Betroffene kritisieren Entwurf des Gesetzes gegen Missbrauch von Werkverträgen

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Beratung (Bild: Shutterstock / Konstantin Chagin)

Der von Arbeitsministerin Andrea Nahles vorgelegte Gesetzesentwurf soll unter anderem die Scheinselbstständigkeit verhindern. In seiner aktuellen Ausgestaltung geht er nach Ansicht Betroffener aber eher auf den Niedriglohnbereich ein. Der Situation von IT- und Engineering-Freelancer, die meist in komplexen Projekten arbeiten, trage er nicht Rechnung.

In den vergangenen Tagen hat sich die Kritik an dem im November von Bundesarbeitsministerin Nahles vorgelegtem Gesetzentwurf gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verschärft und konkretisiert. Bemängelt wird vor allem, dass sich das Gesetz in seiner aktuellen Fassung viel zu sehr an den Gegebenheiten im Bereich einfacher Tätigkeiten mit tendenziell niedrigeren Löhne orientiert. Am Alltag von sogenannten Wissensarbeitern, zum Beispiel in hochkomplexen IT- und Engineering-Projekten, gehe es dagegen völlig vorbei.

Situation im Büro  (Bild: Shutterstock / Goodluz)
Nach Ansicht Betroffener geht der von Bundesarbeitsministerin Nahles vorgelegtem Gesetzentwurf gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen am Alltag von sogenannten Wissensarbeitern völlig vorbei (Bild: Shutterstock / Goodluz).

Neben den durchaus als Verbesserung für Arbeitnehmer zu erachtenden Neuerungen im Bereich der Leiharbeit will der Gesetzesentwurf auch den Missbrauch von Werkverträgen unterbinden. Kernbestandteil ist die Abschaffung der sogenannten “Vorratsverleihererlaubnis”. Damit soll Arbeitgebern, die vermeintliche Werkverträge einsetzen, um arbeitsrechtliche Schutzstandards zu umgehen, die Möglichkeit entzogen werden, dies nachträglich als Leiharbeit auszugeben und damit zu legalisieren. Dieser Teil des Gesetzes richtet sich also gegen Firmen, die es erst einmal mit Werkverträgen “versuchen”, um dann bei Bedarf auf Leiharbeit “auszuweichen”. Außerdem sollen die Kriterien zur Abgrenzung von Leiharbeit und Werkverträgen gesetzlich festgeschrieben werden.

In IT-Projekten ist der flexible Einsatz von freiberuflichen IT-Experten mit Spezialkompetenzen allerdings nach Auffassung vieler Marktteilnehmer unverzichtbar. In diesem Bereich brauchen auch die Arbeitnehmer weniger Schutz. Schließlich sind sie nicht beliebig austauschbar und daher erpressbar. Vielfach ist es eher so, dass der Auftraggeber froh sein kann, überhaupt jemanden gefunden zu haben, der die notwendigen Voraussetzungen aufweist. Das Verhältnis ist daher weitaus partnerschaftlicher als in Branchen wie Gastronomie, Logistik oder Baubranche, wo aus Sicht des Arbeit- oder Auftraggebers vielfach die reine Arbeitskraft, nicht die erworbene Qualifikation zählt.

Unternehmensberatung (Bild: Shutterstock/Saklakova)
In IT-Projekten ist der flexible Einsatz von freiberuflichen IT-Experten mit Spezialkompetenzen allerdings nach Auffassung vieler Marktteilnehmer unverzichtbar (Bild: Shutterstock/Saklakova).

“Wir befinden uns in Deutschland aktuell in einer Patt-Situation: Auf der einen Seite verschärft der Digitalisierungsdruck die Nachfrage nach den knappen Experten extrem, auf der anderen Seite erschweren Regulierungsabsichten der Politik den effektiven Einsatz freiberuflicher Spezialisten”, erklärt Daniela Kluge, Bereichsleitung Portal & Projekte bei Gulp Information Services in einer Pressemitteilung.

Dieser Ansicht ist auch der Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland e.V. (VGSD). Er befragt derzeit IT-Freelancer zur Praktikabilität des Gesetzesentwurfes. Außerdem hat er bereits im vergangenen Jahr eine Petition auf den Weg gebracht, mit der er sich gegen die seiner Ansicht nach überzogene Kampagne gegen die geplanten Regelungen zur Scheinselbständigkeit wehrt. Sie wurde bereits von über 17.000 Personen mitgezeichnet. Seit gestern liegt zudem eine Übersicht über Positionspapiere von insgesamt 15 Verbänden zu den von der Bundesregierung geplanten Neuerungen bei Werkverträgen vor.

