Insourcing ist das neue Outsourcing
Der Ärger mit dem In- und Outsourcing

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Rein oder raus?

Auslagern oder integrieren? IT-Manager scheinen sich da nicht so sicher zu sein. Bei näherer Betrachtung lässt sich auch keine generelle Empfehlung mehr geben, denn die Nachteile können tatsächlich die Vorteile in Luft auflösen. Gerade das Outsourcing hängt heute verstärkt vom Einzelfall ab und macht oft nur noch in Teilbereichen der Firmen und manchmal sogar nur für einzelne Prozesse oder Projekte Sinn. Trendy (und sinnvoll) scheint es dagegen zu sein, schön öffentlichkeitswirksam das Insourcing zu zelebrieren.

Die Welt ist leider komplexer und sensibler geworden. Die robuste Entscheidung, seine Fertigung, die IT-Zentrale oder den Kundenservice (Callcenter) schnell mal ohne viel Federlesens in ein fernes Schwellenland zu verfrachten, kann sich übel rächen. Das bestätigen die Marktforscher der CFI Group, die Nutzer von Callcentern diverser Branchen ausquetschten (Anforderung hier). Das wenig überraschende Ergebnis: Der Support von IT-Firmen sei am lausigsten und gut 20 Prozent der Anrufer hängen verärgert vorzeitig wieder ein, ohne der Lösung ihres Problems auch nur einen Millimeter näher gekommen zu sein.

68 Prozent der unzufriedenen Anrufer fürchten um die katastrophalen Folgen der “Nicht-Hilfe”, da ja das Problem in ihrer IT nicht gelöst wurde. Ursache für die abnehmende Zufriedenheit mit dem Kundensupport, wir ahnen es schon, sei vor allem das extreme Outsourcing. Den Anrufern falle abgesehen von wachsenden Kommunikationsschwierigkeiten auf, dass sich die Service-Mitarbeiter immer weniger mit der Technik ihrer Produkte auskennen würden (siehe auch “Outsourcing: Inder ändern ihre Geschäftsmodelle” ).

Die Erkenntnisse der CFI Group finden gerade ihre Bestätigung durch eine achtjährige US-Langzeitstudie, deren erste Ergebnisse soeben durchsickern. Untersucht wurden jene 150 Unternehmen der Fortune-500-Liste, die Dienste an Externe vergeben hatten (Front-Office, Back-Office, IT-Support). Im Fokus standen die echten Kundeneinschätzungen und -beziehungen vor und nach dem Prozess der Auslagerung. Für die Vergleichbarkeit der Daten sorgte das National Quality Research Center , welches auch den US-Verbraucherindex liefert. Jenes fand heraus, dass die Mehrheit dieser ach so angesehenen Konzerne ihr Outsourcing eher erbärmlich durchführten und rein wirtschaftlich damit keinen großen Erfolg einfuhren. “Viele Häuser haben sich damit selbst in den Fuß geschossen”, lautete der lakonische Kommentar eines Autors der Studie.

Das No-No des Outsourcings

Folgendes glasklares Ergebnis liefert die Studie schon jetzt: Front-Office-Dienste mit direkter Kundenansprache ins Ausland zu verlagern (Mexiko, Indien, Irland) war eine generell schlechte Idee. Alle Werte hinsichtlich Zufriedenheit, Loyalität, Produkt- und Service-Bewertung rauschten in den Keller. Immer. Bei allen Firmen.

Ganz anders das Bild bei Back-Office-Services, bei denen in der Regel keine direkte Kommunikation mit dem Kunden stattfindet. Hier werden Anträge bearbeitet, Zahlungsströme initiiert oder überwacht, die Logistik gesteuert oder auftretende Probleme wie Verzögerungen bearbeitet. Das bekommt der Firmenkunde gar nicht mit und daher ist es ihm auch egal, wo diese Arbeit erledigt wird.

