IT-Gipfel 2011: Smarte Netze und ein Prozessdatenbeschleuniger
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer begrüßte die rund 1.000 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit den Worten: »Willkommen im gelobten Land. Bayern steht so gut da wie noch nie in seiner Geschichte«. Fehlte nur das Bild der glücklichen Verbindung von Lederhose und Laptop. Bayern zählt jedenfalls zum wichtigsten Hightech-Standort in Deutschland.
Dr. Philipp Rössler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und damit Gastgeber des Nationalen IT-Gipfels, ging in seiner Rede noch einen Schritt weiter: Die Produktivität der gesamten Wirtschaft in Europa hänge von der IT als entscheidender Innovations- und Wachstumstreiber ab.
Bis zum Jahr 2015 wolle die Branche 30.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Rösler ging dann auf die drängendsten Fragestellungen ein, die derzeit die ITK-Branche umtreibt: Fachkräftemangel, Datenschutz und Datensicherheit sowie Regulierung des TK-Marktes. »Die Regulierung der Anbieter darf diese nicht behindern, wir brauchen eine vernünftige Regulierung.« Die Telekommunikations-Novelle würde die Voraussetzungen für eine neue Art der Regulierung schaffen.
Vernetzt, mobil und smart
BITKOM-Präsident Prof. Kempf betonte in seiner Rede, dass im Aufbau intelligenter Netze, im Cloud Computing und in der Nutzung mobiler Endgeräte und sozialer Online-Medien große Potenziale der ITK-Technologien stecken. Ein Beispiel hierfür sind Smart Grids, also intelligente Energienetze, mit denen sich dezentral Wind- und Sonnenenergie erzeugen und verteilen lässt.
Im Gesundheitswesen sollen durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte digitale Patientenakten und das elektronische Rezept ermöglicht werden. Und durch eine intelligente Verkehrslenkung können Staus und Unfälle vermieden werden. »Der Auf- und Ausbau intelligenter Netze ist eine nationale Herkulesaufgabe«, gestand Kempf ein. Dies ist sicherlich nicht übetrieben, wenn man bedenkt, dass hierfür Investitionen von gut 130 Milliarden Euro benötigt werden.
Beim Thema Datensicherheit wurde der BITKOM-Präsident noch deutlicher: »Die digitale Welt lässt sich ohne das Vertrauen der Nutzer nicht entwickeln. Dieses Vertrauen wird uns nicht geschenkt, wir müssen und werden es uns verdienen.« Und für die Akzeptanz der intelligenten Netze werden Sicherheit und Datenschutz laut Kempf eine entscheidende Rolle spielen.
Forderung nach Modernisierung
Laut einer Umfrage der Forsa sehen 83 Prozent der Bundesbürger Modernisierungsbedarf in der Bildung, jeweils 73 Prozent in der Energie und Gesundheit, 64 Prozent im Verkehr und immer noch 60 Prozent bei den Behörden. Bei der Datenverarbeitung wendet sich das Blatt. So sehen darin nur noch ein Drittel der Befragten Vorteile, für 59 Prozent überwiegen die Risiken.
Bei einer Podiumsdiskussion zu den Themen Regulierung und Ausbau der Netze sowie Datenschutz und -sicherheit diskutierten deutsche Topmanager mit dem Bundeswirtschaftsminister Rösler: Jim Hagemann Snabe, Vorstandssprecher SAP AG, Peter Bauer, Vorstandsvorsitzender Infineon Technologies AG, Martina Koederitz, Vorsitzende der Geschäftsführung IBM Deutschland GmbH und René Obermann, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom AG.
Frauenanteil in der ITK-Branche erhöhen
Wie schon bei den vergangenen IT-Gipfeln wurde einmal mehr der Fachkräftemangel thematisiert. Schon länger gefordert, aber noch nicht umgesetzt ist das ehrgeizige Ziel, den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen deutlich zu erhöhen. Glaubt man einer Umfrage des BITKOM zur Personalplanung bei 700 Unternehmen der ITK-Branche, soll der Anteil von Frauen im Spitzenmanagement von derzeit knapp drei Prozent bis 2020 auf 17 Prozent steigen, im mittleren Management von derzeit 4,4 Prozent auf rund 15 Prozent. »Weibliche Fach- und Führungskräfte werden für einen dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg dringend gebraucht«, ist auch Prof. Kempf überzeugt.
