Rationalisierung kontra DatenschutzRFID – Segen oder Fluch

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Wachstumsmotor gegen “Kontrollator”

Rationalisierung kontra Datenschutz

RFID bzw. Radio Frequency Identification hat laut einer Einschätzung der EU-Kommission vom März 2007 das Potential, sich zu “einem wichtigen neuen Wachstums- und Beschäftigungsmotor zu entwickeln” . Glaubt man Prognosen, so werden bereits im Jahr 2010 weltweit rund 22 Milliarden Euro in die neue Technologie investiert.

Erst unlängst hat der Industrieverband AIM-Deutschland e.V. die Bereitstellung neuer Frequenzen für RFID-Transponder gefordert und befürchtet, dass anderenfalls Wettbewerbsnachteile für die Logistik- und Transportbranche drohen.

Expansion auf allen Fronten könnte man annehmen, wäre da nicht eine beträchtliche Zahl erbitterter RFID-Gegner wie beispielsweise der Verein Foebud e.V. mit Sitz in Bielefeld. Hier wurde sogar eine eigene Initiative mit dem viel sagenden Namen “Stop RFID” ins Leben gerufen, die eine unkontrollierte Einführung der Funkchips verhindern möchte.

Doch wer hat denn nun Recht? Ist RFID wirklich ein reiner Segen oder gilt es, die Funktechnik möglichst aus dem Alltag der Bevölkerung herauszuhalten?

RFID? Nie gehört!

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Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die wenigsten Menschen auf der Straße etwas mit RFID anzufangen wissen. Eine Stichprobe in Berlin hat ergeben, dass gerade einmal zwei von rund 30 befragten Personen wussten, was sich hinter dieser Abkürzung versteckt.

Dazu kommt, dass das Thema RFID in den Massenmedien nur überaus selten vorkommt, wenn man mal von gelegentlichen Specials auf ARTE und 3sat absieht.

So herrscht also eine enorme Diskrepanz zwischen der Rezeption in der Bevölkerung und der Diskussion auf politischer Ebene, was eventuell daran liegen kann, dass RFID-Chips für den Endkunden wenig “sexy” sind. Ein neues Handy oder der beliebte iPod schaffen es da schon eher in die Schlagzeilen – eine Tatsache, die angesichts des hohen Protestpotentials gegen RFID sicherlich den Interessen einiger Hersteller entspricht.

Safety first oder: Schützt uns RFID vor Terrorismus?

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Ein gutes Beispiel für das mangelnde Bewusstsein im RFID-Bereich ist sicherlich die Einführung des neuen biometrischen Reisepasses seit 1. November 2005: Wenn man von ein paar vereinzelten Kommentaren in der Fachpresse absieht, regte sich hier nur wenig Widerstand – und das trotz des vergleichsweise hohen Preises von 59 Euro.


(Bild: RFID-Chip im Ausweis – Akzeptiert, weil niemand weiß, was das ist?)

Auch als herauskam, dass der neue biometrische Pass keineswegs so sicher ist, wie seitens des Innenministeriums erhofft und angekündigt, führte dies nicht zu einer Änderung der offiziellen Politik. Mittlerweile werden sogar die Fingerabdrücke auf dem pass-eigenen RFID-Chip abgespeichert.

Die von Foebud e.V. geforderte Einrichtung eines Gremiums, das Regeln und Gesetze zur gesellschafts- und demokratieverträglichen Einführung der RFID-Technologien entwickeln soll, wurde bis heute weder auf Bundes- noch auf europäischer Ebene umgesetzt.

Und doch ist das Thema Sicherheit und RFID auch für Unternehmen ein lukratives Thema. An der Hingerhill School im britischen Doncaster wurden beispielsweise Chips der Firma Darnbro in die Schuluniformen integriert und nach Planung des britischen Kinder-, Schul- und Familienministeriums sollen weitere Schulen folgen. Bewahrheitet sich die Prognose des herstellenden Unternehmens, das bereits ein entsprechendes Patent eingereicht hat, sind in diesem Bereich jährlich bis zu 300 Millionen englische Pfund an Umsatz zu erzielen. Eine Summe, datenschutzrechtliche Bedenken in den Hintergrund treten lässt.