Beim IT-Support aber sah das Ergebnis sehr durchwachsen aus – mit leichtem Trend zum Negativen. Grundregel: Muss der Kunde beim ausländischen Support anrufen, geht es oft nach hinten los. Werden aber Prozesse ausgelagert, die nicht den mündlichen Kontakt mit dem Kunden verlangen, dann funktioniert es deutlich besser. Die Studie fand übrigens auch heraus, dass es keine Relation zwischen den Einsparungen beim Outsourcing und den Preisen, die der Kunde zu zahlen hat, gab. Die Firmen nutzten ihre Kostenvorteile in der Regel, um ihre Gewinne zu erhöhen und nicht, um ihre Kunden glücklicher zu machen (siehe auch “Indien: Beim IT-Outsourcing die Nummer Eins”).

Folge davon: Die Abnehmer von Produkten und Services sollten niemals vom Outsourcing des Unternehmens erfahren, denn das kommt als Thema (inländischer Jobverlust) gar nicht gut an und kann dazu führen, dass sich der Kunde sogar vom Unternehmen abwendet. Selbst Firmenkunden tun dies. Einen ähnlichen Effekt hatten wir Deutschen jüngst bei Nokia beobachten können, wo die Fabrikverlagerung von Bochum in den Balkan für Verstimmung bei den Konsumenten sorgte (siehe “Kunden bestrafen Nokia: Finnen verlieren Marktanteile“).

Der Traum, mit Outsourcing schnell Geld sparen zu können, scheitert einer anderen Studie zufolge häufig an kurzfristigem Denken und miesem Management. Laut Leslie Willcocks von der London School of Economics werde zwar viel Energie auf die vorherigen Vertragsverhandlungen verwendet, aber kaum ein Gedanke darüber verschwendet, wie man diesen Prozess im eigenen Hause begleitet.

Die simple Verlagerung einer Dienstleistung oder Fertigungsprozesses an einen externen Anbieter nebst Personalabbau im eigenen Hause führt eher ins Desaster. Richtiges Outsourcing bedeutet, die Qualifikation im eigenen Hause zu verbessern und gut geschultes Personal vorzuhalten, damit die vielen neuen “Kollegen” beim Outsourcing-Partner immer einen richtigen und vor allem kompetenten Ansprechpartner im Stammunternehmen finden. Wer aber nur die Einsparungen vor Augen hat, programmiere einen Fehlschlag, der am Ende höhere Kosten und sogar Qualitäts-, Ruf- und Kundenverlust bedeuten könne.

Das passiere gar nicht mal so selten. Laut den Analysen der London School of Economics wurden während der Laufzeit von Outsourcing-Verträgen unter dem Strich gerne mal Verluste von 20 bis 40 Prozent eingefahren – nicht gerade das angestrebte Ziel.

Trend zum Outsourcing verebbt

Das hat sich offenbar in der IT-Branche herumgesprochen, denn der Drang zum Auslagern verlangsamt sich. So bestätigt das BDI-Mittelstandspanel in seiner Frühjahrsbefragung 2008 (PDF), dass der Anteil deutscher Firmen, die Prozesse aus dem eigenen Unternehmen ausgelagert haben, sich in den vergangenen zwei Jahren nur um 3 Prozent auf nun insgesamt 28 Prozent erhöhte. Während sich früher über 10 Prozent aller Industrieunternehmen in konkreten Planungen befanden, geben heute nur noch 3 Prozent der Unternehmen an, in den nächsten zwei Jahren Prozesse outsourcen zu wollen. Im Gegenteil: 75 Prozent sagen klipp und klar, keine Auslagerungsstrategie mehr zu verfolgen.

Die von der deutschen Industrie am häufigsten gewählte Form des Outsourcings in den vergangenen zwei Jahren war die Auslagerung von Prozessen an Drittunternehmen im Inland (19 Prozent). Nur knapp 5 Prozent verlagerten Aufgaben an Drittunternehmen im Ausland. Dem Bericht nach entwickeln vor allem managementgeführte, international agierende Konzerne den Hang zum schnellen Outsourcing ins Ausland – was zu erwarten war. Wer dabei seine Strategie nicht wohl überlegt hatte und vor allem die möglichen Folgen in der Praxis (Kontrollverlust, unzufriedene Kunden, hakelige Prozesse, hohe Start- und plötzliche Folgeinvestitionen) nicht einkalkuliert hatte, denkt nun zunehmend darüber nach, die Offshore-Aufgaben doch l
ieber wieder in eigener Regie zu erledigen.

