Deutsche wollen Daten nur für bestimmte Zwecke preisgeben

62 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Datenschutz – obwohl sie davon ausgehen, dass das Niveau des Datenschutzes hierzulande etwas besser als in anderen Ländern. Das ist eines der jetzt veröffentlichten Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu den Themen “Big Data und Datenschutz”, die das Handelsblatt Research Institute im Auftrag der Deutschen Telekom durchgeführt hat.
Die Befragten schätzen sich selbst in Bezug auf den Umgang mit ihren persönlichen Daten als kritisch und sorgfältig ein. 95 Prozent gaben an, dass sie immer oder meistens darauf achten, wem sie welche Daten überlassen. Noch 82 Prozent glauben, dass der bewusste Umgang mit persönlichen Daten verhindern kann, dass diese in die falschen Hände gelangen. 63 Prozent sind allerdings auch der Ansicht, dass sich persönliche Daten im Internet nicht absolut schützen lassen.
Grundsätzlich sind die Deutschen nicht dagegen, dass Unternehmen ihre Daten auswerten – auch im Rahmen von sogenannten Big-Data-Analysen. Mit solch einem Vorhaben stieß Telefónica im vergangenen Jahr hierzulande auf harsche Kritik und gab es dann auf. Das Unternehmen wollte im Rahmen eines “Smart Step” genannten Programms Bewegungsdaten von Kunden analysieren und vermarkten. Das gab er dann kurz darauf zumindest in Deutschland auf.
Der spanische Telekommunikationskonzern steht damit nicht allein. Laut einer Studie von Vanson Bourne vom Mai 2013 spielt für vier Fünftel der Unternehmen in Deutschland das Thema Big Data eine wichtige Rolle. Allerdings gab die Hälfte der befragten IT-Entscheider gleichzeitig an, dass die IT-Abteilung wichtigere Aufgaben zu erledigen habe.
Unternehmen, deren IT-Strategie Teil der Unternehmensplanung ist, tendieren der Untersuchung zufolge eher dazu, Big-Data-Optionen zu erwägen, so ein Ergebnis der Studie “Big Data – Jenseits des Hypes”, die vom Rechenzentrumsdienstleister Interxion in Auftrag gegeben wurde.
98 Prozent der deutschen Unternehmen verfolgen oder entwickeln der Umfrage zufolge eine langfristige Big-Data-Strategie. 41 Prozent der deutschen Unternehmen hätten bereits ein Geschäftsmodell, das auf Big Data basiert. Damit liege Deutschland weit über dem europäischen Durchschnitt: In Europa verfolgt jedes vierte Unternehmen bereits eine entsprechende Strategie.
Die Unternehmen sind also startklar – ob die Kunden es auch sind, hängt stark vom geplanten Verwendungszweck ab. Für die Verbesserung medizinischer Leistungen würden zum Beispiel drei Viertel der im Auftrag der Deutschen Telekom befragten ihre persönlichen Daten hergeben. Wenn sich damit Staus oder Emissionen im Verkehr vermeiden lassen, ist immerhin noch die Hälfte der Befragten dazu bereit. Dagegen ist nur jeder Zehnte bereit, persönliche Daten personalisierter Werbung preiszugeben – ein Modell, das sehr viele Firmen attraktiv finden.
“Die Studienergebnisse zeigen, dass Big Data akzeptiert wird, wenn die Kunden einen klaren Nutzen erkennen. Big Data muss daher ausgewogen Vorteile für Verbraucher und Unternehmen bringen“, sagt Reinhard Clemens, Telekom-Vorstand und CEO T-Systems. Der Manager weiter: “Verbraucher müssen wissen, was mit ihren personenbezogenen Daten passiert. Ein aufgeklärter und verantwortungsbewusster Umgang mit Daten ist von allen Seiten nötig. Wir brauchen eine Kultur des Einverständnisses.”
Publizist und Berater Tim Cole sieht das in seinem aktuellen, gemeinsam mit Ossi Urchs verfassten Buch Digitale Aufklärung ähnlich. Wie er in seinem Blog schreibt, findet er es “prinzipiell in Ordnung”, wenn eine Firma personenbezogene Daten auf Vorrat sammelt und speichert. Seine werberelevanten Informationen würden schließlich erhoben, um persönliche Bedürfnisse herauszufinden und ihn so gezielter mit interessanten Produkten bedienen zu können.
Es kommt laut Cole allerdings auf das Timing der Werbetreibenden an. Stimmt dieses, könnten sie ihre Angebote passgenau auf das jeweilige Bedürfnis des Web-Nutzers zuschneiden. Die Gefahr des Missbrauchs der persönlichen Informationen durch die Datenindustrie sieht Cole nicht: Man besitze als Kunde Druckmittel gegen die Firmen. Merke man, dass die personenbezogenen Daten missbräuchlich verwendet werden, könne man das Unternehmen abstrafen, indem man ihm die Kundenbeziehung aufkündigt und das datenschutzwidrige Verhalten an die Öffentlichkeit bringt. Dadurch entstehe ein selbstregulierendes System, das transparent ist und die privaten Informationen automatisch schützt.
Datenschutzexperten gehen davon aus, dass beim Einsatz von Big Data Datenschutzprinzipien wie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, der Erforderlichkeit und der Datensparsamkeit, die Zweckbindung und grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt werden. Trotzdem vertreten viele die Ansicht, dass der Einsatz von Big Data – sofern entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden auch in Deutschland verfassungskonform möglich ist.