Urteil: Erben haben Anspruch auf Zugang zum Facebook-Account [Update]

Das hat das Landgericht Berlin entschieden. Es ging dabei um den Zugriff der Eltern einer minderjährigen Tochter auf deren Facebook-Konto. Die Facebook-Funktion „Gedenkzustand“ hat das Gericht als unrechtmäßig eingestuft.
In einem in Deutschland bislang einzigartigen Urteil hat das Landgericht Berlin entschieden (Aktenzeichen 20 O 172/15), dass Erben eines Facebook-Nutzers nach dessen Ableben Anspruch auf Zugang zum Account des Verstorbenen haben. Dies gilt zumindest in Bezug auf minderjährige Kinder.
Update, 31. Mai 2017, 16 Uhr 05: Die übergeorndete Instanz hat das Urteil des Landgerichts Berlin auf Antrag von Facebook heute gekippt. Nach Ansicht des Kammergerichts Berlin steht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation ihrer Tochter mit Dritten zu erhalten. Ausführliche Informationen dazu finden Sie bei der ITespresso-Schwestersite silicon.de.
“Das Urteil hat ein wichtiges und längst überfälliges Zeichen in Bezug auf den digitalen Nachlass gesetzt”, sagt der Kölner Anwalt Christian Solmecke, der jetzt auf das Urteil hingewiesen hat. “Die jetzt auch in Deutschland eingeführte Facebook-Funktion des Gedenkzustandes, wonach jeder Nutzer zu Lebzeiten einen Nachlasskontakt bestimmen kann, der sich um das Konto kümmert, dürfte mit diesem Urteil wohl überflüssig sein und wurde vom Gericht als unrechtmäßig eingestuft”, so Solmecke weiter.
In dem vor dem Landgericht Berlin verhandelten Verfahren hatten die Eltern eines 15-jährigen Mädchens nach deren Tod auf Zugang zum Facebook Konto ihrer Tochter geklagt. Sie besaßen zwar die Zugangsdaten, konnten jedoch auf das in den “Gedenkzustand” versetzte Konto nicht zugreifen. Da das Mädchen auf ungeklärte Weise umgekommen war, erhofften sich die Eltern jedoch durch den Zugriff auf das Konto klärende Hinweise.
Den AGB von Facebook zufolge können Nutzer selbst bestimmen, was nach ihrem Ableben mit ihrem Profil geschehen soll. Sie können dabei auswählen, ob das Konto vollständig gelöscht oder in den sogenannten “Gedenkzustand” versetzt werden soll. Ist letzteres der Fall, können Facebook-Kontakte weiterhin Erinnerungen des Verstorbenen teilen. Die Anmeldung über das Profil ist im Gedenkzustand allerdings nicht mehr möglich.

Nach Ansicht der Berliner Richter stellt diese Regelung jedoch eine unangemessene Benachteiligung der Erben dar. “Diese Entscheidung ist richtig”, findet Solmecke. “Das Facebook-Konto wird als digitales Gut nicht anders behandelt, als materielle Güter, die gesetzlich auf die Erben übergehen”. Denn zum Erbe gehörten grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Teile sowie alle nicht vermögensrechtlichen Werte. Laut Paragraf 1922 BGB gehen auch Daten wie digitale Zugangsdaten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über.
Dem Urteil aus Berlin zufolge soll der digitale Nachlass genauso behandelt werden, wie der analoge Nachlass. Solmecke vergleicht das mit einem Tagebuch: Das werde schließlich ebenfalls samt seinem Inhalt vererbt. Hier bestünde kein Unterschied zu dem Kommunikationsinhalt bei Facebook. Die früheren Facebook-Freunde der Verstorbenen müssen es dem Gericht zufolge hinnehmen, dass die Erben nun Zugriff auf die gesamte bislang geschützte Kommunikation erhalten.
Laut Solmecke, der sich bereits früher ausführlich mit dem Thema beschäftigt hat (PDF), stellt die Entscheidung “einen wichtigen Meilenstein für das sehr aktuelle und wichtige Thema des digitalen Nachlasses” dar. Allerdings sei noch unklar, ob die Entscheidung auch auf volljährige Facebook-Nutzer übertragbar ist.