Herausforderungen für Gutachter im Digitalisierungs-Dschungel

Automatisierung

Eine der letzten Bastionen, die nicht automatisiert werden können – so schätzen viele Menschen die Arbeit eines Immobiliengutachters ein. Reine Automatisierung ist längst nicht die einzige Veränderung, die der klassischen Arbeit eines Immobiliengutachters gegenübersteht.

© Pexels.com, Mauricio Mascaro

Ergo stellt sich die Frage: Wie werden neue Technologien wie künstliche Intelligenz und Datenanalyse das Berufsfeld der Immobiliengutachter verändern?

Die Digitalisierung verändert das Berufsbild des Immobiliengutachters, so sind sich Experten sicher. Viele Autoren, die sich damit befassen, prognostizieren, dass zukünftige Technologien die Präzision und Effizienz der architektonischen Wertermittlung erhöhen werden. So wird die Interaktion mit den Technologien hinter den Tools zunehmen, in der Folge werden Gutachter mehr zu Beratern für Banken und Investoren.

Der Status Quo: Online-Tools zur Immobilienbewertung werden immer leistungsfähiger

Es gibt eine Reihe von Online-Tools die versprechen, den Immobilienwert auf Knopfdruck zu ermitteln – ohne dass der Gutachter jemals den Ort besucht hat. Ist dies die Zukunft der Immobilienbewertung? Wird der Immobiliensachverständige durch künstliche Intelligenz ersetzt?

Sicher nicht – dennoch gibt es inzwischen eine große Zahl sogenannter PropTechs, die sich bereits erfolgreich mit der automatisierten Immobilienbewertung beschäftigen. Sie heißen Realxdata oder Archilyse.

Archilyse beispielsweise, ein PropTech-Startup aus der Schweiz, verarbeitet Adressen und vorhandene Grundrisse (als 2D-Bilder oder IFC-Modelle) von Immobilienportfolios oder Gutachtern zu Simulationen und Berechnungen von rund 300 Merkmalen. Die über eine API zugänglichen Ergebnisse werden dann zur Schärfung der statistischen Bewertungsmodelle verwendet. Zu den zusätzlichen Datenpunkten, die Archilyse liefert, gehören z. B. Ansichtsanalysen von Adressen oder Entfernungen zu Points of Interest. Die Vorteile für Gutachter sind zweifach: Einerseits wird durch die Bereitstellung qualitativer und semantischer Merkmale die Verzerrung reduziert, andererseits wird durch die Verfügbarkeit neuer Merkmale die Flexibilität des Modells erhöht. Pilotstudien mit einem externen Wirtschaftsprüfer haben gezeigt, dass die zur Verfügung gestellten Funktionen die Genauigkeit und Präzision ihrer Bewertungsmodelle drastisch verbessern konnten, während der Bewertungsprozess zudem vollständig automatisiert werden kann.

Das Potential digitaler Tools für die Immobilienbewertung

Dass Big Data und künstliche Intelligenz in Zukunft eine große Rolle spielen werden, ist laut einhelliger Meinung von Experten so gut wie sicher. Viele Prognosen besagen, dass gerade im Bereich der Immobilienbewertung die Digitalisierung großes Potenzial bietet. Denn sie ermöglicht es, große Datenmengen zu verarbeiten und in hoher Geschwindigkeit Ergebnisse zu produzieren, Prognosen über drei bis fünf Jahre zu erstellen und den Marktwert auch für große Portfolios zu prognostizieren.

Warum der Gutachter nicht überflüssig wird

Trotz aller neuen Technologien und Entwicklungen werden die Kernaufgaben eines Gutachters jedoch die gleichen bleiben: Daten sammeln, analysieren und den Marktwert ermitteln. Auch die gesetzlichen Vorgaben zur Wertermittlung geben den Rahmen vor und schränken den Einsatz digitalisierter Bewertungen ein. Allerdings wird die Herangehensweise an die einzelnen Arbeitsaufgaben einen zusätzlichen fachlichen Schwerpunkt bekommen, der von den zukünftigen und alteingesessenen Gutachtern nicht nur angewendet, sondern auch verstanden werden muss. Das klassische immobilienwirtschaftliche Portfolio an Skills wird nach Meinung vieler Experten zukünftig nicht mehr ausreichen.

Künftig wird es unabdingbar sein, die Daten nicht nur zu nutzen, sondern sie auch vorab zu validieren, die Quellen zu hinterfragen und damit die Qualität der Daten einzuschätzen. Die Qualität der Datenbasis, die durch ein Tool ausgewertet werden kann, wird oft nicht offengelegt. Denn es macht einen Unterschied, ob tatsächliche Verkaufspreise oder nur Angebotspreise als Input dienen und ob diese aus den letzten sechs Monaten oder aus den letzten drei Jahren stammen.

Experten schätzen, dass in etwa zehn bis fünfzehn Jahren dank der Verfügbarkeit kompletter BIM-Modelle noch mehr Daten zur Immobilie auf Knopfdruck verfügbar sein werden. Damit werden die Datensätze um einige wichtige Fakten ergänzt. Die Aufgabe des Gutachters wird es dann sein, diese Daten zu verifizieren.

Technische und methodische Fähigkeiten zur Analyse von Daten

Neben der Datenerfassung besteht die große Herausforderung in der Analyse der Daten, die immer mehr zu einem technischen Prozess wird. Maschinen können mit großen Datenmengen schneller und präziser umgehen.

Es reicht jedoch nicht aus, lediglich Daten in einen Computer einzugeben. Methodische Kompetenz in der Datenanalyse und ein gewisses Verständnis für die Funktionsweise von Algorithmen sind unabdingbar. Der Gutachter muss nicht selbst rechnen können, aber er muss verstehen, was im Rahmen der Berechnungen passiert. Nur so kann der Mensch der Maschine sagen, was sie tun soll.

Den Marktwert zu ermitteln, ist letztlich die Schlüsselkompetenz des Gutachters. Denn dafür zählen nicht nur die sichtbaren Fakten. Eine gute Marktwahrnehmung und die Einschätzung von nicht rationalisierbaren Faktoren spielen hier eine wichtige Rolle. Gerade im Bereich der Standardimmobilien, wie z. B. bei privat genutzten Immobilien, werden bereits digitale Tools eingesetzt. Viele Banken orientieren sich bei der Finanzierung oft an den groben Schätzungen der Computer. In anderen Ländern, wo die Transaktionsdaten auf dem Wohnungsmarkt transparenter sind, erfolgt die Bewertung bereits vollautomatisch. In Deutschland hingegen ist die Datenlage noch sehr undurchsichtig.

 

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