Die Sichtweise der Betroffenen aus dem IT- und Engineering-Bereich sammelt derzeit Gulp auf seiner Website. “Seit unserer Berichterstattung über den Gesetzesentwurf haben sich viele IT-Freiberufler bei uns zu Wort gemeldet. Die in den Leserbriefen und in den Foren eingebrachten Meinungen, Kritiken und Bedenken geben unseres Erachtens einen wichtigen Input, der in der Diskussion rund um den Gesetzesentwurf nicht fehlen darf”, so Kluge. In den Beiträgen dort wird etwa kritisiert, dass der Entwurf “den hochqualifizierten Dienstleistern einer modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft massiv schadet” oder befürchten Betroffene, dass das Gesetz für sie als projektbezogen arbeitenden, selbstständigen IT-Administrator und -Consultant “ziemlich sicher” das Aus bedeute.

Schon heute ist die Situation vor allem für Firmen knifflig. Beispielsweise klagten 2013 zwei IT-Experten vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen 2 Sa 6/13) gegenüber dem Unternehmen, in dem sie lange Zeit tätig waren, erfolgreich auf Einstellung. Sie waren zuvor zehn Jahre lang über Werkverträge bei einem Autohersteller beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wertete das allerdings nicht mehr als Werkvertrag, sondern als illegale Arbeitnehmerüberlassung. Begründet wurde dies damit, dass die beiden über Jahre hinweg in den Geschäftsräumen des Autokonzerns und mit dessen Computern tätig gewesen sind. Der Konzern haben ihnen – oft durch direkte E-Mails seiner Mitarbeiter und ohne Umweg über das IT-Unternehmen, bei dem sie beschäftigt waren, Weisungen für ihre Arbeit erteilt.

Anwalt bei der Arbeit (Bild: Shutterstock)
Schon heute ist die Situation bei Werkverträgen vor allem für Firmen knifflig (Bild: Shutterstock).

Das Verfahren wurde vor dem Bundesarbeitsgericht fortgesetzt und endete dort mit einem Vergleich. Es zeigt aber – auch wenn in dem Fall natürlich eine besonders lange Dauer ein etwas anderes Licht auch die Sache wirft – dass die Rechtsprechung schon jetzt dem Arbeitsalltag in IT-Projekten nicht immer gerecht wird.

Das illustriert auch ein anderes Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht, (Aktenzeichen 10 AZR 282/12), in dem es zwar nicht um IT-Expertise, aber den Zugriff auf IT-Ressourcen des Unternehmens geht. Dabei beschäftigte eine Behörde einen Mann nach dem Ende eines befristeten Arbeitsverhältnises auf Grundlage mehrerer projektgebundener Werkverträge weiter. Die Behörde stellte dafür einen PC-Arbeitsplatz in ihren Räumen zur Verfügung. Nach dem zehnten Auftrag klagte der Mann erfolgreich auf Feststellung,

Nach Auffassung des Gerichts ist man Arbeitnehmer, wenn man einem Weisungsrecht in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit unterliegt, also seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen könne. Im Gegensatz dazu organisiere ein Werkunternehmer “die für die Erreichung seines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und sei für die Herstellung des dem Auftraggeber geschuldeten Werkes verantwortlich.”

Für das Bundesarbeitsgericht sprach in dem Fall für ein Arbeitsverhältnis, dass die vereinbarte Tätigkeit nicht beinhaltete, dass ein konkrete Erfolges erzielt wurde, sondern eine gewisse Anzahl an Aufgaben erledigt wurde. Auch dass der Kläger seine Tätigkeit ohne den PC-Arbeitsplatz und den Zugang zu internen Datenbanken nicht hätte ausüben können, es ihm nicht gestattet wurde, die für seien Aufgabe erforderliche Software auf den eigenen Rechner zu installieren und er, da er keinen Schlüssel zu den Diensträumen hatte, auch nur während der regulären Arbeitszeiten der Behörde arbeiten konnte, sah das Gericht als Belege dafür an, dass er Arbeitnehmer und nicht Vertragspartner war. Die Situation für Arbeitgeber bei Werkverträgen ist also jetzt schon recht kompliziert.

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