Filesharing: BGH gibt der Musikbranche dreimal Recht

Der Bundesgerichtshof hat heute drei Revisionen in Filesharing-Verfahren zurückgewiesen. Die Lehren für Anschlussinhaber: Die Beweislast für Fehler in der zur Adressermittlung eingesetzten Software liegt bei ihnen, sie sollten andere Personen nicht pauschal als mögliche Täter ausschließen und Eltern müssen Kinder nachweisbar belehren, damit sie nicht haften.
Die im Auftrag der Musikbranche tätigen Anwälte haben vor dem Bundesgerichtshof heute drei für sie wichtige Siege errungen. In allen drei Verfahren (Aktenzeichen I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14), die jeweils vor dem Landgericht Köln ihren Ausgang genommen hatten, wurde die Revision der Anschlussinhaber zurückgewiesen. Die drei Fälle unterscheiden sich, durch alle drei Urteile wird es aber künftig schwieriger werden, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung durch Filesharing zu wehren. Außerdem gab das Gericht bei der Höhe des angenommenene Schadens und der Höhe der Abmahnkosten der Musikbranche Recht.
Kläger waren in allen drei Fällen vier Hersteller von Tonträgern. Sie hatten das Softwareunternehmen proMedia beauftragt, dass mit seiner Software am 19. Juni, 19. August und 17. Dezember 2007 ermittelt hatte, dass unter anderem über die IP-Adressen der drei Beklagten eine Vielzahl von Musiktiteln zum Download angeboten wurden. In Ermittlungsverfahren wurden die jeweiligen IP-Adressen Internetanschlüssen zugewiesen. Deren Inhaber erhielten dann Abmahnungen mit Schadensersatzforderungen von insgesamt 3000 sowie der Forderung, die Abmahnkosten zu ersetzen. Die drei Beklagten verteidigten sich dagegen mit unterschiedlichen Argumenten und Strategien.
Im ersten Rechtsstreit (Aktenzeichen ZR 75/14) wurde die Arbeit des Softwareunternehmens angezweifelt. Die IP-Adresse könne ihm zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht zugewiesen gewesen sein, da er in Urlaub war und vor Antritt der Reise Router und Computer vom Stromnetz getrennt hatte. Das Oberlandesgericht Köln hielt das Verfahren des Softwareunternehmens jedoch für korrekt. Dass die Familie zur Tatzeit in Urlaub war, glaubte es nach deren Vernehmung nicht. Fazit: Der Anschlussinhaber muss für die Urheberrechtsverletzungen einstehen, weil ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht kommt.

Anwalt Johannes von Rüden kommentiert dieses Urteil in einer ersten Stellungnahme so: “Anschlussinhaber sollten nicht pauschal andere Personen als mögliche Täter ausschließen. Das kann nach hinten losgehen und auf den Anschlussinhaber zurückschlagen. Sich auf den Standpunkt zu stellen, es könne nur der Heilige Geist gewesen sein, zieht nicht.”
Auch im zweiten Verfahren (Aktenzeichen I ZR 19/14) zweifelte der Beklagte an, dass die Recherchen des Softwareunternehmens und die darauf erfolgte Auskunft des Internetproviders zweifelsfrei ihn als Täter ermitteln. Allerdings wurde hier im Laufe des Verfahrens festgestellt, dass der im Arbeitszimmer stehende Rechner eingeschaltet und mit dem Internet verbunden war. Die Ehefrau, verfügte nicht über Administratorenrechte und konnte damit keine Programme installieren. Dem 17-jährigen Sohn war das Passwort des von seinen Eltern beruflich genutzten Rechners nicht bekannt. Auch hier sah es das Oberlandesgericht als erwiesen an, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des Beklagten zum Download angeboten wurden, akzeptierte also die Ermittlungen des Softwareunternehmens als Beweis, und verdonnerte in Ermangelung anderer möglicher Täter den Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen geradezustehen.
Im dritten, heute vor dem BGH abschließen behandelten Verfahren (Aktenzeichen I ZR 7/14) war unzweifelhaft die Tochter der Anschlussinhaberin für Urheberrechtsverletzung verantwortlich. Diese hatte das gegenüber der Polizei auch zugegeben. Die Frage hier war nun, ob und wenn ja unter welchen Umständen Eltern dabei für ihre minderjährigen Kinder haften.
