Richter sieht rechtliche Probleme im EU-Urteil gegen Microsoft
Bo Vesterdorf, Richter im Berufungsprozess
Microsoft gegen die Europäische Union, sieht offenbar rechtliche Probleme in dem Urteil der EU-Kommission gegen den Konzern. Nach der gestrigen ersten Anhörung empfahl Vesterdorf den europäischen Wettbewerbshütern, Verhandlungen mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung aufzunehmen, so das ‘Wall Street Journal’ in seiner Freitagsausgabe. Dies deutet darauf hin, dass das Urteil des Richters zu Ungunsten der EU ausfallen könnte. Die Anwälte Microsofts hatten gestern argumentiert, die zwangsweise Offenlegung von Netzwerkprotokollen, wie sie das Kommissionsurteil festschreibt, würden gegen die Patent- und Urheberrechte Microsofts verstoßen.
Vesterdorf forderte von den Vertretern der EU klare Aussagen darüber, wie sie verhindern wollen, dass Microsoft-Konkurrenten nach der Offenlegung von Protokollen die Patente des Unternehmens verletzen. Eine Antwort erfolgte darauf bisher nicht. Der Richter kritisierte daraufhin die Entscheidung. Laut Vesterdorf wäre es besser gewesen, sich am Vorgehen der Wettbewerbshüter in den USA zu orientieren und Microsoft einen bestimmten Zeitrahmen vorzugeben, um die Protokoll-Spezifikationen offenzulegen.
EU verstößt gegen Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Der Zugriff auf die Protokoll-Spezifikationen soll anfangs nur Microsoft und dessen Partnern zur Verfügung stehen. Dadurch könnte das Unternehmen über einige Monate oder Jahre exklusiv von den Ergebnissen der eigenen Entwicklungstätigkeit profitieren. Gleichzeitig sei es dem Redmonder Konzern nicht möglich, Konkurrenten langfristig aus einem Marktsegment auszuschließen. Diese könnten nach einiger Zeit selbst Produkte herausgeben, die zu den Microsoft-Anwendungen vollständig kompatibel sind. Die bestehende Entscheidung der EU würde gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoßen, so Vesterdorf.
Trotz des Teilerfolges musste Microsoft jedoch zugeben, die Umsetzung der EU-Beschlüsse unnötig herausgezögert zu haben. Auf Anfrage des Richters räumten die Anwälte des Konzerns ein, dass Teile sofort hätten umgesetzt werden können. Vesterdorf kündigte zum Ende der Anhörung, die heute fortgesetzt wird, an, dass er seine Entscheidung über die Zulassung der Berufungsklage Microsofts, binnen eines Monats bekannt gegeben wird. Laut Gesetz hat der Richter dafür zwei Monate Zeit. Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung Vesterdorfs für eine Wiederaufnahme des Prozesses bereits relativ fest steht. (mk)
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