Kundendaten im Geheimen oder: Guck mal, wer da schnüffelt

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Ein ebenso ernstzunehmendes Datenschutzproblem entsteht durch den Einsatz von RFID-Chips zum Bezahlen von Waren. Denn wenn die Daten von Personen und die Daten von Waren jeweils mit RFID-Tags identifizierbar sind, entsteht durch die einfache Verknüpfung dieser Daten leicht ein KundInnenprofil, nach dem sich viele Einzelhändler die Finger lecken würden.

Die Information, Peter Mustermann habe sich am 12.10.2007 ein paar Sportschuhe in Größe 42 gekauft und danach noch einen Espresso getrunken, ist da noch ein harmloses Beispiel. Durch versteckte Lesegeräte, beispielsweise in Teppichen, könnte der Weg der gekauften Sportschuhe auch noch nach Monaten nachverfolgt werden. Das mag nach Science-Fiction klingen, doch ohne eine Kontrollinstanz dürften viele Unternehmen nicht lange fackeln und Daten sammeln und auswerten, was das Zeug hält.

Ein aktuelles Beispiel und vermutlich einer der größten Modellversuche zum Thema RFID im Einzelhandel ist der Future Store der Metrogroup. Mehr als 60 Kooperationspartner, unter ihnen SAP, IBM, T-Systems oder auch Intel haben sich hier zusammengefunden, um die Technik auch im Alltag salonfähig zu machen.

Gebracht hat es in den Medien vor allem Berichterstattung über die Gefahren der RFID-Technik, bei den Betreibern einen Reichtum an Erfahrungen und in den Köpfen der Verbraucher – erst einmal nichts.

Geldsparen ist geil – dank RFID

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Gewiss: Die Nachteile und Risiken durch die Einführung von RFID-Technologie lesen sich wie ein Horrorszenario und sind sicherlich medienwirksamer als die durchaus bestehenden Vorteile. Eine Überschrift à la “Wir werden alle überwacht” ist nun einmal zugkräftiger als “Künftig weniger Arzneimittelfälschungen”. Doch eines steht fest: Das Einsparpotential durch RFID ist auch in den Bereichen, in denen es nicht um die Überwachung von Menschen geht, enorm.


(Bild: Arzneimittel könnten durch RFID-Chips fälschungssicherer werden)

So meint Klaus Dargahi von der Firma Smart-Tec, einem unabhängigen Entwicklungspartner für alle Themen rund um RFID: “RFID-Technologie kann allen Partnern entlang der Wertschöpfungskette Nutzen und Einsparpotential bringen. Wer jedoch welchen Nutzen hat, muss im Rahmen einer Prozessanalyse ermittelt werden”. Johannes Driessen von der OPAL Associates Holding AG, einer der größeren Komplett-Anbieterinnen im Barcode- und RFID Markt im deutschsprachigen Europa, geht sogar von 80 Prozent Fehlerreduktion aus. Udo Doege von Tec-Tus sieht das Einsparpotential immerhin noch bei 40 bis 60 Prozent.

Status Quo Vadis
Wir sehen uns im RFID-Bereich also einer schier unüberbrückbaren Kluft zwischen enormen Risiken und ebenso enormen Einsparpotentialen gegenüber, was in der momentanen Technikdebatte sicherlich einzigartig ist.

Fest steht: RFID wird immer polarisieren und vermutlich wird es nie zu einem Handshake zwischen Industrie und Datenschützern kommen.

