Hundert Jahre IBM

Allgemein

Einst startete IBM als Hardware-Anbieter und dominierte den Markt von Anfang an mit strategisch cleveren Fusionen beziehungsweise Firmenübernahmen und kombinierte Technologien aus verschiedenen Quellen. Dabei wurde stets ein starker Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden gelegt. Das Technologie-Angebot von einst beinhaltete Waagen, Kaffemühlen, Fleischschneidemaschinen sowie Zeiterfassungsgeräte und daneben das wohl bekanntere Lochkartensystem, welches am Ende den Weg ins Computing-Geschäft ebnete. Immer wieder konnte sich IBM in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Angebotsportfolien behaupten.

In den 60er Jahren führte das Unternehmen die erste IT-Änderungswelle an und zwar mit der Einführung des legendären S/360 Mainframe Systems. Ohne Übertreibung legte IBM durch die Trennung von Hardware, System- und Anwendungssoftware den Grundstein für die moderne IT-Architektur. Die historische Entflechtung der IT-Services von Hardware und Softwarevertrieb war somit der Beginn einer modernen IT-Services-Industrie. Selbst noch in den 90er Jahren wurde dem Vertriebsnachwuchs im Verkaufstraining beigebracht: »Nicht IBM ist der Wettbewerber, sondern die Umgebung.«

Quintessenz

1. IBM ist zwar 100 Jahre alt und manchmal etwas bürokratisch (um es milde auszudrücken), doch ihre große Stärke ist das anhaltende Engagement für Innovationen – IBM ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. Oftmals wird unterschätzt, wieviel IBM von der heutigen Kerninformationstechnologie überhaupt erfunden hat – angefangen von Fortran zu magnetischen Speichermedien, DRAM, RISC und sogar die relationalen Datenbanken. Die Anzahl der Patente, für die IBM ausgezeichnet wurde (es waren 6000 im Jahr 2010), war beispielsweise größer als die von Microsoft, HP, Oracle, EMC und Google zusammen. Ob dabei die neuen Technologien jeweils schnell genug die Kunden erreichten, sei dahingestellt – oft kam IBM viel zu spät in den Markt und Oracle und Sun, um nur zwei zu nennen, bekamen die große Chance, eine Technolgoie zu kommerzialisieren, die IBM zwar erfunden hatte, aber nicht schnell genug vermarktete.

2. IBM führte die erste Welle von Veränderungen in den 60er und 70er Jahren an – die Einführung von Mainframes, die Entflechtung von Dienstleistungen und der Beginn proprietärer Mid-range Server. Danach überlebte das Unternehmen allerdings nur knapp die zweite Änderungswelle in den späten 80er und frühen 90er Jahren: den Wechsel zur Client/Server-Architektur, zu PCs und »offenen« Industriestandards. Bei der dritten Welle – dem Internet und Web-getriebenen Lösungen – gelang es IBM bisher gut mitzuhalten. Der Anbieter führte (nach einigen Kurswechseln) seine Kunden bei jeder dieser Technologieveränderungen durch die schwierigsten Phasen, während wichtige Wettbewerber zurück blieben oder sogar vollkommen verschwanden, beispielsweise Wang oder Honeywell. Die erfolgreiche Integration dieser durchschlagenden Änderungen garantierte den Investitionsschutz der IBM-Kunden, auch wenn sie die wirkliche Spitzentechnologie woanders her beziehen mussten. Jungen IT-Fachleuten, die in IT-Abteilungen seinerzeit ausgebildet wurden, hat man beigebracht: »Wer IBM-Produkte einkauft, behält seinen Job.«

3. Jetzt stehen wir vor einem weiteren, massiven Wandel, angetrieben vom Cloud Computing. Wird IBM diese Welle ebenso souverän nehmen wie die vorhergehenden? Behält man auch in Zukunft noch seinen Job, wenn man IBM-Produkte einkauft? Wir glauben, dass die Antwort »Ja«, aber auch »Nein« lauten kann, weil der künftige Weg für IBM zuweilen ziemlich holprig werden kann, aber auch für die IBM-Kunden. IBM muss eine radikale Änderung vornehmen, wobei IDC davon ausgeht, dass das Unternehmen dazu in der Lage ist. Sollte eine nennenswerte Konsolidierung unter den derzeit agierenden IT-Outsourcern stattfinden, so wird IBM wohl eine der wenigen sein – HP sei hier ebenfalls erwähnt -, die diese Marktbereinigung überleben und somit ihre Kunden erneut voranbringen wird.

 

Wafa Moussavi-Amin ist Geschäftsführer der IDC in Deutschland und der Schweiz.

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