Google-Suche könnte künftig Gott spielen

Der Leiter von Googles Suchsparte hat erstmals öffentlich eingeräumt, dass es Nutzern möglich sein sollte, persönliche Informationen aus den Suchergebnissen löschen zu lassen. Als ein Beispiel für eine mögliche Löschung nannte er “Jugendsünden”, nicht in Frage kämen dagegen Prozesse zu ärztlichen Kunstfehlern. Bei allem dazwischen greift dann wohl Google dem Jüngsten Gericht vor.
Amit Singhal, der Leiter von Googles Suchsparte, hat auf der Technologiekonferenz Code Mobil in Kalifornien erstmals öffentlich eingeräumt, dass Nutzer das Recht zustehen sollte, bestimmte persönliche Informationen aus den Suchergebnissen löschen zu lassen. Singhal sagte, er sei der Ansicht, dass Wege gefunden werden sollten, das möglich zu machen. Damit geht er – und möglicherweise auch der ganze Google-Konzern – einen Schritt auf Datenschützer insbesondere in Europa zu.
Mit ihnen streitet der Konzern derzeit über die Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs von Mai 2014. Google will die damit verlangte Löschung von beanstandeten Links aus der Liste seiner Suchtreffer nur auf europäische Domains anwenden. Dagegen verlangt die französische Datenschutzbehörde CNIL, dass beanstandete Links auch anderswo – also etwa bei Google.com – aus den Suchresultaten entfernt werden. Google wehrt sich damit, dass es darauf hinweist, dass es zahllose Beispiele für Inhalte gebe, die in einem Land legal, in einem anderen jedoch verboten seien.
Singhal schränkte das nun gemachte, vage Zugeständnis aber gleich wieder ein. Er will dieses Recht auf Vorkommnisse wie “Jugendsünden” beschränken. Für “Wichtige Ereignisse” aus der Vergangenheit will er keine Löschmöglichkeit einführen. Als Beispiel für ein Ereignis, das seiner Ansicht nach nicht gelöscht werden sollte, nannte er Links zu Beiträgen über Prozesse zu ärztlichen Kunstfehlern.
Laut Singhal sollten Menschen jedoch nicht in der Lage sein, ihre Vergangenheit zu löschen. Darüber, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, was gelöscht werden kann und was nicht, beziehungsweise, wo die Grenze verläuft, machte der Manager keine Angaben. Selbst wenn Google bestimmte Löschanträge weltweit umsetzt, dürfte dieser Aspekt aufgrund weltweit unterschiedlicher Auffassungen zu Privatsphäre und Recht der Öffentlichkeit auf Informationen noch lange Zeit für viele Diskussionen sorgen.

Zu großzügig wird Google aber auch schon deshalb nicht sein wollen, weil es auch jetzt schon mit einer großen Anzahl an Löschanträgen zu tun hat. Wie der Konzern im Juli mitgeteilt hat, bekam er in den zwölf Monaten nach dem EuGH-Urteil bereits über eine Millionen Löschersuchen. Dem Transparenzbericht des Unternehmens zufolge wurden 58,7 Prozent der beanstandeten URLs entfernt, 41,3 Prozent sind dagegen weiterhin in den Suchergebnissen enthalten – wurden also als unberechtigt eingestuft.
Mit 58.457 Anfragen zu 197.593 URLs waren Nutzer aus Frankreich am eifrigsten. Aus Deutschland kamen 48.084 Anfragen zu 184.737 URLs. Davon hat Google 51,7 Prozent entfernt. Es folgen Großbritannien, Spanien und Italien mit 35.331, 26.485 respektive 21.203 Anfragen zu 138.735, 85.636 beziehungsweise 72.511 URLs. Die Links gingen am häufigsten zu Facebook.com (8016 URLs), Profileengine.com (6698 URLs), Youtube.com (4540 URLs), Groups.Google.com (4185 URLs), Plus.Google.com (3310 URLs), Twitter.com (3025 URLs) und der Personensuchmaschine Yasni.de (2868 URLs).

Im Oktober hatte die BBC gedroht, eine Liste der aus den Suchresultaten entfernten, zuvor auf Artikel von ihr verweisenden Suchtreffer zu veröffentlichen um das öffentliche “Recht auf Erinnern” zu unterstreichen. Es geht dabei um 46 BBC-Artikel. Google informiert Betreiber einer von einer Löschung betroffenen Website lediglich. Der BBC zufolge sind einige Löschentscheidungen aber zweifelhaft. Als Beispiel BBC-Redaktionsleiter David Jordan einen Beitrag über einen Prozess gegen Mitglieder der “Real Irish Republican Army”. Zwei der Angeklagten seien später rechtskräftig verurteilt worden.
Dass der Bericht nicht mehr in Googles Suchresultaten enthalten ist, ist nach Ansicht von Jordan angesichts des öffentlichen Interesses kaum zu rechtfertigen. Er forderte daher ein formelles Einspruchsverfahren. Betroffene Websites müssten von Google zudem mehr Informationen bekommen, darunter auch die Identität des Antragstellers.
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]

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