Doch halt: Trotz der Diskrepanz scheint es die eine oder andere Schnittmenge zu geben. So ist auch ein Verein wie Foebud e.V. nicht ganz und gar gegen RFID-Technologie. Selbst der gute Alb
ert Einstein hat einmal gesagt “Alles was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden” und so gibt es durchaus “gute” bzw. unkritische RFID-Anwendungen.

Wichtig ist dabei, dass die gesammelten Daten nicht mit Personendaten verknüpft werden, so verlockend das auch manchmal sein mag – und dass die Daten lediglich zweckgebunden zum Einsatz kommen. Die herkömmlichen Datenschutzgesetze verbieten das Verknüpfen mit personenbezogenen ohnehin, auch für “herkömmliche” Techniken (also Briefe und Telefon).

RFID rettet die Welt

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Zugegeben: Eine Überschrift wie die obige werden wir so schnell nicht lesen, so sexy sie auch anmuten mag. Doch gibt es durchaus Anwendungsbereiche für die Technologie, die zweifelsohne nicht nur der Industrie, sondern auch dem Menschen nutzen.

Zu denken ist da an die bereits erwähnte Rückverfolgung von Medikamenten, an die Überprüfbarkeit von Kühlketten bei Lebensmitteln oder auch an die Kennzeichnung von Gefahrgütern, die mit Hilfe der Chips besser aufgespürt werden können.

In Kanada ist es beispielsweise bereits seit Januar 2005 Pflicht, dass Rinder mit RFID-Chips ausgestattet werden, um sie so leichter verfolgbar zu machen. Auch in den USA und Australien besteht seit einiger Zeit eine Kennzeichnungspflicht mit RFID-Technologie und nun hat auch die EU-Kommission in einem Strategiepapier vom 19.09.2007 reagiert:

Darüber berichtete das ZDF-Heute-Journal: “So will EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou den Kampf gegen Tierkrankheiten wie den Rinderwahnsinn (BSE) und die Maul- und Klauenseuche verstärken. Zugleich will er den durch Fleischskandale verunsicherten Verbrauchern eine hohe Fleischqualität von der Weide bis zum Teller garantieren.

Innovative Ideen wie die unsichtbare RFID-Tinte der US-amerikanischen Firma Somark konkurrieren hier mit den herkömmlichen Chips und versprechen einen riesigen Markt.

Auch humanitäre Aktionen könnten mit Hilfe von RFID besser koordiniert werden. So forderte der Koordinator der Vereinten Nationen für Vogelgrippe und Influenza, Dr. David Nabarro am 10. Oktober 2007 bereits einen verstärkten Einsatz der Erfassungs- und Identifizierungstechnik RFID im Rahmen von Notfallmaßnahmen der UN und brachte dabei den Einsatz bei Katastrophen oder Massenepidemien ins Gespräch.

Auch wenn Hightech nicht auf allen Gebieten die richtige Antwort auf die Probleme der Menschheit ist, besteht hier ein bislang weitgehend ungenutztes Potential.

Fazit

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Ob gut oder böse, ob Risiko oder Heilsbringer: In der momentanen Diskussion über RFID finden sich sowohl erbitterte Gegner als auch überzeugte Apologeten der Technologie.

Die Wahrheit – so es eine solche überhaupt gibt – liegt vermutlich in einer stets situationsbezogenen und offenen Technikfolgen- Abschätzung, die in den wenigsten Fällen vorgenommen wird. Und auch die Kosten werden möglicherweise noch nicht so richtig abgeschätzt – eben weil noch niemand, der RFID einsetzt, weiß, was noch an möglichen Datenschutz-Kosten anfallen wird. Der Staat könte ja mit der üblichen Politik-Verspätung doch noch neue Gesetze dazu erlassen oder über die RegTP Probleme mit den Funkfrequenzen machen.

In einem Markt, der immer mehr an Dynamik zunimmt, ist so eine Abschätzung im Voraus sicherlich ein allzu hehres Ziel.

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