Cliqz: Komfort-Browser mit integriertem Datenschutz

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Ein Start-up aus Deutschland will mit einem neuen Browser das Internet aufmischen. Cliqz setzt auf ein neues Bedienkonzept, indem es eine eigene Suchmaschine im Browser integriert. Zudem sollen User-Daten vollkommen anonym bleiben.

Lange Zeit hat sich auf dem Markt für Suchmaschinen und Browser so gut wie nichts getan. Die überwältigende Dominanz von Google mit einem Marktanteil von deutlich mehr als 90 Prozent ist seit Jahren wie zementiert. Beim Browser haben die Anwender im Wesentlichen die Wahl zwischen Microsofts Internet Explorer beziehungsweise dem Edge-Browser in Windows 10 oder Mozilla Firefox. Alternativen haben sich – abgesehen von Safari auf Apple-Geräten – hierzulande nicht durchsetzen können.

Nun scheint sich zum ersten Mal seit Jahren etwas zu tun. Das neue Produkt hört auf den Namen Cliqz und ist als Browser mit integrierter Suchmaschine konzipiert. Die Idee dahinter: Die meisten Anwender wissen, welche Webseite sie ansurfen wollen und benutzen die Suchmaschine, um schneller die korrekte Webadresse zu bekommen. Bei Cliqz gibt man die Suchanfrage oder bereits bekannte Teile der Webadresse ein, also beispielsweise “ITespresso”, der Browser listet dann passende Vorschläge auf. Ein Klick auf einen Vorschlag führt dann direkt zu dieser Seite.

Somit ist es nicht mehr notwendig, eine Suchmaschine anzuwählen. Wer doch einmal eine ausführlichere Recherche startet, beispielsweise um Informationen über ein komplexes Thema wie “Augmented Reality” zu sammeln, kann die im Cliqz-Browser hinterlegten Suchmaschinen starten.

Cliqz will den Komfort eines klassischen Browsers, der Google oder Bing für Suchanfragen nutzt, mit dem Datenschutz für die Anwender verbinden. (Screenshot: Cliqz)
Cliqz will den Komfort eines klassischen Browsers, der Google oder Bing für Suchanfragen nutzt, mit dem Datenschutz für die Anwender verbinden (Screenshot: Cliqz).

Datenschutz durch Tracking-Analyse

Das allein wäre nur mittelmäßig interessant, wenn Cliqz nicht Technik eingebaut hätte, die den Datensammlern einen Riegel vorschieben soll. So nutzt der Browser eine Anti-Tracking-Technik, die laut Anbieter relativ harmloses Tracking, bei dem keine Daten über den User generiert werden, von Tracking unterscheiden könne, bei dem User tatsächlich identifiziert und verfolgt werden. Bei letzterem wird dann die Übermittlung der Daten von Cliqz gesperrt.

Nach einer Studie, die der Anbieter im November 2015 mit 200.000 deutschen Nutzern durchgeführt hat, gehen bei acht von zehn Webseiten-Aufrufen Daten an Tracker, die dann die Aktivitäten der Nutzer weiterverfolgen und diese identifizieren können. Demnach wären nur zwei von zehn Webseiten-Aufrufen sozusagen harmlos, weil keine Identifizierung des Anwenders erfolgt. Bei 7 Prozent der Webseiten-Aufrufe werden die Daten sogar an zehn oder mehr Tracker geleitet. Wie nicht anders zu erwarten, ist Google der eifrigste Datensammler. Bei sechs von zehn Aufrufen von Webseiten sammeln Google-Tracker die Daten ein.

Die integrierte Suchmaschine in Cliqz bietet dem Anwender Vorschläge aus dem Web-Index. Die dafür nötigen User-Daten werden aber laut Anbieter vollkommen anonym generiert (Screenshot: Cliqz).
Die integrierte Suchmaschine in Cliqz bietet dem Anwender Vorschläge aus dem Web-Index. Die dafür nötigen User-Daten werden aber laut Anbieter vollkommen anonym generiert (Screenshot: Cliqz).

Cliqz: Datenschutz mit Proxy-Server

Cliqz begnügt sich aber nicht mit der Blockade von Tracking-Agenten. Nach Aussage des Anbieters werden die Daten der User auch auf andere Weise geschützt. Daten über Suchanfragen und die Daten über die tatsächlichen Webseiten-Besuche, darunter solche über die Verweildauer, werden getrennt gesammelt. Bei der Übermittlung an den Server des Anbieters, den sogenannten Human-Web-Server, wandern die Daten über ein Proxy-Netzwerk. Dabei wird alle 20 Minuten ein Datenpaket mit den Anfragen mehrerer 100 Nutzer an den Human-Web-Server übermittelt. So soll ausgeschlossen werden, dass einzelne Nutzer identifizierbar sind. Auch IP-Adressen werden nicht gespeichert.