Laut Urteil des BGH greift grundsätzlich Paragraf 832, Absatz 1, Satz 1 des BGB Demnach ist die Aufsichtsperson für entstandenen Schaden verantwortlich. Ausnahme ist, “wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.“ Der Bundesgerichtshof legt die da erwähnte Aufsichtspflicht in Bezug auf den Internetzugang nun so aus, dass es normalerweise reicht, wenn Eltern ihr darüber belehren, dass es rechtswidrig ist an einer an Internettauschbörse teilzunehmen und ihm das verbieten. Sie sind nicht verpflichtet, die Internetnutzung des Kindes zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder den Zugang zum Internet durch technische Maßnahmen zu reglementieren – außer, wenn sie “konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt”. Dabei beruft sich der BGH auf ein früheres Urteil vom 15. November 2012 (Aktenzeichen I ZR 74/12).
In dem Fall, der nun verhandelt wurde, kam das Oberlandesgericht Köln jedoch nicht zu der Auffassung, dass die Tochter entsprechend belehrt wurde. “Eltern haften damit für ihre Kinder bei Urheberrechtsverletzungen über das Internet, wenn sie nicht beweisen können, ihre Kinder hinreichend aufgeklärt zu haben. Eine allgemeine Belehrung genügt nicht, sondern sie muss sich auf die Illegalität von Tauschbörsen beziehen. Zugleich muss den Sprösslingen die Teilnahme an solchen Angeboten ausdrücklich untersagt werden”, so Anwalt von Rüden zu dem Urteil.
Unabhängig von Details des verhandelten Sachverhalts ging es heute auch darum, wie wieviel Schadensersatz und in welcher Höhe Abmahnkosten von Nutzern verlangt werden kann, wenn ihnen vorgeworfen wird, Musik oder Filme über Tauschbörsen urheberrechtswidrig verbreitet zu haben. Auch hier fallen die Urteile des Bundesgerichtshofes im Sinne der Musikbranche aus, indem der Betrag von 200 Euro für jeden Musiktitel als „rechtsfehlerfrei“ bezeichnet wird. Außerdem bestätigt der BGH, dass der Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten zu Recht besteht und dessen Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet werden darf.
Im Vorfeld des Verfahrens hob Anwalt Christian Solmecke, dessen Kanzlei Wilde Beuger Solmecke in einem der Verfahren einen Anschlussinhaber vertreten hat, gerade diesen Punkt als bedeutsam heraus. “Gerade die Höhe des entstandenen Lizenzschadens beurteilen die Gerichte in Deutschland noch völlig unterschiedlich. Die angesetzten Schadenssummen schwanken – je nach Gericht – zwischen 10 und 200 Euro pro getauschtem Musikstück.”
Die von den Klägern angesetzten Abmahnkosten beliefen sich hier auf 3454 Euro, der Lizenzschaden für 15 getauschte Lieder auf 3000 Euro. Das Oberlandesgericht Köln hatte zwar den Lizenzschaden in voller Höhe bestätigt, die Abmahnkosten aber auf 878,65 Euro reduziert.
Von der Entscheidung des BGH ist Solmecke daher enttäuscht: “Der BGH hat heute klargestellt, dass 200 Euro Schadensersatz für ein Musikstück nicht zu hoch bemessen sind. Daran werden sich in Zukunft die Kläger und Gerichte orientieren. Was der BGH hier jedoch klar verkennt ist dass, die DSL-Upload-Raten der Nutzer im Durchschnitt bei Weitem nicht den massenhaften Tausch der Dateien erlauben und 200 Euro hier viel zu hoch angesetzt sind. Der hohe Schadensersatz entspricht hier nicht dem konkreten Schaden, der beim Tausch eines Liedes verursacht wird”.
Solmecke in einer esten Stellungnahme weiter: “Insgesamt kann hier von einem Rückschritt im Kampf gegen Massenabmahnungen gesprochen werden. In Zukunft wird die Musikindustrie mit noch mehr Eifer entsprechende Schreiben verschicken, um die rund 200 Euro pro getauschtem Musikstück zu kassieren”. Seiner Ansicht nach ist die Entscheidung des BGH zudem “völlig konträr zu den politischen Bestrebungen der Vergangenheit den Abmahnwahn einzudämmen.”