Datenrettung unter WindowsGelöscht heißt nicht verloren
Der beste Schutz: Prävention
Datenverlust kann viele Ursachen haben: Defekte Hardware, ein versehentlich geleerter Papierkorb oder der falsche Umgang mit Speichermedien sind mögliche Gründe. Jeder der Dateien in irgendeiner Form speichert, muss sich daher Gedanken über deren Sicherheit machen. Und auch wenn es verschiedene Möglichkeiten gibt, vermeintlich gelöschte Dateien wiederherzustellen, so ist doch ein Backup die beste Waffe gegen Datenverlust. Ist die Festplatte Ihres Notebooks kaputt oder der Ordner mit den eigenen Dateien auf einmal leer, können Sie auf die Sicherungskopie zurückgreifen. Dabei reichen schon einfache Backup-Tools wie das kostenlose SyncToy von Microsoft, mit dem Sie Dateien zum Beispiel automatisiert auf eine externe Festplatte kopieren. Die Freeware Macrium Reflect Free sichert hingegen ganze Partitionen in einem Image und startet sogar eine Wiederherstellungsumgebung von Boot-CD. Beide Programme sind einfach zu bedienen und nehmen dem Anwender so viel Arbeit ab, dass man Backups nicht mehr als lästig empfindet.
Legen Sie ein Backup an, bevor es zu spät ist. Macrium Reflect sichert ganze Partitionen. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Neben den Sicherungskopien, der besten Vorsichtsmaßnahme von allen, gibt es noch weitere Möglichkeiten einem Datenverlust vorzubeugen. Diese unterscheiden sich je nach Speichermedium.
Hardware-Versagen rechtzeitig erkennen
Das Programm HDTune nistet sich im Systray von Windows ein und gibt Meldung, wenn ein Defekt an der Festplatte bevorsteht. Dazu liest das Tool die so genannten SMART-Werte aus. SMART steht für Self-Monitoring, Analysis and Reporting Technology und ist direkt in die Festplatte eingebaut. So erfahren Sie, wenn die Festplatte zu heiß läuft oder sich die Schreibfehler häufen – Anzeichen für einen bevorstehendes Hardwareversagen. Ist das der Fall, wird es höchste Zeit, die Dateien von der Festplatte in Sicherheit zu bringen. Ist diese aber schon so beschädigt, dass der Kopiervorgang wegen Lesefehler immer wieder abbricht, kommt der Unstoppable Copier zum Einsatz. Das Tool überspringt defekte Sektoren auf dem Datenträger und kopiert alles, was noch in irgendeiner Form lesbar ist.
HDTune liest die SMART-Werte der Festplatte aus und warnt etwa, wenn sie zu heiß läuft.
Auch für optische Medien können Sie Unstoppable Copier nutzen. Speziell für CDs und DVDs setzen Sie die Freeware DVDisaster ein. Das Tool erstellt eine Fehlerkorrekturdatei, um Inhalte wiederzustellen, die nicht mehr vollständig zu lesen sind. Unterstützt werden ein- und mehrfach beschreibbare CDs und DVDs sowie zweischichtige DVDs und DVD-RAM. Nachteil: Die Fehlerkorrekturdatei muss angelegt werden, bevor die Scheibe nicht mehr lesbar ist.
Speichermedien korrekt lagern
Zur Prävention gehört ebenfalls der richtige Umgang mit Speichermedien: Interne Festplatten gehören entweder in ein Computergehäuse oder bei externer Lagerung in die antistatische Plastiktüte und die Styroporverpackung, in der sie verkauft werden. Optische Medien sollten Sie in einer CD-Hülle trocken und am besten im Dunkeln aufbewahren. Da CDs und DVDs nicht ewig halten, sollten Sie alle zwei bis drei Jahre testen, ob die Daten darauf noch lesbar sind. Bei der Überprüfung hilft die Freeware Nero CD-DVD Speed. Gegebenfalls müssen Sie die Dateien auf einen neuen Rohling brennen. Flash-Speicher wie USB-Sticks und Speicherkarten sind zwar robuster als Festplatten, da sie ohne bewegliche Bauteile auskommen. Allerdings muss man sie ebenfalls trocken lagern und vor Stürzen aus großer Höhe schützen.
Versagen alle Vorkehrungs- und Vorsichtsmaßnahmen können Sie versuchen, die verlorenen Dateien selbst wiederherzustellen. Zumindest bei Festplatten sollten Sie das aber nur tun, wenn Sie einen Hardwaredefekt als Grund für den Datenverlust ausschließen können (siehe Abschnitt »Ein Fall für Profis«).
