Ablenkung beim Autofahren: Textnachrichten sind die größte Gefahr
Das Lesen und Schreiben von Textnachrichten auf Mobiltelefonen beim Autofahren ist die gefährlichste Ablenkung. Das hat Professor Mark Vollrath von der Technischen Universität Braunschweig in der ersten vergleichenden Studie zur Ablenkung durch Informations- und Kommunikationssysteme (IKS) beim Autofahren herausgefunden. Mobiltelefone galten schon vorher als eine der größten Gefahren im Straßenverkehr, jedoch bezog sich diese Einschätzung bisher vor allem auf Telefonieren am Steuer.
“Gegenüber dem Telefonieren werden beim Lesen und Schreiben von Textnachricht sowohl visuelle als auch motorische Fähigkeiten benötigt. Da längere Sinneinheiten produziert oder aufgenommen werden, ist der Blick verhältnismäßig lang auf dem Handydisplay und nicht auf der Straße, wo er hingehört”, erläutert Vollrath, Inhaber des Lehrstuhls für Ingenieur- und Verkehrspsychologie am Institut für Psychologie der TU Braunschweig.
In einer vergleichenden Studie im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer hat die Arbeitsgruppe um Vollrath 56 Einzelstudien aus den vergangenen 15 Jahren wissenschaftlich ausgewertet. Sie ermöglichen damit erstmals den systematischen Vergleich der Auswirkungen unterschiedlicher IKS auf die Konzentration der Fahrerinnen und Fahrern. Die Ergebnisse stellte Vollrath diese Woche auf dem 53. Verkehrsgerichtstag in Goslar vor.
In den untersuchten Studien wurden die einzelnen Ablenkungsszenarien im Fahrsimulator nachgestellt. Die Probanden wurden aufgefordert sich ausgiebig mit dem jeweiligen Informations- und Kommunikationssystem, sei es Autoradio, Smartphone oder Navigationssystem zu beschäftigen, ohne dabei das Fahren zu vernachlässigen. Nach einer weiteren Vergleichsfahrt ohne Ablenkung wurde bewertet, wie sich das Fahrverhalten verändert hat.
Die Testfahrer waren demnach am meisten durch das Lesen und Schreiben von SMS beeinträchtigt – dicht gefolgt vom einfachen Bedienen eines Smartphones oder des Navigationssystems. Radiosender einzustellen oder sich mit dem Beifahrer zu unterhalten, beeinträchtigte laut Studien erstaunlich wenig.
Um die Ergebnisse weiter einzuordnen, wurden sie mit der Alkoholwirkung beim Autofahren verglichen. Demnach ist SMS schreiben und lesen vergleichbar mit Fahren unter Alkoholeinfluss von 1,0 Promille, dicht gefolgt von Telefonieren und Titel auf Musikplayern suchen. Beide Tätigkeiten sind mit einem Alkoholisierungsgrad von 0,8 Promille vergleichbar. Einer Beeinträchtigung von 0,5 Promille, der aktuellen Promillegrenze, ähnelt es, wenn man den Bordcomputer bedient. Einen Radiosender während der Fahrt zu suchen, entspricht einer Alkoholisierung von 0,3 Promille und sei demnach unbedenklich. Die Autoren der Studie betonen, dass der Vergleich mit Vorsicht zu betrachten ist, da der Alkoholeinfluss dauerhafter nachwirkt und die Nebentätigkeit jederzeit unterbrochen werden kann.
Einen Aspekt, den die Braunschweiger Forscher nicht aufgegriffen haben, nahmen Experten der American Automobile Association (AAC), dem mit 46 Millionen Mitgliedern größten Verkehrsclub der USA, bereits im Herbst unter die Lupe: Sie untersuchten die Beeinträchtigung der Konzentration durch Systeme zur Sprachsteuerung in Autos. Dabei schnitt Apples Sprachassist Siri am schlechtesten ab. Aber auch durch andere Ansätzen sahen die Autoren der US-Studie beträchtliche Risiken durch Sprachsteuerung im Auto.
Die an der Untersuchung beteiligten Forscher der University of Utah nutzten mit Instrumenten ausgestattete Testfahrzeuge, um Pulsfrequenz und Reaktionszeit der Fahrer zu messen. stellten fest, dass insbesondere mangelnde Genauigkeit der Spracherkennung zu stärkerer Ablenkung führt. Zumdem wurde die Aufmerksamkeit der Fahrer stärker beansprucht, wenn sie Textnachrichten und E-Mails mit fahrzeugeigener Infotainment-Technik entwarfen, als wenn sie sich von den Systemen nur ankommende Nachrichten vorlesen ließen.