Touchscreens wegen frühkindlicher Bewegungsmuster so erfolgreich
Der Kunstpädagoge Professor Georg Peez von der Goethe-Universität Frankfurt am Main hat beobachtet, wie Bewegungsmuster von Kinder zwischen acht und 13 Monaten mit der Bedienung eines Touchscreens korrespondieren. Der Wissenschaftler unterscheidet vier Bewegungsmuster und illustriert das am Beispiel eines Kindes, das seinen Brei auf der Tischplatte verschmiert. Das Kind nimmt zunächst vorsichtig Kontakt mit dem weichen Material auf und taucht den Zeigefinger ein.
“An der Fingerkuppe befinden sich viele sensible Rezeptoren, die unter anderem taktile und thermische Reize, die das Material auslöst, aufnehmen”, so Peez. Diese Phase entspricht ihm zufolge beim Umgang mit dem Touchscreen das Auftippen mit der Kuppe des Zeigefingers auf ein Icon oder auf einen Link.
In der zweiten Phase zieht das Kind mit dem Zeigefinger eine kurze Bewegungsspur in Richtung des eigenen Körpers. Nutzer eines Touchscreens machen eine ähnliche Bewegung, um in einer längeren Liste zu scrollen.
Beim dritten Bewegungsmuster dominiert ein Hin- und Her. “Diese leicht schwingenden Bewegungen können zunächst auf engem Raum nur mit einem oder wenigen Fingern erfolgen; hierbei erfassen die Finger das Schmiermaterial und verteilen es wischend seitlich”, berichtet Peez aus seinen Fallstudien mit Kleinkindern. Dieses Muster entspricht dem Entsperren des Start-Bildschirm eines Smartphones.
Das vierte Bewegungsmuster ist der Pinzettengriff: Smartphone-Nutzer verwenden ihn, um Bilder und Texte zu vergrößern und zu verkleinern. Kleinkindern setzen ihn ein, wenn sie den Brei als Nahrungsmittel erkennen: Sie nehmen ihn dann zwischen Zeigefinger und Daumen und führen ihn zum Mund.
“Die Bedienung des Touchscreens knüpft offensichtlich an diese frühesten motorisch-kognitiven Vorgänge an. Der sensomotorisch unmittelbare Zugang der Handhabung macht den großen Erfolg dieser Eingabeform plausibel”, so Peez. Sich Wissensaspekte über das Tippen mit dem Zeigefinger zu erschließen, diese aber auch durch seitliches Wegwischen wieder zu verwerfen oder durch das Zoomen mittels Pinzettengriff näher zu betrachten, schließt dem Frankfurter Kunstpädagoge zufolge “an die frühesten Erfahrungen von ‘Selbstwirksamkeit’ und die elementarsten Formen der Koppelung des Gehirns mit dem motorischen System an.”
Die Befunde aus der Forschung zu Kinderzeichnungen wollen Peez und sein Team künftig mit Ergebnissen der Neurowissenschaft und Weiterentwicklungen des Screen-Designs in Beziehung setzen. Er glaubt zwar nicht, dass diese Ähnlichkeiten rein zufällig sind, geht jedoch nicht davon aus, dass die Entwickler von Touchscreens sich nicht wissentlich am Verhalten von Kleinkindern orientiert haben.
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