Daten von Festplatten retten
Grundregel Nummer eins bei der Datenrettung auf Festplatten: Sobald Sie den Schaden bemerken, schalten Sie den Rechner aus. Jede weitere Schreibaktion, die Sie auf der Festplatte durchführen, macht eine erfolgreiche Datenrettung aussichtsloser. Gelöschte Dateien werden nämlich nicht physisch von der Festplatte entfernt. Stattdessen löscht das System nur die Verweise in der Dateizuordnungstabelle, einem Art Inhaltsverzeichnis. Das bedeutet: Die Dateien sind noch da, aber zum Überschreiben frei gegeben. Und erst wenn das passiert, sind sie wirklich weg. Sie sollten es auch unterlassen, gleich Recovery-Tools zu installieren. Auch die schreiben Dateien auf die Festplatte und löschen dadurch eventuell die verloren geglaubten Dateien. Je früher Sie den Verlust also bemerken und je weniger Sie in der Zwischenzeit installiert und gespeichert haben, desto höher ist die Chance, die Dateien wiederherzustellen.
Die sicherste Vorgehensweise ist das Erstellen einer sektorbasierten Kopie auf einer zweiten Festplatte – idealerweise dem gleichen Modell. Dieses Abbild enthält den kompletten Inhalt des Datenträgers inklusive gelöschter Dateien. Die Kopie dient als Arbeitsgrundlage für Ihre Rettungsversuche. So müssen Sie nicht am Original herumbasteln und die Lage eventuell noch verschlimmern. Eine exakte 1:1-Kopie legen Sie mit dem Open-Source-Tool Clonezilla an. Laden Sie das ISO-Image herunter, brennen Sie daraus eine Boot-CD (beispielsweise mit ImgBurn) und starten Sie anschließen den Rechner damit. Ein Assistent führt den User durch die Konfiguration. Haben Sie die Ersatzfestplatte schon im Rechner eingebaut, können Sie direkt darauf kopieren. Alternativ gehen Sie den Zwischenschritt über ein Image, das sie beispielsweise auf einer USB-Platte speichern. Achten Sie darauf, als Kopiermethode »Only dd« auszuwählen. So wird eine exakte 1:1-Kopie der Festplatte angelegt.
Mit Clonezilla erstellen Sie eine 1:1-Kopie der betroffenen Festplatte. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Zweit-PC als Rettungssystem
Ob Sie mit der Originalfestplatte oder einer Kopie arbeiten, das weitere Prozedere ist gleich: Bauen Sie das Laufwerk in einen anderen Computer ein, auf dem bereits ein Betriebssystem und die nötigen Rettungs-Tools eingerichtet sind. Das ist zumindest die komfortabelste Möglichkeit. Der Rettungs-PC erkennt die Festplatte als zusätzliche Datenpartition und Sie können versuchen, diese entsprechend zu bearbeiten. Als Recovery-Tools stehen Ihnen mehr als zwei Dutzend Programme zur Auswahl – von der teuren Profi-Software wie etwa Ontrack EasyRecovery Professional für 522 Euro über kostenpflichtige Anwendun
gen wie O&O UnErase für 30 Euro bis hin zu Gratis-Tools, beispielsweise Recuva von Piriform. Die deutschsprachige Freeware führt den Anwender mit Hilfe eines Assistenten durch den Wiederherstellungsprozess. Sie haben die Möglichkeit, nur bestimmte Dateitypen an einem vorgegebenen Ort zu suchen oder alle gelöschten Dateien auf der gesamten Festplatte wiederherzustellen. Nach einem Scan-Durchlauf zeigt Recuva alle Funde an und markiert gut erhaltene Dateien grün. Aber auch rot markierte Einträge können unter Umständen gerettet werden. Der Erfolg der Wiederherstellung hängt davon ab, wie stark die Dateien schon von neuen überschrieben worden sind. Sind die gesuchten Dokumente, Bilder oder Musikstücke nicht dabei, probieren Sie es mit einem alternativen Tool wie Restoration oder PC Inspector File Recovery. Wichtig ist aber auch hier: Wiederhergestellte Dateien dürfen Sie nicht auf der gleichen Festplatte ablegen. Die Gefahr, noch nicht gerettete Dateien zu überschreiben, ist zu groß.