Web-Index Made in Germany

Aus den gesammelten User-Daten entstehen Statistiken des Human-Web-Servers, daraus wiederum generiert Cliqz einen Web-Index. Nach Aussagen des Anbieters ist Cliqz damit “die einzige von den US-Anbietern wirklich unabhängige deutsche Suchmaschine”.

Die Behauptung ist allerdings etwas dick aufgetragen, da es immerhin mit Metager, eine bedienfreundliche und leistungsfähige Suchmaschine gibt, die ebenfalls keine IP-Adressen speichert und deren Anbieter, der gemeinnützige SUMA-EV, keinerlei Interesse am Ausspionieren von User-Daten hat.

Die Startseite des Cliqz-Browsers. (Screenshot: Cliqz)
Die Startseite des Cliqz-Browsers (Screenshot: Cliqz).

Trotz des strikten Datenschutzes will Cliqz dem Anwender ausreichend Komfort bieten. So werden beispielsweise Einträge in der Browser-Chronik und Lesezeichen durchaus gespeichert und daraus bei Suchanfragen Vorschläge generiert. Der Clou dabei: die Daten werden lokal, also auf der Festplatte des Anwender-PCs gespeichert, und bleiben somit vor fremdem Zugriff geschützt.

"Daten, anhand derer Personen identifiziert oder durchs Web verfolgt werden könnten, sollten gar nicht erst gesammelt werden", erklärt Marc Al-Hames, Geschäftsführer von Cliqz  (Bild: Cliqz).
“Daten, anhand derer Personen identifiziert oder durchs Web verfolgt werden könnten, sollten gar nicht erst gesammelt werden”, erklärt Marc Al-Hames, Geschäftsführer von Cliqz (Bild: Cliqz).

“Daten, anhand derer Personen identifiziert oder durchs Web verfolgt werden könnten, sollten gar nicht erst gesammelt werden. Denn: Egal, wie gut die ursprüngliche Absicht war – irgendwann könnten sich die Intentionen ändern oder die Daten in die falschen Hände gelangen. Deshalb stufen wir bei Cliqz solche Daten als unsicher ein. Wir schützen unsere User davor, ungewollt sensible Daten zu übermitteln. Privates bleibt privat”, erklärt Marc Al-Hames, Geschäftsführer von Cliqz gegenüber ITespresso.

Hubert Burda Media unterstützt Cliqz

Wem der Name Cliqz bekannt vorkommt, der hat die Technik möglicherweise schon als Add-in im Firefox gesehen oder genutzt. Dieses Add-in gibt es seit Juni 2014.

Ursprünglich wurde das Unternehmen unter dem Namen “10betterages” im April 2008 von Jean-Paul Schmetz gegründet. Hubert Burda Media hat das Potenzial offenbar erkannt und ist seit Mai 2013 mit einer Mehrheitsbeteiligung an Bord. Cliqz als eigenen Browser gibt es seit Ende 2015, seit dem 8. März 2016 wird die Version 1.0 für Windows und Mac offiziell vermarktet. Auch für Android und iOS ist der Browser verfügbar. Das Produkt ist als Download frei erhältlich.

Die Beteiligung von Hubert Burda Media gibt Cliqz wohl auch die finanziellen Ressourcen, um trotz der Blockade von Tracking-Techniken, die ja letztlich die Gewinn bringende Werbung ermöglichen, an den Start gehen zu können.

Nach eigener Aussage will Cliqz zunächst einmal seine Technologie weiter entwickeln und vor allem die Zahl der Nutzer erhöhen. Denn ohne ansehnliche Nutzerzahlen lässt sich kein vernünftiger Web-Index aufbauen, der wiederum für eine gut funktionierende Suchmaschine unabdingbar ist.

In der Flut der zahllosen Meldungen, mit denen die IT-Branche im Vorfeld der CeBIT auf ihre mehr oder weniger innovativen Produkte aufmerksam machen will, gehört Cliqz zu den spannendsten News. Dem Start-up aus Deutschland ist damit so etwas wie ein kleiner Paukenschlag gelungen. Ob aus dem Paukenschlag tatsächlich etwas Großes wird oder er nach einiger Zeit wieder folgenlos verhallt, hängt davon ab, wie viele Anwender das Produkt tatsächlich nutzen. Ausprobieren lohnt sich jednfalls.

Auch die deutsche Suchmaschine Metager sammelt keine User-Daten und ist daher eine Alternative zu Google. (Screenshot: Mehmet Toprak)
Auch die deutsche Suchmaschine Metager sammelt keine User-Daten und ist daher eine Alternative zu Google (Screenshot: Mehmet Toprak)

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