht zuletzt Kaufabschlüsse wahrscheinlicher. Werden dafür Bots genutzt, machen die Funktionen sogar Personal frei für wichtigere Aufgaben.

Allerdings ist die Praxis vieler Händler das Gegenteil von dem, was eine Mehrheit aller Kunden wünscht. Wenn schon auf der Startseite und dann gegebenenfalls auf jeder Produktseite automatisch die Chat-Funktion aufpoppt, dann empfinden weit mehr als die Hälfte aller Online-Käufer das als kaum hilfreich bis stark störend.

Hier sollten Händler, die es bis jetzt so handhaben, unbedingt nachbessern. Eine ständige Sichtbarkeit der Chat-Option muss zwar gegeben sein. Dafür genügt es aber bereits, an der typischen Stelle unten rechts einen über dem Seiteninhalt schwebenden Button zu integrieren. Erst, wenn ein Kunde ihn anklickt, öffnet sich das Chat-Fenster.

5. Verpackungen mit Mehrwert

2020 legte ein südkoreanischer Elektronikhersteller seinen Fernsehgeräten eine Bauanleitung in die Verpackung. Darauf war zu sehen, wie sich aus dem Karton der Geräte Zeitungsständer, Katzenhäuser oder andere Möbel basteln ließen – mit äußerst wenig Aufwand.

Die Begeisterungsstürme auf den großen Social-Media-Portalen ließen erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Dabei ist die Idee an sich völlig naheliegend.

Wir leben heute in einer Zeit, in der immer mehr Menschen Müllvermeidung betreiben möchten; nicht zuletzt durch Upcycling. Und sowieso erfreuen sich Nutzgegenstände aus fester Pappe schon seit einigen Jahren steigender Beliebtheit.

Es braucht für gewiefte E-Commerce-Treibende nur wenig, um ihre Kunden ähnlich zu begeistern:

  1. Robuste Versandkartons – was beim Befolgen von Tipp Nr. 3 sowieso gegeben ist.
  2. Zündende Ideen für möglichst simple Gegenstände, die sich aus der jeweils dem Kunden zur Verfügung stehenden Kartonmenge anfertigen lassen.
  3. Die Fähigkeit, das in eine Bauanleitung zu übertragen.
  4. Einen Kartonagen-Partner, der nötigenfalls die Ausschneid- und Faltlinien sowie Grafiken auf den Karton drucken kann.

Letzten Endes sind also nur etwas Kreativität, grafische Fähigkeiten und Eigenleistung gefordert. Selbst, wenn nicht jeder Kunde solch ein Angebot nutzen wird, so werden doch die meisten den dahinterstehenden Gedanken erkennen und zu würdigen wissen.

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6. Augmented Reality

Selbst die schönsten Produktbilder und besten Videos können einen Nachteil des E-Commerce nicht gänzlich ausgleichen: Diese Medien können einfach nicht zeigen, wie ein Produkt am Kunden selbst oder bei ihm zuhause wirkt. Zumindest bei ersterem hat deshalb der stationäre Handel immer noch einen kleinen Vorsprung.

Wer allerdings clever vorgeht, kann diesen Vorsprung bei einer ganzen Reihe von Produktkategorien völlig zunichtemachen:

  • Alles, was am Körper getragen wird – zwischen Hüten und Schuhen.
  • Möbel und Einrichtungsgegenstände jeglicher Art.
  • Dekorative Gegenstände wie beispielsweise Gemälde, aber auch Wandfarben, Fußbodenbeläge und Ähnliches.
  • Bettwaren sowie vergleichbare Haushalts-Accessoires.
  • Elektrik und Elektronik vom Lichtschalter über den Computer-Bildschirm bis zum Autoradio.

All das lässt sich mittlerweile via Augmented Reality (AR) in Bild oder Video auf vom Kunden zur Verfügung gestellte Medien überlagen. Beispielsweise kann ein potenzieller Käufer ein vom Händler zur Verfügung gestelltes 3D-Modell eines Fernsehers auf diese Weise bei sich zuhause virtuell auf dem TV-Möbel positionieren – dafür genügt sein Smartphone.

Naturgemäß ist diese Technik aufwendig und kostet Geld. Alle Produkte (und ihre angebotenen Varianten) müssen entsprechend gescannt werden. Es müssen gegebenenfalls Apps programmiert werden.

Dann aber winkt gleich ein doppeltes Ziel: Sehr zufriedene Kunden und die Möglichkeit, zu den early Adoptern dieser Technik zu zählen. Bislang wird sie nämlich nur von den ganz Großen des globalen Handels eingesetzt – etwa bei sehr großen Einrichtungsketten oder den Herstellern von Wandfarben.

Da sich jedoch die Preise im steten Sinkflug befinden, werden in den kommenden Jahren immer mehr Händler auf diesen Zug aufspringen. Jetzt ist also die beste Gelegenheit, frühzeitig mitzumachen und Kunden von sich zu überzeugen.

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