Laut BDI-Bericht entwickelten in den vergangenen 24 Monaten knapp 10 Prozent aller deutschen Industrieunternehmen Strategien, um diverse Prozesse, Funktionen und Firmenteile wieder vom Drittunternehmen zurück ins Stammhaus zu integrieren.

Ein Insourcingprojekt abgeschlossen haben im gleichen Zeitraum 1,5 Prozent aller Unternehmen. Verglichen mit den Outsourcern ergibt sich daraus rechnerisch eine Rückkehrquote von fast 20 Prozent. Schlussfolgerung: Jede fünfte Firma wird ihr Outsourcing-Vorhaben wieder bereuen und später für viel Geld wieder insourcen.

Noch interessanter ist ein anderer Indikator, der sich aus den BDI-Zahlen ablesen lässt: Unternehmen, die Insourcing betrieben, waren statistisch gesehen erfolgreicher als vergleichbar große Häuser ohne Strategie oder mit Outsourcing-Vorhaben. Das klingt zwar komisch, ist aber durchaus logisch: Wer Prozesse, Abteilungen oder Fertigungen wieder ins Haus holt, hat einerseits aus falschen Auslagerungen gelernt und andererseits sich schon sehr intensive Gedanken über Kontrolle, Qualitätsprobleme, Flexibilität, Prozessoptimierung, Kernkompetenzen und Kundenzufriedenheit gemacht – ist also ein Stück weiter auf der Entwicklungsleiter zum Top-Unternehmen.

Ist Outsourcing also out?

Wer nichts sinnvoll insourcen kann, sollte also alles beim Alten lassen und ja nicht mehr outsourcen? Jein. Die Fachleute (z.B. die von Outsourcingmentor.com/) warnen durch die Bank weg vor dem schnellen, unüberlegten Gang ins Ausland, vor dem reinen Auslagern aus Kostengründen – was sich dann so fast nie realisieren lässt. Aber eine wohlüberlegte, clevere Verlagerung seiner IT, Software-Services oder von Datenerfassung und Routine-Prozessen kann durchaus nach wie vor Sinn machen.

Der springende Punkt vor der Entscheidung lautet vor allem, einen guten, passenden und zuverlässigen Dienstleister dafür zu entdecken. “Ob man bei einem IT-Outsourcing von attraktiven Preisen profitieren kann, hängt auch davon ab, ob man sich an den richtigen Anbieter wendet”, urteilt der Schweizer Stefan Regniet, Geschäftsführer eines Beratungshauses in Frankfurt. Seiner Erfahrung nach sei es schwierig, sich angesichts der Fülle an potentiellen Providern im Markt zu orientieren. Daher sollte man vor einer systematischen Ausschreibung, die ohnehin meist notwendig sei, zunächst die möglichen Anbieter aufspüren, durchleuchten und aussieben.

Gerade für mittelständische Unternehmen seien die kleineren Dienstleister jene mit pfiffigeren und flexibleren Lösungen – im Gegensatz zu den global agierenden Mammutanbietern wie IBM, HP, EDS, Siemens oder T-Systems.
Allerdings steht man dann einer Auswahl von weit über 150 Anbietern gegenüber. “Ein Wunschlisten-Denken mit Idealisierung der präferierten Provider führt meist in die Irre”, warnt Regniet. Dem erstbesten Berater zu vertrauen aber auch. Ein hilfreicher Consultant müsste tief im Outsourcing-Markt verankert sein, den gesamten Wettbewerb kennen, von den altgedienten bis zu den erfrischend neuen Anbietern.

Tipp des Experten: Auf das Verständnis des Outsourcers für Ihre Branche achten. “Und der Anbieter sollte die gewünschten Services zur Verfügung stellen können, ohne dazu Subunternehmer beauftragen zu müssen”, empfiehlt der Schweizer. Weitere Kriterien wie Unternehmensgröße, geographische, steuerliche sowie rechtliche Aspekte seien ebenfalls zu bedenken. Hat man auf diese detaillierte Art eine Vorauswahl von Anbietern getroffen, dann erst sei das eigentliche Ausschreibungsverfahren an der Reihe. (Ralf Müller)

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