Filesharing-Urteil: Anschlussinhaber haftet nicht grundsätzlich für WG-Mitbewohner
Das hat das Landgericht Flensburg in einem Berufungsverfahren nun entschieden. Das Gericht geht davon aus, dass innerhalb einer WG der Internetzugang zur Verfügung gestellt und geteilt wird. Ihm zufolge ist das “sozial adäquat und gehört zum erlaubten Risiko.”
In dem trotz mehrerer Urteile des Bundesgerichtshofs immer noch nicht ganz geklärten Fragenkomplex, wer wann für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing verantwortlich zu machen ist, hat jetzt ein Urteil des Landgerichts Flensburg weitere Erkenntnisse gebracht. Es ging dabei um die Frage, ob in einer Wohngemeinschaft per se der Anschlussinhaber haftet. Das Gericht kommt in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass das nicht der Fall ist (Aktenzeichen 8 S 48/15 – (PDF)). Darauf hat Anwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke hingewiesen.
In dem Verfahren wurde der Anschlussinhaber für das Teilen eines Films auf Schadensersatz in Höhe von 500 Euro verklagt. Er konnte jedoch vor Gericht glaubhaft vortragen, dass sein damaliger WG-Mitbewohner ebenso wie er selbst als Täter in Frage kommt. Damit, so das Gericht, habe der Anschlussinhaber laut Gericht seine sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ erfüllt. Ist dies der Fall, muss die Gegenseite beweisen, dass tatsächlich der Anschlussinhaber der Täter ist. Kann sie dies nicht, müsse die Klage abgewiesen werden, so das Flensburger Gericht.
Dass innerhalb einer WG Internetverbindungen zur Verfügung gestellt und geteilt werden, ist laut Gericht „sozial adäquat und gehöre zum erlaubten Risiko, solange der Anschlussinhaber keine begründeten Zweifel an der rechtmäßigen Benutzung durch seine Mitbewohner hat.“ Eine Belehrung und Überwachung sei bei volljährigen Personen nicht notwendig. Damit schließt sich laut Anwalt Solmecke das Gericht der Auffassung des BGH an, der eine Belehrungs- und Überwachungspflicht ebenfalls nur bei minderjährigen Kindern annehme.
“Eine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht muss in diesen Konstellationen genauso verneint werden, wie bei volljährigen Kindern, die mit dem Anschlussinhaber in einem Haushalt leben. Bislang hat der BGH sich in Haftungsfragen noch nie explizit zu der Haftung innerhalb von Wohngemeinschaften geäußert, sodass hier noch eine große Unsicherheit besteht. Der Beschluss des Landgericht Flensburg ist ein erster Schritt in die richtige Richtung”, so Solmecke in einer Pressemitteilung.
Ein Urteil des Oberlandesgerichts München (Aktenzeichen 29 U 2593/15) hatte Mitte Januar die weitgehend geklärt geglaubte Rechtslage bei Filesharing beim Internetanaschluss einer Familie wieder verkompliziert. Das Oberlandesgericht München hatte damals erklärt, wenn die Eltern wissen, welches ihrer (volljährigen) Kinder für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, müssten sie das dem Gericht mitteilten oder andernfalls als Anschlussinhaber selbst haften. In dem Fall wurde von den Anwälten der Ureberrechtsinhaber eine Strafzahlung von 3544,40 Euro plus Zinsen gefordert.
In dem Verfahren hatten die Eltern eingeräumt, dass ihnen ein Geständnis des schuldigen Kindes vorliegt, sich aber geweigert zu verraten, um welches es sich handelt. Sie haben gegen das Münchener Urteil inzwischen beim Bundesgerichtshof Revision eingelegt. Wie die Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden mitgeteilt hat, die hinter dem Portal Abmahnhelfer.de steht, wird der Bundesgerichtshof das Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 19/16 voraussichtlich im kommenden Jahr verhandeln.
Ähnlich wie jetzt die Flensburger Richter urteilte übrigens bereits im März 2013 das Landgericht Köln (Aktenzeichen 14 O 320/12). Damals ging es um hunderte über den Anschluss einer WG getauschte Songs. Der Hauptmieter konnte allerdings nachweisen, dass er sich zur Tatzeit längere in einer anderen Stadt aufgehalten hatte und schied somit als Täter aus.
Die Kölner Richter entschieden zudem in Bezug auf die so genannte Störerhaftung, also ob der Hauptmieter allein deswegen haftet, weil der Internetanschluss auf ihn angemeldet ist, zu seinen Gunsten. “Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine anlasslosen Prüfungs- und Belehrungspflichten gegenüber seinen Untermietern, die nicht in seinem Haushalt wohnen.” Denn: “Prüfungs- und Kontrollpflichten vor Ort könnte der Hauptmieter, der die Räumlichkeiten und den Internetanschluss vollständig an die Untermieter überlässt, nicht erfüllen, wollte er nicht die im Rahmen des Mietverhältnisses geschuldete Unverletzlichkeit der Privatsphäre des Mieters verletzen.”