Das Recovery-Tool Recuva zeigt an, welche Dateien noch zu retten sind und wo es schwierig wird. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Recovery-Boot-CD
Ist kein Zweit-PC in der Nähe, lassen Sie die Festplatte – oder besser noch die zuvor angelegte Kopie – im Gehäuse und nutzen eine Boot-CD. Damit greifen Sie ebenfalls von außen auf die beschädigte Festplatte zu. Als Datenretter kommt die Ultimate Boot CD for Windows (UBCD4Win) zum Einsatz, die auf Bart PE basiert. Damit starten Sie eine Notfallumgebung direkt von CD. Nach dem Download installieren Sie das Programm und folgen den Anweisungen, um eine bootfähige Scheibe zu brennen. Voraussetzung ist eine Windows-XP- oder Windows-Server-2003-CD, mit deren Hilfe das Tool eine Boot-CD erstellt. UBCD4Win bringt zahlreiche Anwendungen mit, darunter Antiviren-Programme, Tools für die Festplattenbereinigung, -sicherung und -defragmentierung sowie eine Hand voll Recovery-Software. Mit an Bord sind unter anderem die bereits genannten Recuva und Restoration. Um die wiederhergestellten Daten zu sichern, sind ebenfalls diverse Brennprogramme integriert. Alternativ greifen Sie mit dem Dateimanager auf eine angeschlossene USB-Festplatte zu.
Mit der Ultimate Boot CD for Windows starten Sie eine Rettungsumgebung direkt von CD. So greifen Sie von außen auf einen beschädigten Datenträger zu. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Sonderfall: Partition verschwunden
In der Partitionstabelle sind Anzahl und Größe der Partitionen gespeichert. Wird diese beschädigt, werden Partitionen nicht mehr angezeigt und Sie kommen nicht mehr an die darauf gespeicherten Dateien heran. Mit dem Tool TestDisk stellen Sie verloren gegangene Partitionen wieder her – auch wenn Sie sie bewusst gelöscht haben. Voraussetzung: Sie wurden noch nicht überschrieben. Das Programm lässt sich nur mit der Tastatur bedienen. Schritt für Schritt werden Sie durch den Wiederherstellungsprozess geführt: Wählen Sie die Festplatte, auf der sich die vermisste Partition befinden soll, und den Typ der Partition. In dem meisten Fällen ist das »Intel«. Mit den Punkten »Analyse« und »Quick Search« listet TestDisk alle Partitionen auf – auch jene, die Windows nicht mehr anzeigt. Sind Sie sich nicht sicher, welcher Eintrag der richtig ist, können Sie sich mit [P] die Verzeichnisse anzeigen lassen, die auf der Partition abgelegt sind. Mit der rechten und linken Pfeiltaste bestimmen Sie Art der Partition (primär, erweitert oder logisch). Mit [Enter] und dem Punkt »Write« schreiben Sie die Partitionstruktur schließlich auf die Festplatte. Nach einem Neustart taucht die Partition samt gespeicherten Dateien wieder im Windows Explorer auf. Auch hier gilt, dass die Aussichten auf Erfolg höher sind, wenn Sie den Verlust früh bemerken.
Daten von Flash-Speichern retten
Bei Speicherkarten, USB-Sticks oder externen Festplatten ist die Datenrettung nicht ganz so aufwendig wie bei interne Festplatten. Zwar sollten Sie auch von diesen Medien eine 1:1-Kopie anlegen, um damit die Wiederherstellung zu versuchen. Aber zumindest können Sie hier jeden Rechner als Rettungssystem nutzen. Installieren Sie die genannten Rettungs-Tools, die allesamt auch mit Wechseldatenträgern umgehen können, und starten Sie einen Suchlauf. Speziell für Speicherkarten aus Digitalkameras hat die Firma Convar Smart Recovery entwickelt. Das Programm sucht aber auch auf anderen Speichermedien nach Bildern, Musik und Videos, die etwa durch versehentliches Formatieren gelöscht wurden. Für die Rettung von Fotos eignet sich ebenfalls das kostenlose Tool Photorec von CGSecurity. Generell gilt: Verwenden Sie verschiedene Programme zur Wiederherstellung, denn die unterschiedlichen Recovery-Tools nutzen verschiedene Methoden zur Datenrettung und sind teilweise auf bestimmte Dateiformate spezialisiert.
Smart Recovery stellt Dateien von Speicherkarten wieder her.
Optische Medien
CDs und DVDs bieten den großen Vorteil, dass man ihren Inhalt nicht versehentlich löschen kann. Hier liegt das Problem vielmehr darin, dass optische Datenträger mit der Zeit unlesbar werden oder ganz einfach zerkratzen. Ein Sorgsamer Umgang und regelmäßige Kontrolle sind daher wichtig (siehe Abschnitt »Der beste Schutz: Prävention«). Befindet sich in Ihrer Sammlung doch einmal eine beschädigte Schreibe, sollten Sie mit IsoPuzzle so viele Dateien wie möglich retten. Das Programm liest Daten-CDs und -DVDs Sektor für Sektor aus und schreibt das Ergebnis in ein ISO-Image. Beschädigte Sektoren machen dem Tool keine Probleme, da es diese überspringt und beim nächsten Durchlauf noch einmal probiert, sie zu lesen. Der Anwender gibt dabei, vor wie oft und wie lange die Software sich daran versucht. IsoPuzzle erlaubt Ihnen, die Rettung an einem anderen Computer fortzusetzen, wenn es beim ersten nicht funktioniert. Oft schafft es ein Laufwerk einen Rohling auszulesen, an dem ein anderes versagt. So setzen Sie Stück für Stück das ISO-Image zusammen und retten im Idealfall alle Dateien vom Original. Das ISO-Image können Sie anschließend wieder auf CD/DVD brennen – zum Beispiel mit Nero oder dem kostenlosen ImgBurn.
