Vorratsdatenspeicherung: Bundesbeauftragte für Datenschutz hält Gesetzentwurf für rechtswidrig

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat die geplante Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung als möglicherweise unvereinbar mit der Europäischen Grundrechtecharta bezeichnet. “Aus den nun vorgelegten Leitlinien lässt sich jedenfalls nicht erkennen, dass die in diesem Punkt sehr engen Vorgaben des Gerichtes berücksichtigt wurden”, teilte Andrea Voßhoff (CDU) mit.

Sie könne eine Beurteilung des Vorschlags sowie weiterer datenschutzrechtlicher Fragen allerdings erst vornehmen, wenn die Bundesregierung einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegt. Dieser müsse sich daran messen lassen, “ob und wie die vom Europäischen Gerichtshof aufgeworfene Problematik der anlasslosen Speicherung gelöst werden soll”. Vergangene Woche hatten Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) neue Richtlinien für die Vorratsdatenspeicherung präsentiert. Demnach sollen Telekommunikationsdaten nun noch maximal zehn Wochen gespeichert werden.
Die Vorratsdatenspeicherung wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt. Mit der aktuellen Neuformulierung versuchen es Innen- und Justizministerium noch einmal. Allerdings spricht man nun nicht mehr von Vorratsspeicherung, sondern von “Speicherverpflichtung und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten”.
Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Jahr die der Vorratsdatenspeicherung zu Grunde liegende europäische Richtlinie aufgehoben. Die Richter sahen in ihr einen Verstoß gegen elementare Grundrechte der Europäischen Grundrechtecharta. Konkret hieß es, dass die Massenüberwachung gegen Grundrechte verstoße und ein Gefühl der ständigen Überwachung erzeuge. Innenminister de Maizière geht dennoch davon aus, dass der aktuelle Vorschlag, der zusammen mit dem Justizministerium in den vergangenen Wochen ausgearbeitet wurde, die Vorgaben der Gerichte erfüllt.
Auch der Bitkom hat sich in der Debatte zu Wort gemeldet. “Es ist wichtig, dass ein Ausgleich zwischen dem hohen Gut der Freiheits- und Persönlichkeitsrechte einerseits und berechtigten Sicherheitsinteressen andererseits gefunden wird”, so Bitkom-Präsident Dieter Kempf. “Der vorliegende Vorschlag zeigt dabei auch klar Grenzen einer Vorratsdatenspeicherung auf. Letztlich brauchen wir aber eine europäische Lösung. Ein rein nationaler Ansatz belastet ausschließlich die in Deutschland tätigen Unternehmen und ist in Zeiten grenzüberschreitender Kriminalität und terroristischer Aktivitäten nur bedingt effektiv.”

Der eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. lehnt den neuen Vorschlag dagegen aus mehreren Gründen klar ab. “Die Leitlinien sind ein fauler Kompromiss. Trotz reduzierten Daten, Speicherfristen und Richtervorbehalt bleibt die Vorratsdatenspeicherung eine anlasslose Überwachung der Kommunikation der Bürger in der digitalen Welt. Sowohl technische als auch rechtliche Fragen bleiben unbeantwortet und die Unsicherheit der Unternehmen geht in die nächste Runde”, teilte Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht bei dem Verband mit.
Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) zeigte sich ebenfalls enttäuscht: “Wir haben gehofft, dass Justizminister Maas stark bleibt und eine anlasslose Datenspeicherung verhindert”, so BITMi-Präsident Oliver Grün in einer Pressemitteilung. “Mit dieser Einigung der beiden Minister auf die Leitlinien zur Höchstspeicherfrist wird der Vorratsdatenspeicherung nur ein neuer Name gegeben. An den Sachverhalten eines unsinnigen nationalen Alleingangs, eines Verbotes der Vorratsdatenspeicherung durch BGH und EuGH sowie an der nie nachgewiesenen Wirksamkeit ändert sich nichts”, so Grün weiter.
Die nun geplante differenzierte Speicherfrist – für Verkehrsdaten zehn Wochen und für Standortdaten vier Wochen – belaste insbesondere kleine und mittelständische IT-Unternehmen, die dazu verpflichtet werden, diese Daten quasi vorab auszuwerten und zu sortieren. Die vage Ankündigung einer Entschädigung auf Antrag durch das Bundesjustizministerium helfe nicht: Es bedeutet mehr Bürokratie für den Wirtschaftsstandort Deutschland und das ist schlecht”, so Grün kategorisch. Zudem bleibe unklar, welche Unternehmen oder Organisationen tatsächlich speichern sollen.
Der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz bezeichnete es gar als “sehr dreist”, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. “Sie stellt die Bevölkerung unter Generalverdacht. Die Vorratsdatenspeicherung kehrt einen wesentlichen Grundpfeiler unseres Rechtssystems, die Unschuldsvermutung um”, so Schulz weiter. “Einer Regierung die ihren Bürgen misstraut, kann man nicht vertrauen.”
[mit Material von Andre Borbe silicon.de]