Ein anderer Weg zur Beseitigung des Fachkräftemangels wird mit der qualifizierte Einwanderung nach Deutschland beschritten. Zum einen soll 2012 die BlueCard-Richtlinie der EU umgesetzt werden, zum anderen soll die Verdienstuntergrenze von 66.000 auf 48.000 Euro gesenkt werden. Aufgrund dieses realitätsfernen Kriteriums kamen 2010 gerade mal 150 IT-Fachleute ins Land. Eine weitere Maßnahme stellen die Berufsanerkennungs-Richtlinien dar, die im März 2012 in Kraft treten sollen.
Die wichtigsten Ergebnisse des 6. Nationalen IT-Gipfels in der Übersicht:
In dem »Leitfaden Sichere Nutzung sozialer Netzwerke« ist unter anderem nachzulesen: Wie verhalte ich mich richtig im Netz? Wie stelle ich sicher, dass ich die Hoheit über meine Daten behalte? Worauf müssen gerade junge Erstnutzer achten? Ein Leitfaden gibt konkrete Hinweise zum Umgang mit sozialen Online-Medien.
Entwicklung des Prozessdaten-Beschleunigers P23R: Derzeit bestehen für deutsche Unternehmen mehr als 10.000 Informations- und Meldepflichten, die zu jährlichen Kosten von mehr als 50 Milliarden Euro führen. Mit dem Prozessdatenbeschleuniger P23R lassen sich die Geschäftsvorgänge zwischen Wirtschaft und Verwaltung analysieren und systematisch miteinander zu effizienten Prozessketten vernetzen. Zudem soll der Aufwand für den Transfer gesetzlicher Regelungen und für die Sicherstellung der Rechtskonformität reduziert werden.
»Wegweiser Green IT«: Mit dem Einsatz von IT-Technologien lassen sich Energie einsparen und klimaschädliche Emissionen reduzieren. Die Webplattform erklärt, wie kleinere und mittlere Unternehmen Green IT für den eigenen Betrieb nutzen können.
»Mittelstandsbroschüre Cloud-Computing«: Cloud-basierte Konzepte ermöglichen Unternehmen, ITK-Lösungen optimal auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden. Der Leitfaden erklärt, wie KMUs Kosten einsparen und zugleich die Effizienz erhöhen können.
Das Programm »Junge IT-Unternehmen starten durch« wird künftig auf 25 Unternehmen erweitert. Hiermit werden Firmen in der Wachstumsphase unterstützt, die drei bis fünf Jahre am Markt sind, zudem steht ein Spitzenmanager jeweils als Mentor bereit.
Großer Erfolg der Breitbandstrategie
Der wichtigste Erfolg des IT-Gipfels ist die Breitbandstrategie des Bundes, die zugleich ein Kind des IT-Gipfels ist, so BITKOM-Präsident Kempf im Schlussplenum. »Vielleicht wollten wir manchmal zuviel bei den Projekten, wie bei der Gesundheitskarte«, meinte Kempf selbstkritisch.. Datenschutzthemen müssten mit der jungen Generation diskussiert werden. Sein Appell: Wir müssten die Digital Nerds fragen, ohne gleich die Antworten in bestimmte Handlungen umzuwandeln.
Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert bei ihrer kurzen Rede zum Elsa-Projekt im Deutschen Patentamt, das IBM federführend durchführte. Die wichtigste Botschaft von Merkel: »Wenn wir das Land der neuen Anwendungen sein wollen, müssen wir schneller werden.« Aber die Kanzlerin gibt auch zu, selbst von der rasanten Entwicklung der IT abgehängt zu werden: »Digital Migrands wie wir müssen uns an die Digital Natives herantasten.«
Ohne intelligente IT-Technologien geht nichts
»RFID wurde mir schon auf vielen CeBITs gezeigt und ist jetzt etabliert«, sprach Merkel von ihren Erfahrungen. Von essentieller Bedeutung beim Internet seien auch die Smart Grids, also die intelligente Verteilung der Stromflüsse. »Hier werden intelligente IT-Technologien eine wichtige Rolle spielen«, erklärte Merkel und betonte zugleich die Bedeutung des Breitbands für die Entwicklung der ländlichen Gebiete. »Außer den eingebetten Systemen habe ich gelernt, dass die Prozessdaten-Beschleuniger für die Wirtschaft äußerst wichtig sind«, schloß die Bundeskanzlerin ihre Rede.