Fehlerhafte optische Datenträger liest IsoPuzzle ohne Unterbrechung aus. Gegebenenfalls können Sie während des Wiederherstellungsversuchs das Laufwerk wechseln. (In das Bild klicke
n für eine vergrößerte Ansicht!)
Mit dem Gratis-Tool Nero CD-DVD Speed überprüfen Sie optische Medien auf Lesefehler. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Ein Fall für Profis
Logische Fehler wie ein formatierter Datenträger oder Virenbefall sind eine Ursache für Datenverlust. Die andere ist ein Hardwaredefekt. Schleift der Schreib-/Lesekopf der Festplatte über die Magnetscheibe oder ist der USB-Stick ins Wasser gefallen, ist das ein Fall für Datenrettungslabore. Wer jetzt noch auf eigene Faust versucht, die Dateien wiederherzustellen, zerstört sie vielleicht endgültig. Aber auch wenn die eigenen Bemühungen scheitern, wichtige Dokumente aus dem bereits geleerten Papierkorb herauszuholen, hilft eventuell der Gang zum Fachmann. Bevor Sie diesem jedoch den Datenträger anvertraut, sollten Sie sich eine Frage stellen: Wie hoch ist der tatsächliche Schaden, der durch den Verlust der Dateien entsteht? Da professionelle Datenrettung sehr teuer ist, lohnt sich der Aufwand sicher nicht für ein paar Fotos von der letzten Grillparty. So verlangt etwa das Unternehmen Kroll Ontrack mindestens 90 Euro für die Datenrettung von einem Einzelmedium wie etwa einer Festplatten, CD oder Speicherkarte. Je nachdem wie komplex der Fall ist und wie schnell der Kunde seine Daten benötigt, fallen bei einigen Anbietern aber auch Kosten von bis zu mehreren Tausend Euro an.
Rettungslabore führen in der Regel zunächst eine Analyse des Datenträgers durch, um die Aussichten auf Erfolg und den Aufwand abschätzen zu können. Erst nachdem der Kunde den Auftrag erteilt hat, geht es an die eigentliche Wiederherstellung der Dateien. Die Profis haben dabei wesentlich mehr Möglichkeiten, Dateien zu rekonstruieren. Sie nutzen nicht nur den Datenträger selbst, sondern auch Informationen aus E-Mail(-Anhängen), Meta-Daten oder (veralteten) Backups, um die Dateien Stück für Stück wieder zusammenzusetzen.
Professionelle Datenrettungslabore (hier Convar) haben wesentlich mehr Möglichkeiten, Daten zu retten als Anwender daheim. (In das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht!)
Sind Festplatte oder USB-Stick etwa durch Wasserschaden oder Brand so stark zerstört, dass sie gar nicht mehr funktionieren, geht es in den Reinraum. Hier werden die Geräte unter dem Mikroskop geöffnet, beschädigte Bauteile ausgetauscht und mit Hilfe der Feinmechanik versucht, den Speicher Byte für Byte auszulesen. Das sind Methoden, die viel Wissen und spezielle Werkzeuge voraussetzen. Die Aussichten auf Rettung sind oft besser als viele User glauben. Die Firma X Datenrettung aus Berlin gibt etwa eine durchschnittliche Erfolgsquote von 85 Prozent an. Doch im Einzelfall entscheiden der Zustand von Dateien und Datenträger über das Ergebnis.
Fazit
Gelöschte Dateien oder zerstörte Speichermedien bedeuten nicht unweigerlich den Verlust der Daten. Wurde der Papierkorb zu schnell geleert oder eine Partition mal eben formatiert, sind die Chancen, Fotos, Musik oder Dokumente wieder zu finden, recht gut. Entsprechende Vorbereitungen und Programme helfen beim Rettungsversuch im Home-Office. Defekte an der Hardware (Feuer, Wasser, Sturz etc.) oder Schäden an komplexen Systemen wie einem RAID-Verbund oder riesigen Datenbanken sind hingegen ein Fall für professionelle Datenretter. Hier muss man aber die Wiederherstellungskosten und finanzielle Einbußen durch den Datenverlust gegeneinander abwägen.