Quantencomputer: IBM-Forschern gelingt erstmals Quantenfehlerkorrektur
Wissenschaftlern des IBM Thomas J. Watson Research Centers ist es gelungen, einen Schaltkreis aus vier, in einem quadratischen Gitter angeordneten Quantenbits zu entwickeln. Damit stellten sie die kleinste, vollständige Einheit eines Quantencomputers mit Quantenfehlerkorrektur her, wie Nature Communications in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.
Dazu war es erforderlich, dass sich beide Arten von Quantenfehlern, so genannte Bit-flip- und Phase-flip-Fehler, die in Quantencomputern auftreten können, erkennen und messen lassen. Diese sogenannte Dekohärenz kann durch Wärme, elektromagnetische Strahlung oder Störstellen im Material verursacht werden und zu Rechenfehlern führt. Bisher konnte lediglich immer einer der beiden Fehler bestimmt werden, nicht jedoch beide gleichzeitig. Dies ist jedoch unabdingbar, um die Fehler zumindest kontrollieren oder sogar beseitigen zu können. Ansonsten ist laut IBM der Bau eines funktionsfähigen Quantencomputers undenkbar.
Im Gegensatz zu einem Bit, das entweder den Zustand 1 oder 0 hat, kann ein Quantenbit auch beide Zustände gleichzeitig annehmen. Dies wird als Superposition oder als 0+1 bezeichnet. Da beide Zustände 0 und 1 Phasenbeziehung miteinander haben ist das Vorzeichen dieser sogenannten Superposition wichtig. Allerdings können im Superpositionszustand der sogenannte Bit-Flip-Fehler, bei dem 0 und 1 vertauscht werden, sowie der Phase-Flip-Fehler auftreten, bei der das Vorzeichen umgewandelt wird.
Da alle aktuellen Qubit-Technologien durch Wechselwirkung mit Materie und elektromagnetischer Strahlung ihre Information verlieren, versuchen Forscher Informationen länger zu erhalten, in dem sie diese über viele Qubits verteilen. Lassen sich die Wechselwirkungen zwischen direkt benachbarten physischen Qubits kontrollieren, lässt sich auch ein logisches Qubit kodieren. Es wird dadurch ausreichend stabil, um fehlerfreie Operationen durchzuführen.
Vor etwa drei Jahren, haben es ebenfalls IBM-Forscher geschafft, mit einem einem “dreidimensionalen” supraleitenden Qubit (3D Qubit), die Quantenzustände der Qubits bis zu 100 Mikrosekunden zu erhalten. Das entsprach einer zwei- bis vierfachen Verbesserung gegenüber zuletzt berichteten Rekorden. Voraussetzung waren Temperaturen dicht über dem absoluten Nullpunkt. Damit hatten die Wissenschaftler die Voraussetzungen geschaffen, um wirksame Fehlerkorrektursysteme einzusetzen – die sie nun entwickelten.
Dazu haben die IBM-Wissenschaftler jetzt vier supraleitende Quantenbits (Qubits) auf einem rund ein Quadratzentimeter großen Chip in einem quadratischen Gitter verbunden. Die Anordnung in einem Viereck ist wichtig – hintereinander liegende Qubits verhinderten bisher nämlich die gleichzeitige Erkennung beider möglicher Fehlerarten. Außerdem bietet sie den Vorteil, dass sich weitere Qubits vergleichsweise einfach anschließen lassen, was den Bau größerer Recheneinheiten ermöglicht.
Die würden schnell eine derzeit nur schwer vorstellbare Rechenleistung entfalten: Ein Quantencomputer mit lediglich 50 logischen Qubits würde laut IBM jede Kombination aus Superrechnern der gegenwärtigen TOP-500-Liste übertreffen. Die sogenannten logischen Qubits sind durch Quantenfehlerkorrektur frei von Dekohärenz und werden durch mehrere physische Quibits codiert.
Zur Herstellung der Qubits werden Standardverfahren der Silizium-Halbleitertechnologie genutzt. Bei IBM geht man daher davon aus, dass sich die Quantenfehlerkorrektur auch in einem größeren Gitter aus Qubits demonstrieren lässt, sobald einige supraleitende Qubits verlässlich und in größerer Zahl gefertigt sowie mit niedriger Fehlerrate kontrolliert werden können.
“Quantencomputer haben das Potenzial, die computergestützten Wissenschaften zu transformieren“, sagt Arvind Krishna, Direktor von IBM Research. “Sie werden üblicherweise für die Kryptographie erforscht. Wir sehen jedoch auch ein bedeutendes Einsatzgebiet darin, bisher nicht lösbare Problemstellungen in der Physik oder Quantenchemie zu bearbeiten. Dies könnte etwa der Materialforschung oder Medikamentenentwicklung völlig neue Möglichkeiten eröffnen.”
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